Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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unter denen der Wandergewerbeschein in der 
Regel zu verfagen ist oder versagt werden darf. 
Die Zurücknahme der Erlaubnis kann aus den 
Gründen erfolgen, aus denen der Wanderge- 
werbeschein zurüchgenommen werden kann; zu- 
ständig 9 auf Klage der Ortspolizeibehörde der 
Bez A. (V. vom 31. Dez. 1883 — GCS. 1884, 7). 
Die Erlaubnis zur Hführung von Kindern 
unter 14 Jahren (GewO. 8 62 Abs. 3—5) ist, 
sofern es sich nicht um die eigenen Kinder oder 
Enkel handelt, nur in besonders dringenden 
Ausnahmefällen zu erteilen. 
VI. Ausländer haben Reinen Anspruch 
auf Zulassung zum G. i. U. Das gilt auch 
für die Angehörigen der Staaten, mit denen 
Handelsverträge abgeschlossen sind. Der B. 
hat aber auf Grund der GewO. 8§ 56d den 
Ausländern den Gewerbebetrieb gestattet 
(R## Bek. vom 27. NAov. 1896, II — REnl. 745). 
Der Wandergewerbeschein darf außer den für 
Inländer maßgebenden Gründen an Aus- 
länder nicht erteilt werden, 1. wenn ein Bedürf- 
nis zur Ausübung des betreffenden Gewerbes 
im Regierungsbezirke (LW. Berlin) nicht be- 
steht oder der Bedarf schon anderweit, ins- 
besondere durch Erteilung einer entsprechenden 
Anzahl von Wandergewerbescheinen an In- 
länder, gedecht ist, 2. wenn der Antragsteller 
Zigeuner (s. d.) ist, 3. wenn der Antragsteller 
das 25. Lebensjahr noch nicht überschritten hat 
und nicht bereits für das abgelaufene Jahr 
einen Wandergewerbeschein für das gleiche Ge- 
werbe erhalten hat, 4. wenn die Persönlichkeit 
des Antragsstellers zu erheblichen polizeilichen 
Bedenken Anlaß gibt. Zum Gewerbe der 
Topfbinder, Kesselflicher, Drehorgelspieler, 
Dudelsackpfeifer, der Händler mit Blech= und 
Drahtwaren und ähnlichen Gegenständen 
dürfen außerdem nur solche Ausländer zu- 
gelassen werden, welche nachweislich in dem 
vorangegangenen Kalenderjahr einen Wander- 
gewerbeschein für das gleiche Gewerbe er- 
halten haben. Uber Anträge von Ausländern 
auf Erteilung von Wandergewerbescheinen 
oder auf Genehmigung des Druuckschriften- 
verzeichnisses, auf Erteilung der Erlaubnis 
um Mitführen von Personen befindet der 
Regierungspräsident (im LP. der Polizei- 
präsident), gegen deren versagenden Bescheid 
nur die Beschwerde an den Oberpräsidenten 
zulässig ist. Der Gewerbebetrieb der Aus- 
länder unterliegt denselben Beschränkungen 
wie dersenige der Inländer ((. II, IID. er 
Wandergewerbeschein berechtigt den Inhaber, 
nach Entrichtung der Landessteuern sein Ge— 
werbe im Umherziehen nur in dem Bezirke 
desjenigen BezA. zu betreiben, welcher den 
Wandergewerbeschein erteilt hat. Die vom 
Polizeiprästdenten in Berlin ausgestellten 
Scheine berechtigen nur zum Gewerbebetrieb 
im LPB. Berlin. Zu dem Gewerbebetrieb 
in einem anderen Bezirk ist die Ausdehnung 
des Wandergewerbescheines durch die zustän— 
dige Behörde dieses Bezirkes erforderlich. Die 
Ausdehnung, wird versagt, wenn ein Bedürf— 
nis zur Ausübung des betreffenden Gewerbes 
in dem Bezirke der Behörde nicht besteht, 
oder sobald für die den Verhältnissen des Be- 
zirkes entsprechende Anzahl von Personen 
  
Gewerbeentziehung — Gewerbeförderung. 
Wandergewerbescheine bereits erteilt oder auf 
den betreffenden Bezirk ausgedehnt sind. Die 
Ausdehnung kann vom BezA. (im LPB. vom 
Polizeipräsidenten) zurückgenommen werden, 
wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter 
denen der Wandergewerbeschein des Inländers 
zurückgenommen werden kann und wenn sich 
gegen die Persönlichkeit des Gewerbetreibenden 
nachträglich erhebliche polizeiliche Bedenken er- 
geben. Auch hier ist nur die Beschwerde an 
den Oberpräsidenten zugelassen. Sowohl die 
Ausstellung als auch die Ausdehnung des 
Wandergewerbescheins kann für eine kürzere 
Dauer als das KZRalenderjahr oder für be- 
stimmte Tage während des Kalenderjahres 
erfolgen. Für die Ausübung des Gewerbe- 
betriebes und die Mitführung von Begleitern 
gelten dieselben Vorschriften wie für Inländer 
(s. unter V) mit der MAlaßgabe, daß hin- 
sichtlich der Anforderungen an die Person der 
Begleiter dieselben schärferen Bedingungen 
gelten, welche für die gewerbetreibenden Aus- 
länder gefordert werden. Die Erlaubnis zur 
Mitführung von Personen anderen Geschlechts 
mit Ausnahme der Ehegatten und der über 
21 Jahre alten eigenen Kinder und Enkel kann 
aus jedem beliebigen Grunde versagt werden. 
VII. Strafbestimmungen in Gewd. 
§ 146 Abs. 1 Ziff. 4, § 146 à, § 148 Abf. 1 
Ziff. 5—7e. 
ewerbeentziehung s. Entziehung ge- 
werblicher Genehmigungen und Steuer- 
vergehen IV. 
Gewerbeförderung. Unter G. werden die- 
jenigen Maßnahmen verstanden, welche auf 
die gründliche technische Ausbildung und die 
wirtschaftliche Hebung des Kleingewerbes, ins- 
besondere des Handwerks, abzielen. Träger 
dieser Bestrebungen ist in der Regel der Staat. 
In Preußen ist hierfür eine besondere Zentral- 
stelle, das Landesgewerbeamt (s. d.), eingesetzt. 
A-eben der Pflege des gewerblichen Unterrichts 
(s. Fortbildungs= und Fachschulen) kom- 
men als solche Maßnahmen insbesondere in 
Betracht: die Einrichtung von Lehrwerk- 
stätten zur technischen Ausbildung der Lehr- 
linge in der Wertkstattlehre; die Einrichtung 
von Lehrlingswerkstätten, d. h. die Unter- 
bringung von Lehrlingen bei besonders tüchtigen 
Handwerkern zur planmäßigen Ausbildung 
unter Gewährung von Staatsprämien; Aus- 
stellungen von Lehrlingsarbeiten; die Aus- 
kunftserteilungen in technischen Angelegen- 
heiten; die Herausgabe technischer zeltschechten 
und die Schaffung geeigneter Bibliotheken; 
die unentgeltliche Stellenvermittlung für Lehr- 
linge; die Einrichtung von ständigen Aus- 
stellungen (Gewerbemuseen) und von Wander- 
ausstellungen zur Vorführung vollkommener 
technischer Hilfsmittel auch in Verbindung 
mit Vorträgen; die Veranstaltung von Meister- 
kursen zur Ergänzung und Vertiefung der 
technischen Fähigheiten und wirtschaftlichen 
Kenntnisse der älteren Gesellen und der 
Meister; die Einrichtung gemeinsamer Ver- 
kaufshallen; die Förderung des Kredits; die 
Pflege des Genossenschaftswesens (s. Geno len - 
schaften [Erwerbs= und Wirtschafts-] V), 
insbesondere auch durch Uberlassung von Ma-
	        
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