Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Gewerkschaften 
fertigt die Kuxscheine aus und beruft die Ge- 
werkenversammlung. Diese muß alljährlich 
einmal, und wenn es ein Miertel der Eigen- 
tümer der Kuxe beantragt, stattfinden (88 121, 
122). Zustellungen erfolgen an den Repräsen- 
tanten oder an ein Mitglied des Grubenvor- 
stands, das bei der Wahl als solches bezeich- 
net wird (§ 123). Die G. wird durch die vom 
Repräsentanten oder Grubenvorstand in ihrem 
Aamen geschlossenen Rechtsgeschäfte berechtigt 
und verpflichtet. Uberschreitet dieser die Grenze 
des Auftrags, so haftet er persönlich und soli- 
darisch für den dadurch entstandenen Schaden. 
(§58 125, 126). Die Haftbarkeit der G. wird 
dadurch nicht ausgeschlossen (RGZ. 53, 27). 
Die Mitglieder des Grubenvorstands haften 
Dritten nicht für den durch verabsäumte Er— 
hebung von Zubußen verursachten Schaden 
(RGZ. 53, 330), wohl aber der G. (RGZ. 4, 
296). Der Revierbeamte (s. Bergbehörden 1) 
kann die G. zur Bestellung eines Repräsen- 
tanten oder Grubenvorstandes auffordern, und 
wenn dieser Aufforderung binnen der gesetzten 
Frist nicht entsprochen wird, einen Repräsen- 
tanten unter Zubilligung einer angemessenen 
Vergütung bestellen (§ 128). 
V. Beiträge (Zubuße). Die Gewerken 
sind verpflichtet, die Zubußen nach Verhältnis 
ihrer Kuxe zu zahlen. Die Klage gegen einen Ge- 
werken auf Zahlung der Zubuße khann erst nach 
Ablauf von vier Wochen nach der Gewerken- 
versammlung, die über die Zahlung der Zubuße 
Beschluß gefaßt hat, erfolgen. Hat der Gewerke 
den Beschluß angefochten, so findet die Klage 
gegen ihn erst nach rechtskräftiger Entscheidung 
seiner Klage statt (§ 129). Der NMießbraucher 
eines Nachlasses, der Ausbeute von den zum 
Aachlasse gehörigen Bergwerksanteilen be- 
ziehen und etwaige Zubußen tragen soll, muß 
sich der G. gegenüber die Zwangsvollstrechung 
in den Nachlaß wegen der von den Erben ge- 
schuldeten Ggicchern gefallen lassen. Miteigen- 
tümer von Kuxen sind nicht für die Zahlung 
der auf diese Kuxe entfallenden Beiträge soli- 
darisch verpflichtet (R## Z. 49, 211). Die Rechts- 
und Erwerbsfähigkeit der G. ist nicht auf den 
Betrieb des verliehenen Bergwerkes und der 
damit zusammenhängenden Geschäfte beschränkt. 
Einer zu Recht bestehenden G., deren Bergwerk 
nicht betrieben wird, ist es gesetzlich nicht ver- 
wehrt, auch nicht verleihbare Milineralien (s. 
Bergbau) aus dem Rechte des Grundeigen- 
tümers zu betreiben. Ein Gewerke kann die 
Zahlung der rechtskräftig festgesetzten Zubuße 
nicht aus dem Grunde verweigern, daß dieser 
u einem nicht zum Betriebe des verliehenen 
Bergwerhseigentums gehörigen Unternehmens 
bestimmt sei (RG#Z. 49, 293). Der Gewerke 
kann seine Verurteilung und die Exehution 
dadurch abwenden, daß er seinen Anteil zur 
Verfügung stellt (8 130). Dies darf auch der 
Verkäufer der Kuxe, wenn sich der Käufer im 
Annahme= und Zahlungsverzuge befindet, um 
sich von der Haftung für Zubußen zu be- 
freien (RE#. Z. 60, 160). Die Befugnis wird 
dadurch nicht ausgeschlossen, daß über das 
Vermögen der G. Konkurs eröffnet ist, der 
Konkursverwalter das Bergwerk an einen 
Dritten veräußert und der Rux dadurch un- 
v. Bitter, Handwörterbuch der preußischen Verwaltung. 
  
(Fachverbände). 737 
verwertbar geworden ist (RG#3. 59, 252). In 
der Zurverfügungstellung liegt eine Erfüllung 
der Schuldverbindlichkeit, durch welche der 
frühere Eigentümer der Kuxe von der ihm 
obliegenden Verpflichtung zur Zahlung der 
vor der Umschreibung im Gewerkenbuch oder 
der Ubertragung der ZKuxe beschlossenen Bei- 
träge befreit wird (R#Z. 51, 73). Der Ver- 
kauf des Anteils erfolgt bei G. alten Rechts 
durch Zwangsversteigerung (s. d.), bei G. 
neuen Rechts nach ZPO. 88 828 ff. Aus 
dem gelösten Kaufpreis werden zunächst die 
Verkaufskosten und sodann die schuldigen Bei- 
träge gezahlt (E 131 Abs. 1, 2). Ein Vorzugs- 
recht der G. hinsichtlich der rückständigen Bei- 
träge ist dadurch nicht begründet (RG Z. 3, 275). 
Ist der Kux unverkäuflich, so wird er den 
anderen Gewerken nach Verhältnis ihrer An- 
teile in ganzen Kuxen, soweit dies nicht mög- 
lich ist, der G. als solcher kostenfrei zuge- 
schrieben. Jeder Gewerke kann auf seinen 
Kux freiwillig verzichten, wenn auf ihm weder 
schuldige Beiträge noch sonstige Schuldverbind- 
lichkeiten haften oder die ausdrückliche Ein- 
willigung der Gläubiger beigebracht wird und 
außerdem der Kuxschein an die G. zurüchk- 
gegeben wird (8 132). 
VI. Auflösung. Die G. wird aufgelöst, 
wenn der Konkurs über sie eröffnet wird, 
oder wenn sie mit Genehmigung des Ober- 
bergamts die Aufgabe oder Vercktzerung des 
Bergwerks beschließt. Die Umwandlung der 
G. in eine Aktiengesellschaft oder andere 
Handelsgesellschaft erfordert Einstimmigkeit der 
Gewerken und Einwilligung der Pfandgläu- 
biger und gerichtliche und notarielle Erklärung. 
VII. G. und Bergwertksgesellschaften 
unterliegen der ordentlichen Stempelrevision, 
s. Stempelsteuer unter Ig. 
Gewerkschaften (Fachverbände) sind Ar- 
beitervereinigungen zur Betätigung der reichs- 
gesetzlich verbürgten gewerblichen Koalitions- 
freiheit durch ihre itglieder unter gleich- 
zeitiger Verfolgung der Erhöhung der Lebens- 
haltung der sog. arbeitenden Klassen und 
Hebung ihres geistigen Bildungsstandes. Sie 
fallen deshalb nicht nur unter die Beichs- 
gewerbeordnung, sondern gleichzeitig unter 
diejenigen Vorschriften, welche in den Einzel- 
staaten das öffentliche Vereinsrecht regeln, in 
Preußen also unter das G. vom 11. März 
1850 — GS. 277 (ogl. OVG. vom 27. März 1900 
— O##. 38, 405). Privatrechtlich sind die Ge- 
werkschaften Vereine ohne BRechtsfähigkeit 
im Sinne des BEB., jedoch ist die Ver- 
leihung der Rechtsfähigkeit an die G. unter 
Abänderung und Ergänzung der bezüg- 
lichen Bestimmungen im BEs. in Aussicht 
genommen. Eine legale Bildung von G. ist 
in Deutschland erst möglich geworden durch den 
die Koalitionsfreiheit schaffenden § 152 Gew). 
und nur für diejsenigen Arbeiter, deren Arbeits- 
verhältnis nach den Vorschriften der GewO. zu 
beurteilen ist (s. unter Arbeiter und Arbeits- 
einstellung und Aussperrung). Die in 
den ersten 20 Jahren nach Erlaß der Gew). 
schwache Gewerkschaftsbewegung ist seit dem 
Jahre 1890, in welchem ihre Hemmung durch 
Aufhebung des Sozialistengesetzes fortfiel, be- 
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