Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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anderen anstechenden Krankheiten (s. XI AusfE. 
vom 7. Okt. 1905 — M M Bl. 389). 
Genossenschaften (eingetragene). Mlaßz- 
gebend ist das G., betr. die Erwerbs= und 
irtschaftsgenossenschaften vom 1. Mai 1889 
(Rl. 55)/20. Mai 1898 (Rl. 810); vgl. 
über seine allgemeine Bedeutung den Artikel 
Genossenschaften (Erwerbs= und Wirt- 
schafts-) lallgemeinl. 
I. Begriff und Arten der G. Nach § 1 
sind G. Gesellschaften von nicht geschlossener 
Mitgliederzahl, welche die Förderung des Er- 
werbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder 
mittelst gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes 
bezwecken. Die Nichtgeschlossenheit der Mit- 
gliederzahl in Verbindung mit dem Austritts- 
recht der Mitglieder, das nach 8 65 höchstens 
auf zwei Jahre statutarisch ausgeschlossen 
werden darf, gibt der G. den ausgesprochenen 
Charakter einer Personalgenossenschaft, 
im Gegensatz zur Realgenossenschaft (Wasser- 
genossenschaft, Landschaft usw.). Geschäfts- 
betriebe, die durch die Langsamkeit der Ab- 
wicklung notwendig eine längere Dauer des 
Unternehmens erfordern, eignen sich daher 
nicht für eingetragene Genossenschaften, und 
es ist ihnen deshalb in neuerer Zeit sowohl 
der Betrieb des Pfandbriefgeschäfts als des 
Versicherungsgeschäfts reichsgesetzlich untersagt 
(Hypothekenbankgesetz vom 13. Juli 1899 8 2; 
Reichsversicherungsgesetz vom 12. Mai 1901 
§ 6). Die G. können nach §2 dreierlei Art 
sein: G. mit unbeschränkter Haftpflicht, 
bei welchen die einzelnen Mitglieder (Genossen 
für die Verbindlichkeiten der G. sowohl dieser, 
wie unmittelbar den Gläubigern mit ihrem 
ganzen Vermögen haften; G. mit unbe- 
schränkter Aachschußpflicht, bei welchen 
die Genossen zwar mit ihrem ganzen Ver- 
mögen, aber nicht unmittelbar den Eläu- 
bigern der G. verhaftet, vielmehr nur ver- 
pflichtet sind, der G. die zur Befriedigung 
der Gläubiger erforderlichen Nachschüsse zu 
leisten; G. mit beschränkter Haftpflicht, 
bei welchen die Haftpflicht der Genossen so- 
wohl der G. wie den Gläubigern gegenüber im 
voraus auf eine bestimmte Summe beschränkt 
ist. Die Firma der G. muß nach § 3 ergeben, 
welcher dieser Arten die G. angehört. 
II. Entstehung und Rechtsverhältnisse 
der G. Die G. entsteht durch die Eintragung 
des Statuts und der Vorstandsmitglieder in 
das Genossenschaftsregister (s. d. — i 10, 13). 
Der Anmeldung behufs Eintragung ist eine 
Liste der Genossen beizufügen, welche beim 
Registergericht aufbewahrt und bezüglich ein- 
tretender Anderungen auf dem laufenden er- 
halten wird (§§ 11, 15, 69 ff., 76); die Einsicht 
der Liste ist jedem gestattet (S 12 Abs. 3). Die 
G. müssen einen aus mindestens zwei Per- 
sonen bestehenden Vorstand und einen Auf- 
sichtsrat haben, die Genossen sein müssen 
668 9, 24). Die G. sind nach § 17 pechtesähig 
und gelten als Kaufleute im Sinne des 50B., 
soweit das Gesetz keine abweichenden Vor- 
scriften enthält. Das Rechtsverhältnis der 
n und ihrer Mitglieder richtet sich im übrigen 
zunächst nach dem Statut, welches aber von 
den Vorschriften des Gesetzes nur insoweit ab- 
  
Genossenschaften (eingetrageneh). 
weichen darf, als das Gesetz dies ausdrüchklich 
gestattet (8 18). 
III. Geschäftsanteil und Haftsumme. 
Der durch das Statut zu bestimmende Ge- 
schäftsanteil ist der Betrag, bis zu welchem 
die einzelnen Genossen sich mit Einlagen be- 
teiligen können, die Einzahlungen auf den 
Geschäftsanteil, zu welchen jseder Genosse ver- 
pflichtet ist, sind ebenfalls im Statut zu be- 
stimmen (87). Bei G. mit unbeschränkter Haft- 
pflicht oder Dachschußpflicht darf jeder Genosse 
nur mit einem Geschäftsanteil beteiligt sein 
(§§ 119, 131). Aicht zu verwechseln mit dem 
Geschäftsanteil ist das Geschäftsguthaben (8§ 19, 
21, 66, 73). Die Haftsumme bei G. mit be- 
schränkter Haftpflicht muß mindestens ebenso hoch 
sein wie der Geschäftsanteil, und ist im Statut zu 
bestimmen (§ 131). Ein Genosse, der mit mehr 
als einem Geschäftsanteil beteiligt ist, haftet 
mit einem entsprechenden Vielfachen der Haft- 
summe (§ 135). Eine Herabsetzung der 
Geschäftsanteile, der darauf zu leistenden 
Einzahlungen oder der Haftsummen darf nur 
unter den Bestimmungen erfolgen, die für 
Verteilung des Gesellschaftsvermögens im 
Falle der Auflösung der G. gelten (§§ 22, 133). 
IV. Generalversammlung. Sie ist aus- 
schließlich zuständig für Abänderungen des 
Statuts (§ 10), Wahl des Aufsichtsrats (§ 36), 
für die endgültige Enthebung von Vorstands- 
mitgliedern aus ihrem Amte (8 40), für die Ge- 
nehmigung der Jahresbilanz und die Fest- 
setzung des danach auf die Genossen entfallenden 
Gewinn= oder Verlustbetrages (§ 48), ferner 
in den Fällen der §8 49, 104, 121, 126 des 
Gesetzes. Die Generalversammlung ist zu be- 
rufen, außer den im Statut oder Gesetz be- 
stimmten Fällen, wenn dies im Interesse der 
G. erforderlich erscheint, sie muß berufen 
werden, wenn ein Zehntel der Genossen oder 
der im Statut bestimmte geringere Teil der 
Genossen unter Angabe des Zweckes und der 
Gründe dies beantragt (8§ 44, 45). Beschlüsse 
der Generalversammlung Bhönnen wegen Ver- 
letzung der Gesetze oder des Statuts im Wege 
der Klage binnen eines Monats nach Maß= 
gabe der 88 51, 52 angefochten werden. 
V. Ausscheiden von Genossen, Auf- 
lösung und Nichtigkeit der G. Das Aus- 
scheiden des Genossen kann auf dessen Antrag 
erfolgen (§ 65), oder wenn die Zwangsvoll- 
strechung in sein Vermögen fruchtlos ge- 
blieben, auf Grund einer durch den Gläubiger 
erfolgenden Ausübung des Kündigungsrechts 
(§ 66) oder im Wege des Ausschlusses seitens 
der G. (8 68) oder im Wege der Ubertragung 
des Geschäftsguthabens an einen anderen, 
der zugleich der G. beitritt 76). Der aus- 
geschiedene Genosse haftet für eine gewisse 
Zeit auch nach seinem Ausscheiden im Falle 
des Konkurses für die Verbindlichkeiten der 
G. (68 75, 76 Abs. 4, 125, 128). Die Auf- 
lösung der G. kann von der General- 
versammlung beschlossen werden, jedoch nur 
mit einer Mehrheit von mindestens drei Viertel 
der Erschienenen (§ 78). Sie erfolgt ferner 
durch das Gericht, wenn die Mitgliederzahl 
unter die zur Begründung der G. erforder- 
liche Zahl von sieben gesunken ist (88 80, 4).
	        
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