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auch wenn sie in Angelegenheiten von preuß.
Staatsangehörigen tätig werden, nicht als
Gerichtsbarkeit Preußens, sondern des Deut-
schen Reiches (s. Konsulargerichtsbarkeit
und Schutzgebiete).
III. Die Gerichtsbarkeit, welche die beson-
deren Gerichte auszuüben berufen sind,
würde an sich den ordentlichen Gerichten zu-
stehen, ist aber an deren Stelle durch beson-
dere Vorschriften anderen Behörden übertragen,
die zwar ebenfalls die Eigenschaft von Ge-
richten haben und sich dadurch von den zur
Verhängung von Strafen befugten Verwal-
tungsbehörden unterscheiden ((. Verwal-
tungsstrafverfahren), aber eine von der
der ordentlichen Gerichte abweichende Organi-=
sation besitzen. In bürgerlichen Rechtsstreitig-
keiten und Strafsachen darf die Gerichtsbar-
keit von besonderen Gerichten nur insoweit
ausgeübt werden, als sie reichsgesetzlich be-
stellt oder zugelassen sind (SVG. 88§ 13, 14).
Diese Gerichtsbarkeit kann jedoch, soweit be-
sondere Gerichte dafür zugelassen sind, durch
die Landesgesetzgebung auch den ordentlichen
Landesgerichten übertragen werden. Es darf
dann die Ubertragung nach anderen als den
durch das GVE. vorgeschriebenen Zuständig-
keitsnormen erfolgen, und es Rkann die Landes-
gesetzgebung ein von den deutschen Prozeß-
ordnungen abweichendes Verfahren gestatten,
auch kann die Gerichtsbarkeit letzter Instanz
durch kais. Verordnung dem Reichsgericht über-
tragen werden (EG. z. GVG. 8§ 3 Abs. 1, 2;
8 5 3PO. § 3 Abs. 2; Eö. z. St PO. 8 3
IV. Besondere Gerichte in Preußen
sind A. für Angelegenheiten der streitigen Ge-
richtsbarkeit: 1. die Austräge, 2. der Geheime
Justizrat, 3. die Militärgerichte, 4. die Rhein-
schiffahrtsgerichte, 5. die Elbzollgerichte, 6. die
Auseinandersetzungsbehörden (Generalkommis-=
sionen), 7. die Gewerbegerichte und die Kauf-
mannzsgerichte — hiervon sind die Miilitär-
gerichte aber in beschränktem Umfange auch
für die freiwillige Gerichtsbarkeit zuständig —;
,B. für Angelegenheiten der freiwilligen Gerichts-
barkeit: 1. das Ministerium des Kgl. Hauses, in-
dem dieses den ordentlichen Gerichtsstand für
die Mitglieder der Kgl. Familie und des Fürst-
lichen Hauses Hohenzollern in allen nicht-
streitigen Rechtssachen bildet, namentlich in
betreff der Testamentserrichtungen, Nachlaß=
regulierungen, Familienschlüsse, Ehe= und Vor-
mundschaftssachen, der einer gerichtlichen Fidei-
kommißbehörde zustehenden Funktionen und
sonstiger Angelegenheiten der freiwilligen Ge-
richtsbarkeit (G. vom 26. April 1851 — GS.
181 — Art. IUI; AE. vom 14. Aug. 1852 —
G#S. 771; EG. z. B#. Art. 57; Fö. § 189;
PrFG#. Art. 136); 2. die Dorfgerichte; 3. die
Ortsgerichte (s. die betr. Artikel). Für diese
Angelegenheiten kommt ferner noch die N.
ständigheit in Betracht, welche folgende Be-
hörden und Beamten haben: a) der Vorsteher
einer Gemeinde oder eines selbständigen Guts-
bezirkes und die an deren Stelle oder neben
ihnen bestellte andere Person zur Testaments-
errichtung (BeB. §§ 2249 — den Gemeinden
gleichgestellte Verbände im Sinne dieser Vor-
Gerichte und Gerichtsverfassung.
schrift gibt es in Preußen nicht —, 2250; Ae.
z. BGB. vom 20. Sept. 1899 — GS. 177;
Anw., betr. die Errichtung von Testamenten
vor dem Gemeinde= oder Gutsvorsteher, vom
23. Juni 1900 — Jl Bl. Beil. zu Ar. 32;
Vf. vom 10. Nov. 1902 — M Bl. 222); s. Testa-
mente lII; d) die zum Richteramte befähigten
Beamten einer öffentlichen landschaftlichen
(ritterschaftlichen) Kreditanstalt sowie einer
provinzial-(kommunal-ständischen öffentlichen
Grundkreditanstalt, welchen durch die Satzung
der Anstalt mit landesherrlicher Genehmigung
oder, wenn die Verfassung der Anstalt un-
mittelbar auf Gesetz beruht, durch kal. Ver-
ordnung die Befugnis übertragen worden ist,
innerhalb der GErenzen ihrer Amtsbefugnisse
Urkunden aufzunehmen, aus denen die ge-
richtliche Zwangsvollstrechung stattfindet (C.
vom 3. Aug. 1897 — GS. 388 — § 1 Abs. 1
Ziff. 2 u. Abs. 2; G. vom 16. April 1902 —
GS. 81 — § 3); c) in dem Falle, daß bei
einem Vertrag über die Ubertragung des
Eigentums an einem in Preußen liegenden
Grundstücke einer der Beteiligten durch eine
öffentliche Behörde (s. d.) vertreten wird, der-
senige Beamte, welcher von dem Vorstande
der zur Vertretung berufenen Behörde oder
von der vorgesetzten Behörde bestimmt ist (der
sog. besondere Urkundsbeamte), zur Beur-
kundung des Vertrags außer den Gerichten
und Aotaren (AG. z. BEB. Art. 12 8 2,
Art. 27 Abs. 1); ch der Universitätsrichter
zur Aufnahme von Verhandlungen über An-
erkenntnisse gestundeter Honorare mit der
Glaubwürdigkeit öffentlicher Urkunden (G.
vom 29. Mai 1879 — GS. 389 — § 1 Abs. 3;
Pr G6. Art. 32); e) im Geltungsbereiche des
G., betr. das Anerbenrecht bei Renten= und
Ansiedelungsgütern, vom 8. Juni 1896 (GS.
124) der Amts= und Gemeinde-(Guts-vorsteher,
im Reg.-Bez. Kassel mit Ausschluß des Kreises
Rinteln die Ortsvorstände, zur Beglaubigung
gewisser auf die Vererbung von Anerben-
(Land-)gütern bezüglicher Privaturkunden (G.
vom 8. Juni 1896 § 32; Landgüterordnung für
den Reg.-Bez. Kassel vom 1. Juli 1887 —
GS. 315 — 8 28; Pr ?. Art. 119 Abs. 2,
123 Abs. 2 Satz 4); f) in dem vormals Land-
gräflich hess. Amtsbezirte Homburg, den Ge-
bieten des vormaligen Herzogtums Nassau und
der vormals freien Stadt Frankfurt, den vor-
mals Großh. hess. Gebietsteilen und in dem
Bezirke des vormaligen Justizsenats zu Ehren-
breitstein die bisherigen Ortsbehörden (Feld-
gerichte, Ortsgerichte, Schultheißen, Schöffen
usw.) zur Aufnahme von Taxen in dem bis-
herigen Umfange (PrF. Art. 119 Absf. 2,
123 Abs. 2 Satz 4); 9) in Schleswig-Holstein
der Gemeindevorsteher (Bürgermeister, Dorf-
schafts-, Bauerschafts-, Gutsvorsteher) zur
Sicherung eines ANachlasses, insbesondere zur
Anlegung von Siegeln, zur Verwahrung von
Geld, Wertpapieren und Kostbarkeiten und
zur Aufnahme eines Nachlaßverzeichnisses
(Pr FG. Art. 118); h) in Ostfriesland und
Harlingerland sowie im Reg.-Bez. Osnabrück
die beeidigten Auktionatoren zur Vornahme
und Beurkundung freiwilliger öffentlicher Ver-
steigerungen (Pr?#. Art. 125; V. vom 13.Dez.