Gutsvorsteher.
in ihrem eigenen Gutsbezirk. Wer hier der
Träger der Gutsherrlichkeit ist, kann oft,
namentlich nach Zersplitterung des alten herr-
schaftlichen Gutes durch Abverkäufe, zweifel-
aft werden. Auch die Feststellung, ob ein
andgut ehemals eine selbständige herrschaft-
liche Besitzung oder der G. eines anderen
Gutes unterstellt gewesen ist, Kann oft große
Schwierigkeiten bieten.
V. In der Prov. Posen ist nach ihrer Wieder-
vereinigung mit der preuß. Aonarchie im
Jahre 1816 die Patrimonialgerichtsbartkeit der
Gutsherren nicht wieder eingeführt worden.
Auch wurde ihnen dort die Polizei nur über
ihr Gut, aber nicht über die früher hierzu
gehörenden Landgemeinden belassen (KabO. vom
16. April 1823 u. 10. Dez. 1836 — v. Kamptz 17, 119
u. 20, 943 — sowie OVG. 36, 153). Dennoch
kam ihnen auch letzteren gegenüber die Stellung
der G. nach wie vor zu, da sie durch die Ge-
setzgebung des Herzogtums Warschau nicht auf-
gehoben worden war (OV. vom 4. Jan. 1893
— Pr l. 14, 354). In den westlichen
Provinzen wurden die durch die Fremdherr-
schaft beseitigen gutsherrlichen Rechte nur zum
Teil, namentlich für die ehemals reichsunmittel-
baren Standesherren und die frühere Reichs-
ritterschaft wieder hergestellt Instr. vom 30. Mai
1820 §8 25, 35, 37 u. 53 — GS. 89). Aur
in demjenigen Teile der Prov. Sachsen, der
zum Königr. Westfalen gehört hatte, erhiel-
ten die Gutsherren die Polizeigewalt zurück.
Die in der Zwischenzeit durch die fremdherrliche
Gesetzgebung bewirkte Verbindung der Ritter-
güter mit Stadt- oder Landgemeinden sollte
jedoch hier fortbestehen, wenn beide Teile es
wünschten (V. vom 31. März 1833 — GS. 61,
62 — u. OV6S. 6, 100). In Neuvorpommern
und Rügen hatte die obrigkeitliche Gewalt
der Gutsherren auch unter der Fremdherr-
schaft fortbestanden (Erl. vom 20. Juli 1822
v. Kamptz 6, 711). In der Prov. Westfalen
wurden die durch die franz. Gesetzgebung be-
seitigten Rechte der früheren G. insoweit
wieder hergestellt, als diejenigen Rittergüter,
die vor Erl. der LöO. vom 31. Okt. 1841
bereits in die Rittergutsmatrikel (s. Ritter-
güter) eingetragen waren, auf den Antrag
ihrer Besitzer oder der Gemeinde, mit der
sie vereinigt worden waren, selbständige
Gutsbezirke bilden durften, wenn sie den
Zwecken einer Gemeinde für sich genügen
konnten (LöO. vom 19. März 1856 § 3). Inu
der Rheinprovinz haben die G. zu be-
stehen aufgehört. Uber die selbständigen herr-
schaftlichen Güter in den neuen Provinzen
s. HGemeindebezirkell und Gutsbezirke lll.
— Speziell auf dem Gebiete der Volksschulen
bestehen die Lasten der G. in der Baulast
(s. Bauholz, Schulgebäude) und in der
Vertretung der Hintersassen, übrigens in sehr
verschiedener Weise nach den besonderen terri-
torialen Rechtsnormen (ALR.; Preuß. Schul-
ordnung vom 11. Dez. 1845; Schles. Schul-
reglements von 1765 u. 1801; Regul. für Reu-
vorpommern von 1831; V. für die ehemals
kgl. sächs. Landesteile vom 11. Aov. 1844 — f.
Schullast II. Den Gutsherren steht in der
Regel als „Gerichtsobrigkeit“ auch das Lehrer-
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berufungsrecht (s. Lehrer und Lehrerinnen
an Volksschulen [Anstellung, amtliche
Stellung] I) und die Teilnahme am
Schulvorstande (s. Schul vorstän de) zu.
Wegen seiner besonderen Rechtsstellung gegen-
über der Schulsozietät ist der Gutsherr frei
von Schulsozietätsbeiträgen, da er nicht als
„Hausvater“ gilt (s. U Bl. 1896, 535).
Gutsvorsteher. Der G. hat in dem Guts-
bezirke dieselben ortsobrigkeitlichen Befug-
nisse auszuüben, wie in der Landgemeinde
der Gemeindevorsteher (s. d. Landg.), und hat
auch die allgemeinen Rechte und Pflichten der
Gemeindebeamten. Er ist ferner Vertreter
des Ortsarmenverbandes des Gutsbezirks.
Im übrigen kommt ihm eine Vermögens-
verwaltung auf Kkommunalem Gehbiete nicht
zu, da die kommunalen Verpflichtungen des
Gutsbezirks (abgesehen von der Prov. West-
falen) von dem Gutsbesitzer allein zu er-
füllen sind. Der Besitzer eines selbständi-
gen Guts hat die Gutsvorstehergeschäfte ent-
weder selbst zu führen oder sie durch einen
von ihm zu bestellenden, zur Ubernahme des
Amts befähigten Stellvertreter (den stellver-
tretenden Gutsvorsteher) führen zu lassen.
Die Amtseigenschaft erhält der Gutsbesitzer
und der Stellvertreter aber erst durch die
Bestätigung des Landrats. Diese kann ihm
nur unter Zustimmung des Krü. versagt
werden. Er wird von dem Landrate oder in
dessen Auftrage von dem Amtsvorsteher (in
Posen dem Distriktskommissarius) vereidigt.
Der Stellvertreter muß seinen beständigen
Aufenthalt im Gutsbezirke oder in dessen un-
mittelbarer Nähe haben. Es können jedoch
von dem Gutsbesitzer sämtliche oder einzelne
Gutsvorstehergeschäfte an den Vorsteher einer
benachbarten Gemeinde unter beider Zustim-
mung gegen eine angemessene Entschädigung
übertragen werden. In den sieben östlichen
Provinzen waren in früherer Zeit den Ge-
meindevorstehern bisweilen Landdotationen
allein oder in Verbindung mit Geld= und
Naturalbeiträgen von den Gutsherren gewährt
worden. Diese letzteren Beiträge sind fortge-
fallen, die Landdotationen aber können nicht
zurüchgefordert werden. Der Gutsbesitzer ist
nun berechtigt, für den Fortbezug der früher
gewährten Landdotationen und Beiträge von
dem Gemeindevorsteher auch ferner die Wahr-
nehmung der Geschäfte des G. oder die Ver-
tretung hierbei in dem bisherigen Umfange
zu verlangen. Er Rann aber, ebenso wie die
Gemeinde, die Lösung eines derartigen Ver-
hältnisses gegen Fortfall der Geld= und Vatu-
ralbeiträge und gegen Entschädigung für die
Landdotation beanspruchen. Der Gemeinde
steht auch das Recht zu, statt der Gewährung
einer Entschädigung die Landdotation heraus-
zugeben. Diese Auseinandersetzung erfolgt in
derselben Weise wie die zwischen einem Schulzen-
gutsbesitzer und der Gemeinde (s. Erbschulzen).
Eine gesetzliche Stellvertretung im Guts-
vorsteheramt findet insofern statt, als Ehefrauen
durch ihren Ehemann, Kinder unter elterlicher
Gewalt durch ihren Vater und bevormundete
Personen durch ihren Vormund oder Pfleger
vertreten werden (LGO. f. d. ö. Pr. und für