Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Gemeindewaisenrat. 
durch die Hand des Vorsitzenden zu ziehende 
Los. Die Wahlprotokolle sind zu unter- 
zeichnen. Der Vorsitzende hat die Gewählten 
von ihrer Wahl mit der Aufforderung in 
Kenntnis zu setzen, sich über die Annahme 
oder Ablehnung der Wahl innerhalb längstens 
einer Woche zu erklären. Von demzjenigen, 
der hierüber kheine Erklärung abgibt, wird 
angenommen, daß er die Wahl ablehne (L #. 
f. d. 5ö. Pr. und für Schleswig-Holstein §§ 80 
bis 83; für Hessen-Nassau 8§ 51—54; für Hohen- 
zollern §8§ 60—63). 
b) In Westfalen (LGO. 8 38) erfolgt die 
Wahl des Gemeindevorstehers und dessen 
Stellvertreters durch die Gemeindeversamm- 
lung (bzw. gemäß § 24 die Gemeindevertretung). 
Vorschriften über das Wahlverfahren sind hier 
in der LEO. nicht gegeben. Es müssen die 
für die Wahl der Gemeindeverordneten be- 
stehenden Vestimmungen. insbesondere auch 
die über die engere Wahl (s. o. U), außerdem 
aber auch die Vorschrift, wonach bei Stimmen- 
gleichheit in der Gemeindeversammlung der 
Vorsitzende den Ausschlag gibt (§ 31) analog 
angewendet werden. 
c) In der Rheinprovinz werden der Ge- 
meindevorsteher und sein Stellvertreter (Bei- 
stand) von dem Gemeinderate nach näherer 
Vorschrift des der dortigen Kr O. beigefügten 
Wahlreglements gewählt (G. vom 15. Wai 
1856 Art. 20). Die Vorschriften dieses Regle- 
ments stimmen fast wörtlich mit den für die 
Wahl in den östlichen Provinzen bestehenden 
(L. o. a) überein, nur Rkann die Zahl der Bei- 
sitzer zwei bis vier betragen. 
d) In der Prov. Hannover werden nicht 
nur die dort allein als „Gemeindebeamte“ be- 
zeichneten Gemeindevorsteher und Beigeord- 
neten (LGEO. 8§ 22), sondern auch die von 
der Gemeinde „Angestellten“ (Rechnungsführer, 
Forstverwalter u. dgl.; LGO. 8§ 23) und die 
„Gemeindediener“ (Boten, Feldhüter, Nacht- 
wächter; LG# 24) von der Gemeindever- 
sammlung gewählt. Bei den Wahlen der 
„Gemeindebeamten" (LEO. 8 46) ist eine 
Mehrheit erforderlich, welche die Hälfte der 
abgegebenen Stimmen überschreitet. Ergibt 
ich eine solche nicht, so ist die Wahl in der 
fcrt zu wiederholen, daß nur die bei der vor- 
hergehenden Abstimmung Benannten ferner 
wählbar bleiben, und von diesen derzjenige 
ausscheidet, auf welchen die geringste Stimmen- 
zahl gefallen ist. Sind deren mehrere, so be- 
stimmt das Los den Ausscheidenden. Ist auf 
diese Weise keine absolute Mehrheit zu er- 
reichen, so wählt der Landrat unter den beiden 
zuletzt Gewählten. Für die Wahlen der „Ge- 
meindediener“ und sonstigen „Angestellten“ 
gelten dieselben Vorschriften (GO. 47) wie 
für die Wahlen der Mitglieder des Gemeinde- 
ausschusses (s. o. 1). 
e) Die Gültigkeit der Wahlen von Ge- 
meindebeamten, die der Bestätigung durch 
die Aufsichtsbehörde bedürfen, ist nicht, wie 
die der Gemeindeverordneten, mittels Ein- 
spruchs und Klage im Verwaltungsstreitver- 
fahren anfechtbar. Vielmehr liegt die Prü- 
lung in dieser Hinsicht der Aufsichtsbehörde 
vor Erteilung der Bestätigung ob (O. 14, 
  
  
653 
184). — Uber die Wählbarkeit zu Gemeinde- 
ämtern und die Verpflichtung zur Annahme 
der Wahls. Gemeindelkommunalhämter, 
über die Bestätigung der Gewählten durch die 
Aufsichtsbehörde und die Erneuerung der Wahl 
bei Versagung der Bestätigung s. Bestätigung 
der Kommunalbeamten. 
Gemeindewaisenrat. 1. Das Institut stammt 
aus der preuß. Vormundschaftsordnung vom 
5. Juli 1875 (GS. 431). Auch andere deutsche 
Bundesstaaten hatten ähnliche Einrichtungen. 
Aach dem BE. (88 1849—1851; vgl. auch 
Vf., betr. die Ausgestaltung des Waisenrats- 
amts, vom 4. März 1901 — MBil. 102) ist der 
G., welcher Ausdruck die Behörde als solche 
bezeichnet, während deren Mitglieder in Preu- 
tgen Waisenräte heißen, dazu berufen, das 
Vormundschaftsgericht insoweit, als es sich 
um die persönlichen Verhältnisse des Mündels 
handelt, in beschränktem Maße auch bei dessen 
Vermögensangelegenheiten zu unterstützen. 
Seine Organisation regelt die Landesgesetz- 
gebung. Nach Art. 77 AG. z. B#GB. vom 
20. Sept. 1899 (GS. 177) sind für jede GEe- 
meinde oder für örtlich abzugrenzende Ge- 
meindeteile ein oder mehrere Gemeindeglieder 
als G. zu bestellen. Für benachbarte Ge— 
meindebezirke können dieselben Personen be- 
stellt werden. Das Amt eines Waisenrats ist 
ein unentgeltliches Gemeindeamt, das nach 
den Grundsätzen über solche Amter jeder 
Bürger, dem nicht besondere Ablehnungs- 
gründe zur Seite stehen, übernehmen und 
mindestens drei Jahre verwalten muß. Durch 
Beschluß der Gemeindebehörde können die 
dem G. obliegenden Verrichtungen besonderen 
Abteilungen oder schon bestehenden Organen 
der Gemeindeverwaltung — z. B. Armen= und 
Schuldeputationen — übertragen werden. Auf 
selbständige Gutsbezirke finden diese Vor- 
schriften mit der Maßgabe entsprechende An- 
wendung, daß der Waisenrat von dem Guts- 
vorsteher ernannt wird. Die weiteren Einzel- 
heiten der Bestellung und Organisation des 
G. sind zum Teil durch Verwaltungsvorschriften 
geregelt, hauptsächlich durch die Erl. vom 
3. Nov. und 9. Dez. 1875 (MBl. 269, 273) 
und vom 5. Febr. 1876 (MBl. 10), welche, da 
die Organisation der Behörde aus dem früheren 
Rechte unverändert in das jetzige übernommen 
worden ist, noch in Geltung sind. Danach 
können namentlich die Art der Bestellung, die 
Ablehnungsgründe, die Amtsdauer, die Ver- 
bindung mit bereits bestehenden Gemeindever- 
waltungsorganen für verwandte Gebiete, die 
Uberwachung und die Disziplinarverhältnisse 
durch Gemeindebeschluß oder Gemeindesatzung 
näher geregelt werden. Mangels einer solchen 
besonderen Regelung gelten die allgemeinen 
Grundsätze für Gemeindeämter. Regelmäßig 
erfolgt also die Bestellung in Stadtgemeinden 
durch den Magistrat, nachdem die Stadtver- 
ordneten darüber vernommen worden, in der 
Rheinprovinz durch den Bürgermeister, in 
Landgemeinden durch den Gemeindevorsteher 
nach Einholung des Beschlusses der Gemeinde- 
versammlung (Gemeindevertretung), in West- 
falen durch den Landrat nach Anhörung der 
Gemeindeversammlung, in selbständigen Guts-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.