Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Gewerbebetrieb im Umherziehen. 
sionen) regelmäßig wiederkehrende Ab- 
gaben erhoben. Durch das Edikt über die 
Einführung einer allgemeinen Gewerbesteuer 
vom 2. Nov. 1810 (GS. 79) wurden alle Ab- 
gaben von dem Gewerbe, insofern sie die Be- 
rechtigung zum Betriebe des Gewerbes be- 
treffen, aufgehoben. Hinsichtlich der Frage, 
ob eine auf einem Grundstücke haftende Ab- 
gabe eine grundherrliche Abgabe sei oder für 
den Betrieb des Gewerbes entrichtet werden 
mußte, wurde durch die Deklaration vom 
19. Febr. 1832 (GS. 64) bestimmt, daß als 
Grundabgaben alle Abgaben anzusehen seien, 
welche auf einem Grundstücke haften und von 
jedem Besitzer ohne Rüchksicht darauf, ob er das 
bestimmte Gewerbe betreibe oder nicht, entrichtet 
werden müssen und daß die Vermutung für die 
VNatur der Grundabgabe spreche. In den im Jahre 
1815 neu= oder wiedergewonnenen Landesteilen 
wurden, soweit nicht die Berechtigung zur Ab- 
gabenerhebung durch die fremdherrliche Ge- 
setzgebung aufgehoben war (Königr. Westfalen, 
Großherzogt. Berg), alle Gewerbesteuern durch 
G. über die Einrichtung des Abgabenwesens 
vom 30. Mai 1820 (GS. 137) aufgehoben. Für 
das Großherzogt. Posen erfolgte die Aufhebung 
aller gewerblichen Abgaben durch G. vom 
13. Mai 1833 (GS. 55). Die GewO. vom 
17. Jan. 1845 § 3 (GS. 41) bestimmte fortan, 
daß außer der Gewerbesteuer alle Abgaben 
für den Betrieb eines Gewerbes, und die Be- 
rechtigungen, solche Abgaben aufzuerlegen, 
aufgehoben sein sollten. Für die Entschädigung 
war das Entschädigungsgesetz vom 17. Jan. 
1845 88 25 ff. (GS. 79) maßgebend. In den 
im Jahre 1866 neuerworbenen Landesteilen 
erfolgte die Aufhebung dieser Abgabe und 
der Berechtigung zur Auferlegung derselben 
durch G. vom 17. März 1868 § 4 (GS. 249) 
und die Entschädigung nach § 28 a. a. O. 
Auch die GewO. vom 21. Juni 1869 § 7 Abs. 1 
Ziff. 6 (BE. 245) bestimmt, daß alle Ab- 
gaben für den Betrieb eines Gewerbes sowie 
die Berechtigungen, solche Abgaben aufzuer- 
legen, vorbehaltlich der an den Staat und die 
Gemeinden zu entrichtenden Gewerbesteuer 
aufgehoben sein sollten und daß die Gewäh- 
rung einer Entschädigung der Landezgesetz- 
gebung vorbehalten bleiben solle. Zu den 
hiernach aufgehobenen Abgaben gehören nur 
solche, bei welchen zwischen der Befugnis zum 
Betriebe des Gewerbes und der Verpflichtung 
zur Entrichtung der Abgabe eine Wechselbe- 
ziehung stattfindet, so daß jene Befugnis nur 
unter der Verpflichtung zur Leistung der Ab- 
gabe besteht und diese Verpflichtung den Preis 
für die Befugnis zum Gewerbebetrieb bildet 
(Ro# Z. 6, 90; 49, 66). Abgaben für öffent- 
liche Lustbarkeiten sind keine Abgaben für 
den Betricb eines Gewerbes (Erl. vom 
30. Nov. 1876 — AUlhl. 1877, 14). Uber die 
Entschädigung beschließt der BezA., gegen 
dessen Entscheidung unter Ausschluß aller 
Bechtsmittel nur die Berufung an das O##. 
zulässig ist (3G. 8 133). Uber die Frage, ob 
die Abgabe oder das Recht zur Auferlegung 
der Abgabe aufgehoben ist, wird im ordent- 
lichen Rechtsweg entschieden (Gew. 89 Abs. 1). 
Sofern jedoch streitig ist, ob die eine auf dem 
  
713 
Grundstüche haftende Abgabe eine Grundab- 
gabe ist oder für den Betrieb des Gewerbes 
entrichtet werden muß, entscheidet bei Mühlen- 
abgaben gemäß G. vom 11. März 1850 8 3 
(GS. 146) und bei allen Abgaben in den im 
Jahre 1866 neuerworbenen Landesteilen ge— 
mäß G. vom 17. März 1868 § 50 (GS. 149) end- 
gültig das Oberlandeskulturgericht (G., betr. 
das Verfahren in Auseinandersetzungsange- 
legenheiten — GS. 1899, 403 — 8 2). 
Gewerbebetrieb im Umherziehen (Gew. 
Tit. IID. I. Begriff. Der G. i. U. ist das 
gewerbsmäßige: 1. Ankaufen von Waren zum 
Wiederverkauf bei anderen Personen als bei 
Kaufleuten oder in offenen Verkaufsstellen (s. d.), 
2. Feilbieten von Waren (s. Feilbieten, Feil- 
halten), 3. Aufsuchen von Warenbestellungen 
(s. d.), 4. Anbieten gewerblicher Leistungen (s. d.), 
5. Darbieten von Luftbarkeiten (Musikauffüh- 
rungen, Schaustellungen, theatralische Vorstel- 
lungen usw.) ohne höheres Runstinteresse (s. d.) 
außerhalb des Gemeindebezirks, des Wohnorts 
oder der gewerblichen Niederlassung (s. d.) ohne 
vorgängige Bestellung (s. d.) Nicht als G.i. U. 
wird das Aufsuchen von Warenbestellungen 
und Aufkaufen von Waren durch Handlungs- 
reisende (s. d.) angesehen. Ferner gelten die 
Vorschriften über den G. 1. U. nur für solche 
Gewerbetreibende, die unter die GewO. fallen. 
Da nach GewO. 8§ 6 die GewpO. auf das 
Unterrichtswesen keine Anwendung findet, so 
bedürfen Tanzlehrer, die im Umherziehen 
Tanzunterricht erteilen, keines Wandergewerbe- 
scheins (Erl. vom 10. Dez. 1880 — MBhl. 1881, 
24). Das gleiche gilt für Arzte und Tierärzte 
(OTr. vom 19. Okt. 1864 — UM.Bl. 1865, 28). 
Ein G. i. U. liegt auch vor, wenn der Feil- 
bietende in uneigennütziger Weise für Rech- 
nung einer anderen physischen oder juristischen 
Person die betreffenden Geschäfte vornimmt, 
damit diese andere Person einen dauernden 
Gewinn zieht (AGJ. 22 C 29). Das Ankaufen 
von Waren für den eigenen Haushalt und 
für den eigenen Gewerbebetrieb ohne die Ab- 
sicht, sie wieder zu verkaufen, ist kein G. i. U. 
Das gleiche gilt von dem Umherziehen von 
Markt zu Markt, soweit es sich nicht um das 
Darbieten von Lustbarkeiten ohne höheres 
Kunstinteresse handelt (Gew O. 8 55 Abs. 2). 
II. Allgemeine Beschränkungen. An 
Sonn- und Festtagen (s. d.) ist der G. i. 1., 
soweit es sich nicht um die Darbietung von 
Lustbarkeiten ohne höheres Kunstinteresse han- 
delt, verboten. Die unteren Verwaltungsbe- 
hörden (s. d.) können folgende Ausnahmen zu- 
lassen: 1. Das Feilbieten von Eßwaren, inso- 
weit es bisher schon ortsüblich war, bis zum 
Beginne der wegen des Hauptgottesdienstes 
für die Beschäftigung im Handelsgewerbe fest- 
gesetzten Unterbrechung. 2. Das Feilbieten 
von Milch während der für den stehenden Milch- 
handel freigegebenen Zeit. 3. Das Feilbieten 
von Eßwaren, Blumen, geringwertigen Ge- 
brauchsgegenständen, Erinnerungszeichen und 
ähnlichen Gegenständen bei öffentlichen Festen, 
Truppenzusammenziehungen oder sonstigen 
außergewöhnlichen Gelegenheiten, sowie für 
Heiche Ortschaften, in welchen an Sonn= und 
esttagen regelmäßig durch Fremdenbesuch ein
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.