Anerbenrecht.
derkauf und Teilung des Erlöses herbeizu-
ühren (BGB. 88 2042, 752, 753).
II. Uber den Ursprung des A. sind die
Meinungen geteilt. Zweifellos hat das Auf-
kommen der Grundherrschaft einen maßgeben-
den Einfluß auf die Ausbildung des A. geübt,
da der Grundherr an der Erhaltung leistungs-
fähiger Bauerngüter ein erhebliches Interesse
hatte. Das berechtigt aber nicht dazu, die
Entstehung des A. auf die Grundherrschaft
zurüchzuführen, vielmehr wird mit Serin
Vererbung des ländlichen Grundbesitzes
Vorbem.) aus den von ihm entwickelten
Gründen anzunehmen sein, daß das A. vor-
wiegend aus den natürlichen Wirtschafts-
bedingungen in Verbindung mit dem Charakter
der Bevölkerung erwachsen ist. Das ältere A.,
das vielfach die Natur eines absoluten Rechtes
hatte, also entgegenstehende letztwillige Ver-
fügungen nicht zuließ, ist in den meisten
Gegenden mit der Umwandlung der Agrar-
verfassung seit Beginne des 19. Fahrhunßerts
verschwunden. In Preußen finden sich Uber-
reste nur noch in Schleswig, wo es nach der
V. vom 18. Juni 1777 für die sog. Bonden=
güter gilt, ferner gewohnheitsrechtlich in Teilen
von Holstein und auf Grund des kurhess. G.
über die Auseinandersetzung der Lehens-, Meier-
und anderen gutsherrlichen Verhältnisse vom
26. Aug. 1848 (GS. f. Kurhessen 67) und
des § 1 des G. vom 21. Febr. 1870 (GS. 117)
im Kreise Rinteln, der ehemaligen Grasschaft
Schaumburg, überall jedoch nur als Intestat-
anerbenrecht (s. u.). Dagegen haben sich
die Eigentümlichleiten des A. in dem bei
weitem größten Teile der Monarchie in der
eise erhalten, daß durch Gutsübergabever=
träge zu Lebzeiten des Besitzers, sog. anti-
zipierte Erbfolge, oder durch letztwillige Ver-
fügungen der bergang des Gutes auf einen
Erwerber zu mäßiger Taxe herbeigeführt wird.
an spricht hier von einer Anerbensitte.
Außerdem ist in manchen Gegenden gleichfalls
die geschlossene Vererbung des Grundbesitzes,
jedoch ohne Rüchksicht auf die Erhaltung der
Leistungsfähigkeit des Ubernehmers bei der
ewertung, üblich. Gegenüber diesen weiten
ebieten des ungeteilten Gutsüberganges
tritt das sog. Realteilungsgebiet, wo beim
Erbfalle das unbewegliche Vermögen ebenso
wie das bewegliche nach den Regeln des ge-
meinen Erbrechts unter sämtliche Miterben in
Jatur geteilt zu werden pflegt, in den meisten
rovinzen völlig in den Hintergrund. In
weiterem Umfange besteht die Sitte der
ealteilung nur in der Rheinprovinz (Reg.-Bez.
Poln Koblenz, Trier, Aachen) und in der
Dror. Hessen-Rassau (Reg.-Bez. Wiesbaden).
6 aneben sind zu erwähnen der Kreis Siegen
4 rov. Westfalen), das Eichsfeld (Prov. Hannover
( nd Sachsen) die Kreise Rawitsch und Adelnau
u rov. Posen), einzelne Teile von Oberschlesien
nd Hohenzollern-Hechingen.
da bestehenden Anerbensitte trägt auch
Srrd ,3 B., das die Regelung des Anerben-
Echter der Landesgesetzgebung überlassen hat
Ech B. Artl.64), durch einige Bestimmungen
der Gung. Aach § 2049 BE. soll, wenn
rblasser angeordnet hat, daß einer der
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Miterben das Recht haben soll, ein zum Nach-
lasse gehörendes Landgut zu übernehmen, das
Landgut im Zweifel zu dem Ertragswert
angesetzt werden, d. h. zu dem Werte, der sich
ergibt aus dem Reinertrage, den das Landgut
nach seiner bisherigen wirtschaftlichen Be-
stimmung bei ordnungsmäßiger Bewirtschaf-
tung nachhaltig gewähren kann. Dieselbe
Vorschrift gilt nach § 1515 BE#B. für den
Fall, daß zu dem Gesamtgut einer aufgelösten
Gütergemeinschaft ein Landgut gehört und
der vorverstorbene Ehegatte letztwillig ange-
ordnet hat, daß ein anteilsberechtigter Ab-
kömmling oder der überlebende Ehegatte das
Recht haben soll, das Landgut gegen Ersatz
des Wertes zu übernehmen. Außerdem kann
allgemein angeordnet werden, daß das zum
Gesamtgute gehörende Landgut bei der Teilung
mit dem Ertragswert angesetzt werden soll.
Der § 2312 BE#B. endlich enthält die wichtige
Bestimmung, daß, wenn einer von mehreren
Erben entweder kraft ausdrücklicher Vorschrift
des Erblassers oder gemäß § 2049 das Recht
hat, ein zum Nachlasse gehörendes Landgut
zum Ertragswerte zu übernehmen, und von
diesem Rechte Gebrauch macht, der Ertrags-
wert auch für die Berechnung des Pflichtteils
maßgebend ist, sofern der Gutsübernehmer
selbst zu den nach § 2303 Bö. pflichtteils-
berechtigten Personen gehört, also entweder Ab-
kömmling, Vater, Mutter oder Ehegatte des
Erblassers ist. Uber die Grundsätze, nach denen
in diesen drei Fällen der Ertragswert des Land-
guts festzustellen ist, Kkönnen im Wege der Lan-
desgesetzgebung nähere Bestimmungen getroffen
werden (EcB. Art. 137). Auf Eru#d dieses
Vorbehalts ordnet Art. 83 AG. z. BEB. an,
daß als Ertragswert der 25 fache Betrag des
jährlichen Reinertrags gelten soll, vorbehaltlich
der Bestimmung einer andern Verhältnis-
zahl durch Kgl. V., und daß die Grundsätze,
nach denen der Reinertrag festzustellen ist, durch
allgemeine Anordnung des Justiz= und Land-
wirtschaftsministers bestimmt werden können.
Die neuere Anerbengesetzgebung setzte
in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts
mit dem hann. Hoöfegesetz (s. u. zu IIl ein
und hat ihren vorläufigen Abschluß mit
dem westf. A. (s. u. zu IVb) gefunden. Zu-
nächst begnügte man sich mit der Einführung
des sog. mittelbaren (fakultativen oder in-
direkten) A., auch Höferecht oder Landgüter-
recht genannt, dessen Wesen darin besteht, daß
es nur für solche Güter Platz greift, die auf
Antrag des Eigentümers in ein besonderes
Verzeichnis (Höferolle, Landgüterrolle ein-
getragen sind. Erst mit dem G., betr. das A.
bei Renten= und Ansiedlungsgütern, vom
8. Juni 1896 (s. u. zu IVa) ging man zum
System des unmittelbaren (obligatorischen oder
direkten) A. über, das kraft Gesetzes für alle,
gewissen Voraussetzungen entsprechende Güter
bestimmter Art oder eines bestimmten Bezirks
gilt. In beiden Fällen handelt es sich
jedoch nur um ein Intestatanerbenrecht,
das durch Verfügung des Eigentümers für den
einzelnen Erbfall ausgeschlossen werden kann,
also nur eintritt, wenn eine derartige Ver-
fügung nicht getroffen ist.
v. Bitter, Handwörterbuch der preußischen Verwaltung. 5