Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Gemeindewahlen in Landgemeinden. 
die Wahlen der erwähnten Gemeindebeamten 
nimmt die Gemeindevertretung vor. In den Ge- 
meinden ohne Gemeindevertretung dagegen wer- 
den die erwähnten Gemeindebeamten (in Hanno- 
ver alle Gemeindebeamten) von der Gemeinde- 
versammlung gewählt. Das Wahlverfahren ist 
bei der Wahl der Gemeindeverordneten 
anders als bei der Wahl der Gemeinde- 
beamten. 
II. Wahlder Gemeindeverordneten. Die 
Gemeindeverordneten werden von den Stimm- 
berechtigten in allen Provinzen mit Ausnahme 
von Hannover nach dem Dreiklassenwahlsystem 
(s. d.) gewählt. Die Vorschriften der einzelnen 
Gemeindeordnungen über diese Wahlen zeigen 
(abgesehen von Hannover) nur geringe Ab- 
weichungen. 
a) Jede Wählerabteilung wählt aus der 
Zahl der männlichen stimmberechtigten Ge- 
meindeglieder ein Drittel der Gemeindeverord- 
neten (s. Gemeindevertretung [Landg.]), 
ohne dabei an die Wähler der Abteilung gebun- 
den zu sein (LGO. f. d. ö. Pr. und für Schles- 
wig-Holstein § 50, für Westfalen § 27, für die 
Mheinprovinz §8§ 50, 51, für Hessen-Aassau und 
für Hohenzollern § 21). In den 1 Pro- 
vinzen und in Schleswig-Holstein (LG. 8 50), 
sowie in Hessen= Aassau und in Hohenzollern 
(LGO. 8 21) sind auch die zur Stellvertretung 
der Stimmberechtigten gesetzlich befugten Per- 
sonen wählbar (nicht auchddie bevollmächtig- 
ten Gemeindeglieder — OVG. 40, 169), können 
aber nur so lange Gemeindeverordnete sein, 
als die Stellvertretung dauert. Die Mit- 
lieder des verfassungsmäßigen Organs einer 
ersonengesamtheit sind hiernach ebenfalls 
wählbar, auch wenn nicht jedes einzelne von 
ihnen für sich allein die Personengesamtheit 
vertreten kann. Doch muß sich diese durch 
ihr verfassungsmäßiges Organ mit der Wahl 
einverstanden erklären. on den zur Ver- 
tretung derselben Personengesamtheit Be- 
rechtigten darf auf Grund dieses Rechts immer 
nur einer Gemeindeverordneter sein (O. 
44, 120). 
b) Gewisse Personen sind von der Wähl- 
barkeit zu Gemeindeverordneten ausge- 
schlossen. Es sind dies (L#. f. d. ö. Pr. 
und für Schleswig-Holstein § 50, für West- 
falen § 30, für die Rheinprovinz 8 51, für 
Hessen = Aassau und für Hohenzollern § 24): 
1. diesenigen Beamten und die vom Staate 
ernannten Mitglieder derjenigen Behörden, 
durch welche die Aufsicht des Staates über 
die Gemeinden ausgeübt wird (hierzu gehören 
nicht die gewählten Mitglieder des Kr A. — 
OWE. 19, 132 — und auch nicht der Amt- 
mann und der Beigeordnete in Westfalen — 
OSe. 20, 73); 2. die besoldeten Beamten der 
Gemeinde (ogl. OV. 33, 189; in Westfalen 
die nicht zum Gemeindevorstande gehörigen 
Gemeindebeamten, in der Rheinprovinz die 
Gemeindebeamten mit Ausnahme der Bei- 
geordneten); 3. die richterlichen Beamten (zu 
denen jedoch die technischen Mitglieder der 
Handels-, Gewerbe= und ähnlicher Gerichte 
nicht gehören); 4. die Beamten der Staats- 
anwaltschaft und die Polizeibeamten (in den 
östlichen Provinzen und in Schleswig-Holstein 
  
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die Polizeiexekutivbeamten — vgl. O. 25, 
129; in Westfalen die Polizeibeamten mit Aus- 
nahme der Amtmänner); 5. Geistliche (vgl. OV. 
12, 140; 18, 121), Kirchendiener (ogl. O. 
15, 80; 17, 157; 20, 120; 36, 130) und Volks- 
schullehrer (Elementarlehrer; vgl. O. 17, 
157; 20, 120). — Vater und Sohn (in West- 
falen und der Rheinprovinz auch Brüder, in 
Hessen-Aassau und Hohenzollern auch Schwieger- 
vater und Schwiegersohn) dürfen nicht gleich- 
zeitig Gemeindeverordnete derselben Gemeinde 
sein. Sind solche Verwandte (oder Ver- 
schwägerte) zugleich gewählt, so wird nur der 
ältere zugelassen. Entsteht (in Hessen-Mxassau 
und Hohenzollern) die Schwägerschaft im Laufe 
der Wahlperiode, so scheidet der Schwieger- 
sohn aus. In der Aheinprovinz finden die 
erwähnten fünf Ausschließungsgründe auf die 
meistbegüterten Grundeigentümer, die vermöge 
der Größe ihres Grundbesitzes ohne Wahl 
Mçitglieder der Gemeindevertretung werden, 
keine Anwendung. Befinden sich unter ihnen 
Bater und Sohn oder Brüder, so kann nur 
einer von ihnen Mitglied werden. Beim 
Mangel einer gütlichen Einigung hierüber 
entscheidet das höhere Alter und bei gleichem 
Alter das Los. 
c) Die Wählbarkeit zum Gemeindeverord- 
neten unterliegt noch insofern einer weiteren 
Beschränkung, als eine gewisse Zahl der Ge- 
meindeverordneten aus den Angesessenen 
(in Westfalen aus den Wohnhausbesitzern, in 
der Rheinprovinz aus den Grundbesitzern) 
gewählt werden muß, und zwar in den sieben 
östlichen Provinzen und in Schleswig-Holstein 
(LGO. § 52), in Westfalen (LGO. 8 29), in 
Hessen = Massau und in Hohenzollern (LO. 
§ 23) mindestens zwei Drittel, in der R hein- 
provinz (GemO. 8 52), sofern nicht dort der 
Kr A. eine Ausnahme gestattet, mindestens die 
Hälfte der Gemeindeverordneten. Die Zahl 
der Gemeindeverordneten, die hiernach aus 
der Mitte der Aichtangesessenen gewählt wer- 
den können, wird in den sieben östlichen Pro- 
vinzen, Schleswig-Holstein, Hessen-Rassau und 
Hohenzollern auf die drei Abteilungen gleich- 
mäßig verteilt. Ist die Zahl nicht durch 3 
teilbar, so kann, wenn die Zahl 1 übrigbleibt, 
die zweite Abteilung aus der Zahl der Nicht- 
angesessenen einen Gemeindeverordneten mehr 
wählen als die beiden anderen; bleibt die 
Zahl 2 übrig, so kann die erste Abteilung 
den einen, die dritte Abteilung den anderen 
wählen. Sind in einer Abteilung mehr nicht 
ansässige Gemeindeverordnete gewählt, als 
hiernach zulässig ist, so gelten diejenigen, 
welche die geringste Stimmenzahl erhalten 
haben, als nicht gewählt. Bei gleicher Stim- 
menzahl entscheidet das Los. ei den zum 
Ersatz dieser ungültigen Wahlen anzuordnen- 
den Aeuwahlen sind nur die auf Angesessene 
entfallenden Stimmen gültig. In Westfalen 
erfolgt, wenn eine gleichmäßige Vertretung der 
Zahl der zu wählenden nicht ansässigen Ein- 
wohner auf die einzelnen Wahlabteilungen 
nicht möglich ist, die Ausgleichung durch das 
Los. Ist die Zahl der aus diesen Einwohnern 
Gewählten größer, so müssen diejenigen zurück- 
treten, welche die wenigsten Stimmen gehabt
	        
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