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freie Zulassung zum Gewerbebetriebe, soweit
sie nicht selbst oder andere Reichsgesetze Be-
schränkungen enthalten, oder soweit nicht die
Landesgesetzgebung zur Einführung oder Bei—
behaltung solcher Beschränkungen ausdrück—
lich ermächtigt. Sie gewährleistet die G. auch
nur für die Zulassung zu solchen Gewerben, auf
welche sie Anwendung findet (s. Gewerbe-
ordnung). Dagegen sind die Gewerbetrei-
benden bei der Ausübung des Gewerbebetriebs
neben den Beschränkungen, die die GewO.
oder andere Reichsgesetze enthalten, allen den-
jenigen Beschränkungen unterworfen, die auf
allgemeinen bau-, feuer-, gesundheits--, sicher-
heits= und sittenpolizeilichen Vorschriften be-
ruhen. Selbstverständliche Voraussetzung für
die Zulässigkeit der Beschränkung der Aus-
übung des Gewerbebetriebs ist jedoch, daß
die polizeilichen auf gesetzlicher Grundlage
beruhen, also nach ALR. II, 17 § 10 und
dem G. über die Polizeiverwaltung vom
11. März 1850 § 6 (GS. 265) berechtigt er-
scheinen, und daß sie nicht gegen die Be-
stimmungen der GewO. verstoßen (O##.
18, 302; 32, 288). Mit diesem Vorbehalt ist
es unerheblich, ob durch die polizeilichen Vor-
schriften die Rentabilität des Betriebes be-
einträchtigt wird (OV. 14, 323). Die Vor-
schriften der GewO. und ihrer Novelle über
die Zulassung zum Gewerbebetriebe haben
nach GewO. § 1 Ads. 2 -eine rüchwirkende
Kraft, so daß derjenige, welcher beim Inkraft-
treten der GewO. oder einer -ovelle zum Be-
triebe eines Gewerbes berechtigt war, von
ihm nicht ausgeschlossen werden darf, weil er
den Erfordernissen der GewO. oder den No—
vellen nicht genügt (O#. 8, 282; 11 S. 313,
316). Aufgehoben ist die Unterscheidung
zwischen Stadt und Land in bezug auf den
Gewerbebetrieb und die Ausdehnung des-
selben (GewO. 8 2) und das Recht der Zünfte
und kaufmännischen Korporationen, andere
vom Betrieb eines Gewerbes auszuschließen
(HewO. § 4). Der gleichzeitige Betrieb meh-
rerer Gewerbe sowie desselben Gewerbes in
mehreren Betriebs= oder Berkaufsstäten ist
gestattet; eine Beschränkung der Handwerker
auf den Verkauf der selbstverfertigten Waren
findet nicht statt (Hew O. § 3). Die ausschließ-
lichen Gewerbeberechtigungen (s. d.) sind auf-
gehoben und die Zwangs= und Bannrechte
(s. d.) entweder aufgehoben oder für ablösbar
erklärt worden. Fortgefallen sind die Be-
rechtigung, Konzessionen zu gewerblichen An-
lagen oder zum Betrieb eines Gewerbes zu
erteilen (s. Konzessionen), sowie mit Aus-
nahme der Gewerbesteuer alle Abgaben, die
für den Betrieb eines Gewerbes entrichtet
wurden und die Berechtigung, solche Abgaben
aufzuerlegen. unzulässts ist der Erwerb neuer
ausschließlicher Gewerbeberechtigungen und
neuer Zwangs= und Bannrechte sowie die
Begründung neuer Realgewerbeberechtigungen
d. d.). Das Geschlecht begründet in Be-
iehung auf die Befugnis zum selbständigen
etrieb eines unter die Gew. fallenden
(Rest. 15, 181; O#V. 11, 324) Gewerbes
Rkeinen Unterschied (GewO. 8§ 11). Von dem
Besitze des Bürgerrechts soll die Zulassung
Gewerbefreiheit.
zum Gewerbebetrieb in keiner Gemeinde und
bei keinem Gewerbe abhängig sein (Gew.
§ 13). Gegenüber der von der GewdO. ge-
währleisteten freien Ausübung der Gewerbe
bleiben die Beschränkungen bestehen, die auf
Zoll-, Steuer= und Posigesetzen beruhen.
Hierher sind zu rechnen die Vorschrift des
V30. vom 1. Juli 1869 § 124 (BGBl. 317),
wonach in Grenzbezirken das Hausiergewerbe
und das Halten von Wanderlagern nur mit
besonderer Erlaubnis der Zollbehörde zulässig
ist und der stehende Gewerbebetrieb beson-
deren Kontrollen unterworfen werden kann.
Aasch dem G., betr. die Erhebung einer Ab-
gabe von Halz, vom 12. Okt. 1867 (BEl. 41)
verliert ein Salzbergwerksbesitzer, der zum
zweiten Male wegen einer von ihm selbst ver-
übten Salzsteuerabgabendefraudation bestraft
worden ist, die Befugnis zur eigenen Verwal-
tung seines Salzwerks. Brennereibesitzern ist
durch die Steuerbehörde der Betrieb des
Brennereigewerbes zu untersagen, wenn sie
wegen Defraudation der Verbrauchsabgabe
bestraft sind; Branntweinsteuergesetz (Ro#l.
1895, 276) § 30. In diesem Gesetz 88 14, 42,
im G. vom 12. Okt. 1867 § 3, im G., betr.
die Besteuerung des Tabaks, vom 16. Juli
1879 (Rl. 245) § 3 in der Fassung des G.
vom 5. April 1885 (REl. 83), im G. wegen
Erhebung der Brausteuer vom 31. Mai 1872
§§ 9, 16 (RE#il. 153), im G., betr. Abände-
rung des Zuckersteuergesetzes, vom 27. Mai
1896 §§ 15, 16, 19, 21, 42 (Röl. 109) in
der Fassung des G. vom 6. Jan. 1903 (R-
Bl. 1) sind für den Beginn oder den Besitz-
wechsel des Betriebs besondere Anzeigen an
die Steuerbehörde vorgeschrieben. Auch be-
darf der Bau oder Umbau der Fabrik der
Genehmigung der Steuerbehörde. Die Er-
richtung von Spielkartenfabriken ist nur an
Orten gestattet, wo sich eine zur Wahrneh-
mung der steuerlichen Aufsicht geeignete Zoll-
und Steuerbehörde befindet G., betr. den
Spieltaartenstempel, vom 3. Juli 1878 § 4 —
RGBl. 133). ie Fabrikation von Spiel-
karten darf nur in den von der Steuerbehörde
genehmigten Räumen betrieben werden (§ 5
a. a. O.). Nach GewöSt G. vom 24. Juni 1891
(GS. 205) 88 52— 58 haben die Gewerbe-
treibenden Anfang und Beendigung des Ge-
werbebetriebes anzumelden und Aufklärungen
über ihre Betriebsverhältnisse zu geben. End-
lich sind die Beschränkungen zu erwähnen,
die dem Gewerbebetriebe durch die Post= und
Telegraphengesetzgebung auferlegt sind. Aach
G. über das Postwesen des Deutschen Reichs
vom 28. Okt. 1871 §§ 1, 1a (Rol. 347) in
der Fassung des G. vom 20. Dez. 1899 (R-
Bl. 715) ist die Beförderung von versiegelten,
zugenähten oder sonst verschlossenen Briefen
gegen Bezahlung überhaupt und die Beförde-
rung aller Zeitungen politischen Inhalts, die
öfter als einmal wöchentlich erscheinen, gegen
Bezahlung über den zweimeiligen Umtkreis
hinaus verboten. Durch G. vom 20. Dez.
1899 Art. 3 ist der Betrieb von Privatpost-
anstalten untersagt (s. Postzwang). Tele-
graphen= und Fernsprechanlagen für die Ver-
mittelung von NAachrichten zu errichten und zu