Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

702 
hiervon auf Zeit zu entbinden, beschränkt 
worden. Für die Redaktion der GS. besteht 
unter dieser Bezeichnung eine besondere Be- 
hörde und für den Debit der GS. das mit dem 
ais. Postzeitungsamte zu Berlin verbundene 
Gesetzsammlungsamt. Letzteres untersteht dem 
Ministerpräsidenten, erstere dem St M. (s. im 
übrigen Veröffentlichung der Gesetze). 
Gesinde. I. Der Begriff des G. oder der 
Dienstboten ist reichsrechtlich nicht geordnet. 
Vielmehr hat, sofern nicht mittelbar reichs- 
rechtliche Vorschriften entgegenstehen, wie es 
bei einer Behandlung der Handlungs= und 
Gewerbegehilfen als G. der Fall sein würde 
([. Gesindeordnungen), oder die Grenzen 
überschritten werden würden, welche nach 
dem allgemeinen Sprachgebrauche für den Be- 
griff des G. zur Zeit des Inkrafttretens 
des B?GB. maßgebend waren, die Landes- 
gesetzgebung freien Spielraum, den Begriff 
selbst festzustellen und ferner zu bestimmen, 
was für das G. überhaupt oder für einzelne 
Arten desselben gelten soll. Bei der Mannig- 
faltigkeit der in Preußen geltenden Gesinde- 
ordnungen ist auch innerhalb Preußens der 
Begriff des G. kein einheitlicher, sondern nach 
jeder einzelnen Gesindeordnung besonders fest- 
zustellen. Die Unterschiede sind indessen nicht 
sehr erheblich. Im allgemeinen ist zum G. 
zu rechnen, wer in die häusliche Gemeinschaft 
ausgenommen ist und untergeordnete, un- 
gemessene, d. h. der näheren Bestimmung des 
Berechtigten unterliegende, Dienste von häus- 
licher Art auf bestimmte Zeit, d. i. nicht bloß 
zur Aushilfe, gegen Vergütung in Geld oder 
Naturalien leistet. Das Vorhandensein eines 
Dienstbuchs (s. Gesindedienstbücher) be- 
gründet noch nicht die Eigenschaft als G. 
Als Verschiedenheiten seien hervorgehoben, daß 
durch ausdrückliche Vorschrift der Dienstboten- 
ordnung für Harlingerland und Ostfriesland vom 
10. Juli 1859 die Ammen von der Zugehörig- 
keit zum G. ausgenommen sind, und daß die 
Gesindeordnung vom 8. Nov. 1810 den häus- 
lichen Diensten ganz allgemein die land= und 
forstwirtschaftlichen Dienste gleichstellt, danach 
also z. B. Knechte, Mägde, Hirten, Schäfer, Jäger 
und Gärtner auf ländlichen Grundstücken zum 
G. gehören, nicht aber Portiers eines Aiiet- 
hauses oder einer Fabrik, ferner nicht Tage- 
löhner, selbst wenn sie zu solchen Dienstlei- 
stungen angenommen sind, welche gewöhnlich 
von Knechten oder Mägden verrichtet werden. 
Auch die Instleute in den Provinzen Ost= und 
Westpreußen, denen ein Gutsbesitzer Wohnung 
und Land gegen die Verpflichtung, sich den für 
das Gut geforderten Tagelöhnerdiensten gegen 
Vergütung zu unterziehen, gewährt, sind nicht 
als G. zu betrachten. Dasselbe gilt von den 
sog. Dienstfamilien, Dienstgärtnern, Dresch- 
gärtnern und Arbeitsgärtnern in der Mark, 
Pommern und Schlesien, und von den sog. 
Sachsengängern. Die Streitigkeiten der Inst- 
leute in den Prov. Ost= und Westpreußen 
mit der Gutsherrschaft über An= und Abzug 
und über Erfüllung der vertragsmäßigen Ver- 
bindlichkeiten während des Dienstverhältnisses 
sind aber, bevor deswegen bei den Zivil- 
gerichten geklagt werden kann, nach der noch 
  
Gesinde. 
geltenden (GVG#. 8§ 13) besonderen Vorschrift 
der AKabO. vom 8. Aug. 1837 — v. Kamptz 
21, 710) der Vermittlung und vorläufigen 
Regelung der Polizeibehörde in derselben 
Weise unterstellt, wie es für das G. vor- 
geschrieben ist (ogl. OVG. 42, 395; 43, 428; 
46, 410). Stromschiffsknechte (Bootsleute) 
wurden früher nach der AKabO. vom 23. Sept. 
1835 (GS. 222) und Art. 61 Ziff. 1 Pr E. z. 
HGB. vom 24. Juni 1861 (GS. 449) in jeder 
Beziehung als G. behandelt. Jetzt untersteht 
die Schiffsmannschaft der GewO. (G. vom 
15. Juni 1895/20. Mai 1898, betr. die privat- 
rechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt 
— BRN69. 1895, 301; 1898, 868 — Art. 21). Die 
Gesindeordnung vom 8. Aov. 1810 spricht vom 
gemeinen G. im Gegensatze zu den Hausoffi- 
zianten und scheidet ferner städtisches und Land- 
gesinde (s. Dienstzeit des Gesindeg). 
II. Die Frage, wer sich als G. vermieten 
Raonmn, ist jetzt allgemein nach den §§ 104—115, 
131, 1358 Be. zu beantworten (EGB. 
Art. 95 Abs. 2; vgl. hierzu OV#. 43, 424). 
Daneben gilt noch fort die von den Be- 
stimmungen der Vll. und des G. vom 3. Juli 
1869 (GS. 292) über die Gleichberechtigung der 
Konfessionen nicht berührte (OTr. 82, 299) 
öffentlichrechtliche Vorschrift des § 71 des G. 
vom 23. Juli 1847 (GS. 278), wonach aus- 
ländische Juden nicht ohne Genehmigung des 
Ad J. als Dienstboten angenommen werden 
dürfen (ogl. hierzu Erl. vom 11. Juni 1861 
— A. 132). 
III. Dem Krankenversicherungszwang 
unterliegen die Dienstboten nicht, dürfen ihm 
auch nicht statutarisch unterworfen werden. 
Sie sind aber berechtigt, der Gemeindekranken-= 
versicherung der Gemeinde, in deren Bezirke 
sie beschäftigt sind, freiwillig beizutreten (KB.G. 
§§ 2, 4). Jedoch findet nach herrschender An- 
sicht das & VG. auf solche Dienstboten An- 
wendung, welche neben den eigentlichen Dienst- 
boten arbeiten in einem versicherungspflichtigen 
Betriebe, insbesondere Handelsgewerbe, Gast- 
und Schanbwirtschaft, nicht aber in Forst= und 
Landwirtschaft, dauernd und in nicht ganz uner- 
heblichem Umfange für die Herrschaft Dienste 
leisten (s. Versicherungspflicht 0. Wegen 
der Unfall= und der Invalidenversiche- 
rung s. Versicherungspflicht II, III und 
wegen der Geltung des § 617 BEB. für 
Dienstboten s. Gesindeordnungen. 
IV. In manchen Orten bestehen Be- 
lohnungs= und Unterstützungsfonds 
für das G., die von den Gemeindebehörden 
verwaltet werden. Wegen Verleihung des 
goldenen Kreuzes (s. d.). Wer dem Haus- 
stande eines Verstorbenen angehört und darin. 
in einem Dienstverhältnisse gestanden hat, 
zahlt an Erbschaftssteuer für Pensionen, Ren- 
ten oder andere auf die Lebenszeit beschränkte 
Autzungen, die ihm mit Rüchsicht auf dem 
Erblasser geleistete Dienste zugewendet wor- 
den sind, nur 1% und ist überhaupt stempel- 
frei, wenn der Anfall den Betrag von 900 M. 
nicht übersteigt (Erb StE. Tarif A und Befr. 
Ziff. 20. 
V. GE., welches hartnächigen Ungehorsam 
oder Widerspenstigkeit gegen die Befehle
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.