Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Gemeindekirchenrat und Kirchengemeindevertretung. 
erklärung des G. bedarf es der Unterschrift des 
Vorsitzenden oder seines Stellvertreters und 
weier Altesten, sowie der Beidrüchung des 
irchensiegels (§ 22). Weitere Befugnisse sind 
ihm durch die neuere kirchliche Gesetzgebung 
übertragen worden, so u. a. eine Mitwirkung 
bei Ausführung des Stolgebührenablösungs- 
esetzes (KirchS. vom 28. Juli 1892 — 86- 
Bl. 167 — 8§§ 2, 7 Abs. 2; s. auch Stol- 
gebühren). Dem Patron verbleiben 
da, wo derselbe Patronatslasten für die 
kirchlichen Bedürfnisse trägt, die Aussicht 
über die Verwaltung der Kirchenkasse und 
das Recht der Zustimmung # den seiner Ge- 
nehmigung unterliegenden Geschäften der Ver- 
mögensverwaltung. Seine Zustimmung gilt 
für erteilt, wenn er auf abschriftliche Zu- 
stellung des betreffenden Beschlusses nicht 
binnen dreißig Tagen nach dem Empfange 
dem G. seinen Widerspruch zu erkennen gibt. 
Geschieht das letztere, so steht dem G. der 
Rekurs an die vorgesetzte Aufsichtsbehörde 
offen. Diese ist befugt, geeignetenfalls den 
Widerspruch des Patrons zu verwerfen und 
dessen Einwilligung zu ergänzen. Kommt es 
für Urkunden auf formelle Feststellung der Zu- 
stimmung des Patrons an, und ist die letztere 
wegen Verabsäumung der dem Patron offen- 
stehenden Erklärungsfrist für erteilt zu erachten, 
so wird die fehlende Unterschrift desselben durch 
die zuständige Aufsichtsbehörde ergänzt (§ 23). 
S. hierzu G. vom 25. Mai 1874 Art. 18. 
III. Hemeindevertretung. a) Zusammen-- 
setzung. Die Stärke der Gemeindevertre- 
tung, welche nur in Gemeinden mit über 
500 Seelen gebildet wird, beträgt das Drei- 
fache der normalen Zahl der Altesten (88 27, 
28). Die Gemeindevertretung verhandelt und 
beschließt in Gemeinschaft mit dem G. über 
die von dem letzteren zur Beratung vor- 
gelegten Gegenstände. Der Vorsitzende des 
G. ist zugleich Vorsitzender der zu einem Kol- 
legium vereinigten Versammlung (8 29). 
b) Zuständigkeit. Der G. bedarf der be- 
schließenden Mitwirkung der Gemeindever- 
tretung: 1. bei dem Erwerb, der Veräuße- 
rung und der dinglichen Belastung von 
Grundeigentum, der Verpachtung und Ver- 
mietung von Kirchengrundstücken auf länger 
als zehn Jahre, und der Verpachtung oder 
Vermietung der den kirchlichen Beamten zur 
Autzung oder zum Gebrauch überwiesenen 
Grundstücke über die Dienstzeit des jeweiligen 
Inhabers hinaus; 2. bei außerordentlichen 
Autzungen des Vermögens, welche die 
Substanz selbst angreifen, sowie bei Kündigung 
und Einziehung von Kapitalien, sofern sie 
nicht zur zinsbaren Wiederbelegung erfolgt; 
3. bei Anleihen, soweit sie nicht bloß zur 
vorübergehenden Aushilfe dienen und aus 
den laufenden Einnahmen derselben Voran- 
lagsperiode zurückerstattet werden können; 
4. bei der Anstellung von Prozessen, 
soweit sich dieselben nicht auf Eintreibung fort- 
laufender Zinsen und Gefälle oder die Ein- 
ziehung ausstehender Kapitalien, deren Zinsen 
rückständig geblieben find, beschränken, des- 
gleichen bei der Abschließung von Vergleichen; 
bei Neubauten und erheblichen Re- 
  
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paraturen an Baulichkeiten, sofern nicht 
über die Notwendigkeit der Bauausführung 
bereits durch die zuständige Behörde end- 
gültig entschieden ist. Für erheblich gelten 
eparaturen, deren Kostenanschlag 150 M. 
übersteigt. Im Fall des Bedürfnisses kann 
die Gemeindevertretung ein für allemal die 
Vollmacht des G. zur Vornahme höher ver- 
anschlagter Reparaturen, jedoch nicht über die 
Summe von je 900 Ml. hinaus, erweitern; 
6. bei der Beschaffung der zu den kirchlichen 
Bedürfnissen erforderlichen Geldmittel 
und Leistungen, insbesondere bei Festsetzung 
der auf die Gemeinde zu repartierenden Um- 
lagen und bei Bestimmung des Repartitions- 
fußes, welcher nach Maßgabe direkter Staats- 
steuern oder am Ort erhobener Kommunalsteuern 
festgesetzt werden muß; 7. bei Veränderungen 
bestehender und Einführung neuer Gebühren- 
taxen; 8. bei Bewilligungen zur Dotierung 
neuer Stellen, sowie zur dauernden Verbesse- 
rung des Einkommens der bestehenden; 9. bei 
der Feststellung des Etats der Kirchenkasse und 
der Voranschlagsperiode, sowie, wenn die jähr- 
liche etatsmäßige Solleinnahme der Kirchen- 
kasse 900 M. oder mehr beträgt, bei der Ab- 
nahme der Jahresrechnung und Erteilung 
der Decharge; 10. bei Bewilligungen aus 
der Kirchenkasse an andere Gemeinden oder 
zur Unterstützung ev.-christlicher Vereine und 
Anstalten, sofern dieselben einzeln 2% der 
etatsmäßigen Solleinnahme der Kirchenkasse 
übersteigen; 11. bei Errichtung von Ge- 
meindestatuten (§ 31). — Inwieweit Be- 
schlüsse der Kirchengemeindeorgane der kir— 
chenregimentlichen Genehmigung 
bedürfen, ist durch das G. vom 18. Juli 1892 
. Evangelisch-kirchliche Vermögens- 
verwaltung, Aufsicht) bestimmt. Die 
staatliche Genehmigung (wegen der Zu- 
ständigkeiten der hierbei zur Mitwirkung be- 
rufenen Behörden s. Evangelische Landes- 
kirche, Stellung zum Staate I a. E. ist 
gemäß Art. 24 des G. vom 3. Juni 1876 erfor- 
derlich bei dem Erwerb, jedoch nur bei einem 
Werte von mehr als 5000 M. (EGBGB. 
Art. 86), der Veräußerung oder der ding- 
lichen Belastung von Grundeigen- 
tum, bei Veräußerung von Gegenständen 
eschichtlichen, wissenschaftlichen oder 
Runstwertes, bei Anleihen, Gebühren- 
taxen, Errichtung neuer für den Gottes- 
dienst, die Geistlichen oder andere Kir- 
chendiener bestimmter Gebäude, bei An- 
legung und Veränderung von Begräbnis-= 
plätzen, bei Sammlungen außerhalb der 
Kirchengebäude, bei Verwendung von Kir- 
chenvermögen zu anderen, als bestimmungs- 
emäßen Zwechken. Wegen der Beschlüsse über 
Kimlagen und Steuern s. Kirchensteuer und 
wegen der sonstigen staatlichen Aufsicht, dar- 
unter auch Zwangsetatisierung, s. Evange- 
lische Landeskirche, Stellung zum 
Staate II. Uber die Rechte der Gemeinden 
bän. deren Organe bei der Wahl der Pfarrer 
(KGSO. 8 32) s. Pfarrwahlrecht. 
IV. Wahl der Gemeindeorgane, Wö l- 
barkeit, Entlassung, Auflösung. ie 
Witglieder des G. und der Gemeindevertre- 
 
	        
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