Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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Zentraldirektion zur Regelung der 
Grundsteuer, bestehend aus einem Mitglied 
des FM., den vier Generalkommissarien und 
einem forsttechnischen Mitgliede des FM. Dazu 
kam dann das zahlreiche Personal von Ver- 
messungsbeamten unter Leitung des Ober- 
grometers für den Regierungsbezirk und des 
ermessungsinspektors für den Staat. Für 
die westlichen und neuen Provinzen bestanden 
mannigfache Abweichungen in der Organisa- 
tion. Die Veranlagung begann mit der Flächen- 
ermittlung auf Grund des vorhandenen Mate- 
rials oder neuer Vermessung (s. Hemarkungs- 
karten). Gleichzeitig war das Material für 
die Reinertragsermittlung zu beschaffen. Zu 
diesem Zweck stellte der Beranlagungskommis- 
sar eine alle Verhältnisse, welche den wirtschaft- 
lichen Ertrag bedingen, berührende Kreis- 
beschreibung auf. Diese wurde von der 
Veranlagungskommission beraten und even- 
tuell abgeändert. Gleichzeitig stellte diese einen 
Entwurf des Klassifikationstarifs auf und 
wählte die Musterstüche aus. Die entworfenen 
vorläufigen Tarife wurden veröffentlicht, und 
es Konnten Gemeindevorstände, Inhaber von 
Gutsbezirken und Kreistage Einwendungen 
gegen sie erheben. Die Bezirkskommission 
stellte ihre Vorschläge zur Abänderung fest, 
und ihr Vorsitzender verfaßte eine Bezirks- 
beschreibung. Alsdann stellte die Zentralkom- 
mission den vorläufigen Tarif fest, auf Grund 
dessen die Einschätzung der einzelnen Gemar- 
kungen durch je zwei Mitglieder der Veran- 
lagungskommission erfolgte; die Ergebnisse 
wurden im „Einschätzungsregister" eingetragen. 
Gegen die Einschätzung war Reklamation wegen 
unrichtigen Ansatzes einzelner Grundstüchke, un- 
richtiger Flächenermittlung, unrichtiger Ein- 
schätzung in den Klassifikationstarif und wegen 
Fehlern bei den Berechnungen zulässig. Soweit 
sie von ihr begründet befunden wurden, half 
ihnen schon die Veranlagungskommission ab; 
die anderen wurden von der Bezirkskommis- 
sion endgültig erledigt. Die gesamten Veran- 
lagungoarbeiten gingen dann zur Prüfung an 
den FM. und die Zentralkommission, die nun- 
mehr die Klassifikationstarife endgültig fest- 
stellte, worauf die Reinerträge der einzelnen 
Grundstücke, soweit nötig, anderweit berechnet 
und die Gesamtreinerträge der Gemeinden, 
Kreise und Provinzen festgestellt wurden 
(Grundsteuergesetz § 6 und die demselben bei- 
gefügten Anw.). Aachdem diese zur Einschätzung 
der Grundstücke und Ermittlung der Reiner= 
tragssummen erforderlichen Arbeiten beendet 
waren, konnte erst durch besondere Berord- 
nungen und Gesetze (s. o. unter I die Unter- 
verteilung der G. erfolgen. Der einzelne 
Grundeigentümer hatte neben dem BRecht der 
Geltendmachung der durch Fortschreibung zu 
beseitigenden materiellen Irrtümer das der 
Reklamation wegen unrichtiger Flächenangabe 
und unrichtiger Einschätzung in den Rlassifika- 
tionstarif (unrichtiger Aufnahme der Kultur- 
art, unrichtiger Bonitätsklasse und ungleich- 
mäßiger Einschätzung gegen andere Grund- 
stüche derselben Gemarkung). Die Reklama- 
tionen entschied die für jeden Kreis gebildete 
Reklamationskommission, die unter Vorsitz 
  
Grundsteuer in den Hohenzollernschen Landen — Grundsteuerdechungsfonds. 
eines Kommissars der Regierung je zur Hälfte 
aus gewählten und ernannten Mitgliedern be- 
stand, auf Grund eines Gutachtens einer aus 
je zwei ihrer Mitglieder für bestimmte Rekla- 
mationsbezirke gebildeten Reklamationsdepu- 
tation. Eine Ermäßigung der Grundsteuer- 
hauptsumme der Gemarkung konnte vom Ge- 
meindevorstand (Gutsbesitzer) wegen Uber- 
bürdung beantragt werden; dem Antrag war 
stattzugeben, wenn eine erneute Einschätzung 
einen um mehr als 250% hinter dem der frühe- 
ren zurüchbleibenden Gesamtreinertrag ergab. 
Die Entscheidung traf nach Begutachtung durch 
Reklamationskommission und Regierung der 
JM. Die Grundsteuerhauptsummen der Pro- 
vinzen und ständischen Verbände ändern sich 
nur durch eränderune im Bestande der 
Grundstücke, berechtigte Uberbürdungsbeschwer- 
den und Nachweis materieller Irrtümer (für 
die östlichen Provinzen V. vom 12. Dez. 1864 
§§ 1—4; G. vom 8. Febr. 1867 §§ 1—10, 11—28; 
für die westlichen V. vom 12. Dez. 1864 88 1, 
7—13; für die neuen G. vom 11. Febr. 1870 
§ 8). Die RKosten der Grundsteuerveranlagung 
betrugen für die alten Provinzen 33297175 
und für die neuen 26263056 Ml. Wegen Er- 
haltung der G. bei der Gegenwart vgl. Fort- 
schreibung und Kataster. Das Veran- 
lagungssoll der G. betrug 1905: 41 467730 M., 
wovon 37967633 Ml. auf das platte Land kamen. 
Durch die infolge der Bevölkerungsvermehrung. 
zunehmende Besetzung von Liegenschaften mit 
Gebäuden geht es naturgemäß zurück. 
Grundsteuer in den Hohenzollernschen Lan- 
den. Sie beruht, wie die übrigen dortigen 
Realsteuern, auf dem durch G. vom 22. Febr. 
1867 (GS. 269) auf das Fürstentum Hechingen 
ausgedehnten Sigmaringenschen Gesetz, über 
die NVormen der direkten Besteuerung vom 
30. Aug. 1834 (Sigm GS. 4, 93), welches in 
Einzelheiten, im wesentlichen nur bezüglich der 
Steuersätze, durch G. vom 25. Alärz 1875 (GS. 
181) geändert ist. Durch das G. wegen Um- 
gestaltung der direkten Staatssteuern in den 
hohenzollernschen Landen vom 2. Juli 1900 
(G# 252) ist sie der Staatskasse gegenüber 
außer Hebung gesetzt, ihre Veranlagung wird 
aber für die Zwecke der Kommunalbesteuerung 
aufrechterhalten (ogl. Aufhebung direkter 
Staatssteuern). Der G. unterliegen alle 
nicht der Gebäudesteuer (s. d.) unterworfenen 
Grundstücke und nicht der Gefällsteuer (s. d.) 
unterliegenden, auf Grund und Boden haf- 
tenden Autzungsrechte. Befreit sind jetzt den 
Gemeinden gegenüber dieselben Grundstücke, 
wie in der übrigen Monarchie (s. den vor. Art. 
III A) und die Gärten der fürstl. Hohenzollern- 
schen Schlösser (HohenzollS#em O. vom 2. Juli 
1900 — GS. 189 — 8§ 98 I|). Den Maßstab 
der Besteuerung, das „Steuerkapital“, bildet 
der mit 20 kapitalisierte Reinertrag nach Ab- 
zug der mit 25 kapitalisierten Reallasten. Der 
Steuersatz beträgt 0,0017% des Steuerhkapi- 
tals. Eine Revision der Veranlagung findet 
nicht statt. 
Grundsteuerdechungsfonds war ein in der 
ARMheinprovinz und Westfalen aus Beiträgen 
der Grundsteuerpflichtigen von jährlich ½/2 % 
der Grundsteuer gebildeter Fonds zur Dechung.
	        
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