Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

652 
bis 83) werden der Gemeindevorsteher= die 
Schöffen und deren Stellvertreter, in Hessen- 
Aassau (LG0O. 8§ 46—54) und in Hohen- 
zollern (GemO. §§ 55—63) der Bürger- 
meister, der Beigeordnete, die Schöffen und 
deren Stellvertreter von der Gemeinde ge- 
wählt. In den sieben östlichen Provinzen 
erfolgen diese Wahlen in denjenigen Gemein- 
den, die keine Gemeindevertretung besitzen, 
durch die Gemeindeversammlung, in den anderen 
durch die Gemeindevertretung. In Hessen- 
Aassau werden der Bürgermeister und die 
Schöffen ebenfalls von der Gemeindeversamm- 
lung oder der Gemeindevertretung gewählt, in 
Gemeinden mit kollegialischem Gemeindevor- 
stande aber der Bürgermeister und der Bei- 
geordnete von dem Gemeinderate und der Ge- 
meindevertretung in gemeinschaftlicher Sitzung, 
in der mehr als die Hälfte der Wahlberech= 
tigten anwesend sein müssen (6 46). In Hohen- 
zollern endlich liegt die Wahl der Bürger- 
meister, der Beigeordneten und der Schöffen 
in Gemeinden mit mehr als 1000 Einw. den 
sämtlichen Stimmberechtigten ob, in den übrigen 
Gemeinden aber der Gemeindevertretung, und 
zwar, soweit ein Rollegialischer Gemeindevor- 
stand gebildet ist, unter dessen Zutritt. In 
letzterem Falle ist die gemeinschaftliche Ver- 
sammlung beschlußfähig, wenn mehr als die 
Hälfte der Wahlberechtigten anwesend ist (8 55). 
. Schleswig-Holstein kann in denjenigen 
emeinden, in denen die Anstellung besoldeter 
Gemeindebeamten vor Einführung der Ld. 
vom 4. Juli 1892 auf Grund der Wahl der Ge- 
meindeversammlung (Gemeindevertretung) er- 
folgt ist, dieses Verfahren durch Ortsstatut auch 
ferner beibehalten werden (LGO. 8 117). — Das 
Wahlverfahren ist in diesen Provinzen über- 
all das gleiche. Die Wähler (in den Gemeinden 
mit Gemeindevertretung die Mitglieder der letz- 
teren, in Hessen-êAaAssau und in Hohenzollern unter 
den obenerwähnten Umständen auch die Miit- 
glieder des Gemeinderats, in anderen Ge- 
meinden die in der Gemeindeversammlung 
Stimmberechtigten) werden zu der Wahl in 
derselben Weise eingeladen, wie es für die 
Wahl der Gemeindeverordneten (s. o.) vor- 
geschrieben ist. Der Wahlvorstand besteht 
aus dem Gemeindevorsteher (Bürgermeister) 
oder dessen Stellvertreter als Vorsitzenden 
und aus zwei von der Wahlversammlung zu 
wählenden Beisitzern. Der Vorsitzende ernennt 
einen der Beisitzer zum Protokollführer. Er- 
sorderlichenfalls kann auch eine nicht zur 
Wahlversammlung gehörige Person zum Proto- 
kollführer ernannt werden. Während der 
Wahlhandlung dürfen im Wahlraum weder 
Beratungen stattfinden, noch Ansprachen 
gehalten, noch Beschlüsse gefaßt werden. Aus- 
genommen hiervon sind Beratungen und Be- 
schlüsse des Wahlvorstandes, welche durch die 
Leitung des Wahlgeschäfts erforderlich werden. 
Jede Wahl erfolgt in einem besonderen Wahl- 
gange durch Stimmzettel (LGO. f. d. ö. 
Pr. und für Schleswig-Holstein §§ 76—79; 
für Hessen-Aassau 88 47—50; für Hohenzollern 
88 56—59). Hierdurch unterscheiden sich diese 
Wahlen wesentlich von den mündlichen Wahlen 
der Gemeindeverordneten. Die Verschiedenheit 
  
Gemeindewahlen in Landgemeinden. 
des Wahlkörpers bei der Wahl der Gemeinde- 
beamten hat zur Folge, daß bei der Wahl durch 
die Gemeindeversammlung (bzw. die in ihr 
Stimmberechtigten) das verstärkte Stimmrecht 
der Grundbesitzer und Gewerbetreibenden zur 
Geltung kommt, während bei der Wahl 
durch die Gemeindevertretung (bzw. den Ge- 
meinderat) jeder Wähler nur eine Stimme 
führt. Bei letzterer Wahl wird die Wähler- 
liste durch das Verzeichnis der Mitglieder 
der Gemeindevertretung (des Gemeinderats) 
gebildet, bei ersterer durch das Verzeichnis 
der in der Gemeindeversammlung Stimm- 
berechtigten. Das Dreiklassenwahlsystem, das 
für die Wahlen zur Gemeindevertretung 
nach dem G. vom 30. Juni 1900 gilt, kommt 
bei den Wahlen der Gemeindebeamten nicht 
in Betracht. Die Wahlhandlung vollzieht 
sich folgendermaßen. Die Wähler werden in 
der Reihenfolge, wie sie in der Wählerliste 
aufgeführt sind, ausgerufen. Die Aufgerufenen 
legen ihre Stimmzettel uneröffnet in die Wahl- 
urne. Die nach Eröffnung, jedoch vor dem 
Schlusse der Wahlhandlung erscheinenden 
Wähler Rhönnen noch an der Abstimmung teil- 
nehmen. Sind keine Stimmen mehr abzu- 
geben, so erklärt der Wahlvorstand die Wahl 
für geschlossen. Der Vorsitzende nimmt die 
Stimmzettel einzeln aus der Wahlurne und 
verliest die darauf verzeichneten Namen, die 
von einem durch den Vorsitzenden zu ernennen- 
den Beisitzer laut gezählt werden. Behufs 
Feststellung des Wahlergebnisses ent- 
scheidet über die Gültigkeit der Stimmzettel 
vorläufig der Wahlvorstand. Alle ungültigen 
Stimmzettel werden als nicht abgegeben be- 
trachtet. Ungültig sind diejenigen Stimm- 
zettel, 1, welche nicht von weißem Papier oder 
mit einem äußeren Kennzeichen versehen sind, 
2. welche Reinen oder keinen lesbaren Namen 
tragen, 3. aus welchen die Person des Ge- 
wählten nicht unzweifelhaft zu erkennen ist, 
4. auf welchen mehr als ein Name oder der 
AName einer nicht wählbaren Person verzeich— 
net ist, 5. welche einen Protest oder Vorbehalt 
enthalten. Die Stimmzettel sind dem Wahl- 
protokoll beizufügen und so lange aufzu- 
bewahren, bis über die gegen das Wahlver- 
fahren erhobenen Einsprüche rechtskräftig ent- 
schieden ist. Als gewählt ist derjenige zu 
betrachten, welcher bei der ersten Abstimmung 
mehr als die Hälfte der gültig abgegebenen 
Stimmen erhalten hat. Ergibt sich eine solche 
Stimmenmehrheit nicht, so hat sofort (anders 
als bei der Wahl zur Gemeindevertretung) 
eine engere Wahl stattzufinden. Diese er- 
folgt zwischen densenigen zwei Personen, die 
im ersten Wahlgange die meisten Stimmen 
erhalten haben, worüber bei Stimmengleich- 
heit das von der Hand des Vorsitzenden zu 
iehende Los entscheidet. Bei der engeren 
ahl (an der auch Wähler teilnehmen Rönnen, 
die im ersten Wahlgange nicht mitgestimmt 
haben; O. 3, 18) sind auch die Stimm- 
zettel ungültig, welche den Aamen einer nicht 
ur engeren Wahl stehenden Person enthalten. 
ls gewählt ist dersenige zu betrachten, der 
die meisten Stimmen erhalten hat. Bei 
Stimmengleichheit entscheidet auch hierbei das
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.