Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Gemeindekrankenversicherung. 
s. auch Selbstversicherung). Miehrere Ge- 
meinden können sich durch übereinstimmende 
Beschlüsse zu gemeinsamer G. vereinigen. Durch 
Beschluß eines weiteren Kommunalverbands 
(s. d.) Kann dieser für die G. an die Stelle der 
demselben angehörenden einzelnen Gemeinden 
gesetzt oder die Vereinigung mehrerer ihm an- 
gehörender Gemeinden zu gemeinsamer G. an- 
geordnet werden. Solche Beschlüsse müssen 
über die Verwaltung Bestimmung treffen und 
bedürfen der Genehmigung des Regierungs- 
präsidenten und, wenn der Beschluß von einem 
Provinzialverband oder einem Bezirksverband 
in der Prov. Hessen-Aassau gefaßt ist, der Ge- 
nehmigung des Oberpräsidenten. Gegen die 
Entscheidung ist binnen einer Woche die Be- 
schwerde an den HPM. und MId J. zulässig 
(K&B. § 12). Der Kommunalverband ist nur 
Träger der G., wenn er an Stelle aller ihm 
angehörenden Gemeinden und Gutsbezirke 
tritt. Sind in einer Gemeinde nicht minde- 
stens fünfzig Personen, die der G. anzugehören 
haben, vorhanden oder erweist sich die G. als 
nicht leistungsfähig trotz der Erhöhung der Bei- 
träge auf 3% des ortsüblichen Tagelohns, so 
kann der Regierungspräsident auf Antrag der 
Gemeinde ihre Vereinigung mit anderen Ge- 
meinden anordnen. Gegen die Anordnung ist 
binnen vier Wochen die Beschwerde an den HM. 
und Md J. zulässig. Gemeinsame G. können 
auf demselben Weg, auf dem sie zustande ge- 
kommen sind, wieder aufgelöst werden. Durch 
Beschluß des weiteren Kommunalverbandes 
oder auf Anordnung des Regierungspräsidenten 
kann die Auflösung nur auf Antrag einer be- 
teiligten Gemeinde erfolgen. Gegen die Ent- 
scheidung des Regierungspräsidenten steht den 
beteiligren Gemeinden und weiteren Kom- 
munalverbänden binnen vier Wochen die Be- 
schwerde an den SM. und Md J. zu. Uber 
die Verteilung des etwa vorhandenen Ver- 
mögens wird durch den Auflösungsbeschluß 
oder durch die Anordnung, über die Auflösung 
Bestimmung getroffen (KVG. 8§ 14; AusfAnw. 
vom 10. Juli 1892 — MBl. 301 — Ziff. 12 Abs.). 
II. Leistungen. Die G. hat die gesetzlichen 
Mindestleistungen zu gewähren, und zwar vom 
Beginne der Krankheit (s. Krankenversiche- 
rung II), als freie ärztliche Behandlung, Arz- 
nei, Bruchbänder und ähnliche Heilmittel, im 
Falle der Erwerbsunfähigbeit außerdem vom 
dritten Tage nach dem Tage der Erkrankung 
ab für jeden Arbeitstag ein nach Ablauf jeder 
Woche zu zahlendes Krankengeld in Höhe der 
Hälfte des ortsüblichen Tagelohns (s. d.) ge- 
wöhnlicher Tagearbeiter. Die Krankenunter- 
stützung endet spätestens mit dem Ablaufe der 
sechsundzwanzigsten Woche nach Beginn der 
Krankheit, im Falle der Erwerbsunfähigkeit 
spätestens mit dem Ablaufe der sechsund- 
zwanzigsten Woche nach Beginn des Kranken- 
geldbezuges. Endet der Bezug des Kranken- 
geldes erst nach Ablauf der sechsundzwanzigsten 
Woche nach dem Beginne der Krankheit, so 
endet mit dem Bezuge des Krankengelds zu- 
gleich der Anspruch auf Arzt, Arznei und Heil- 
mittel (KVG. 5 6). Für alle versicherungspflich- 
tige Mitglieder besteht der Anspruch auf Unter- 
stützung kraft Gesetzes, dagegen kann für frei- 
  
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willig beitretende Personen eine Karenzzeit (s. d.) 
vorgesehen werden. Der Unterstützungsanspruch 
versicherungspflichtiger Personen besteht auch 
bei Krankheiten, die bei Beginn der Mitglied- 
schaft bestanden haben (OV. 27, 348). Im 
einzelnen ist folgendes zu bemerken: 
1. Arztliche Behandlung. Sie darf nach 
Gew. 8 29 nur durch einen approbierten Arzt 
gewährt werden, was jedoch nicht ausschließt, 
daß einzelne Verrichtungen mit Zustimmung 
des Arztes durch Heildiener vorgenommen 
werden. — Bei Zahnkrantkheiten Rann die 
G. vorschreiben, daß die Inanspruchnahme 
eines Zahnarztes nur auf Anordnung eines 
approbierten Arztes zulässig l (Erl. vom 
30. März 1906 — HM Bl. 159). Die Ver- 
sicherten haben unter den Arzten des Be- 
zirus freie Auswahl, wenn nicht die G. 
beschließt, daß die ärztliche Hilfeleistung nur 
durch bestimmte Arzte gewährt und die Be- 
zahlung der durch die Heranziehung anderer 
Arzte entstehenden Rosten, von dringenden 
Fällen abgesehen, abgelehnt werden (KV. 8S 6a 
Abs. 1 Ziff. 60). Auf Antrag von mindestens 
30 beteiligten Versicherten Kann der Regierungs- 
präsident (in Berlin der Oberpräsident) nach 
Anhörung der G. und Aufsichtsbehörde die 
Vermehrung der Arzte verfügen, wenn durch 
die von der G. getroffenen Anordnungen eine 
den berechtigten Anforderungen der Versicher- 
ten entsprechende ärztliche Behandlung nicht 
gewährleistet ist. Wird dieser Verfügung nicht 
entsprochen, so kann der Regierungspräsident 
(in Berlin der Oberpräsident) die erforder- 
lichen Anordnungen mit verbindlicher Wirkung 
für die G. endgültig treffen (KVG. 8 56a). 
Die Ausübung dieser Befugnis setzt voraus, 
daß Arzte ihm zur Verfügung stehen, die die 
Leistungen übernehmen wollen (Erl. vom 
6. Mai 1903 — PAlBl. 180). 
2. Arzneien sind alle in der V. vom 
22. Okt. 1901 (Röl. 379) aufgeführten Heil- 
mittel. Die Zubereitungen, Drogen und chemi- 
schen Präparate, welche nur in Apotheken feil- 
gehalten und verkauft werden dürfen, können 
nur aus inländischen Apotheken bezogen wer- 
den; der Bezug der übrigen Heilmittel aus 
Drogenhandlungen ist den Kassen nicht ver- 
wehrt, doch hönnen die Versicherten nicht ge- 
zwungen werden, diese aus Drogenhandlun- 
en zu beziehen (Erl. vom 6. Jan. 1899 — 
Bl. 55 — und vom 31. Jan. 1902 — SM.n. 
87). Hinsichtlich der Auswahl der Apotheken 
git dasselbe wie für die Arzte (&V6. 85 6a 
bs. 1 Ziff. 6). 
3. Brillen, Bruchbänder und ähnliche 
Heilmittel. Die Gesichtspunkte, nach wel- 
chen die Ahnlichkeit anderer Heilmittel mit 
Brillen und Bruchbändern beurteilt werden 
soll, sind dem verständigen Ermessen des Kassen- 
vorstandes überlassen. Als solche Gesichts- 
punkte können die medizinische Bedeutung 
des Heilmittels und der größere oder geringere 
Kostenaufwand in Betracht kommen (O#. 
15, 395). Die G. sind jedoch berechtigt, bei 
dauernden Uberschüssen die Gewährung teurerer 
Heilmittel zu übernehmen. 
4. Krankengeld ist nur nach Ablauf 
der dreitägigen Karenzzeit (s. d.) und nur für
	        
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