Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

68 
Verwandter ist (8 26). Innerhalb dieser 
20 Jahre steht den anerbenberechtigten Mit- 
erben ein Vorkaufsrecht zu (§ 27). Der Ein- 
tritt des A. für den nächsten Erbfall Kann nur 
durch eine letztwillige Verfügung ausgeschlossen 
werden (§ 10). Dagegen hann die Person des 
Anerben sowohl in einer letztwilligen Ver- 
fügung wie auch in einer öffentlich beglaubig- 
ten Urkunde abweichend von den gesetzlichen 
Vorschriften bestimmt werden (8 32). 
Am 31. Dez. 1904 — die Angaben für 1905 
liegen noch nicht vollständig vor — betrug die 
Zahl der durch Vermittelung der Generalkom-= 
mission gebildeten Rentengüter, bei denen die 
Anerbengutseigenschaft eingetragen war, 9245. 
Ansiedelungsgüter waren am 31. Dez. 1905 
10 382 vorhanden (s. Ansiedelungen in West- 
preußen und Posen IUII). Da das G. vom 
8. Juni 1896 auf die meisten Rentengüter und 
auf fast sämtliche Ansiedelungsgüter Anwen- 
dung findet und da ferner im Jahre 1905 etwa 
300 weitere Rentengüter begründet waren, so 
erstreckt sich der Geltungsbereich des Gesetzes 
zurzeit auf etwa 20000 Besitzungen. 
b) Das G., betr. das A. bei Land- 
gütern in der Prov. Westfalen und in 
den Kreisen Rees, Essen (Land), Essen 
(Stadt), Duisburg, Ruhrort und Mül- 
heim a. d. Ruhr, vom 2. Juli 1898 (GS. 
139). Anerbengut wird jedes im Geltungs- 
bereiche des Gesetzes belegene „Landgut“ durch 
Eintragung der Merbengutseigenschaft im 
Grundbuche (8 1). Unter „Landgut“ wird jede 
ihrem Hauptzwecke nach zum Betriebe der 
Land= oder Forstwirtschaft bestimmte und zur 
selbständigen Aahrungsstelle geeignete Be- 
sitzung verstanden, die mit einem, wenn auch 
räumlich von ihr getrennten Wohnhause ver- 
sehen ist (§ 2). Wie bereits oben angedeutet, 
zerfällt der Geltungsbereich des Gesetzes in 
ein Gebiet des unmittelbaren und ein solches 
des mittelbaren A. In dem ersteren, bei 
weitem umfangreicheren Gebiet erfolgt die 
Eintragung der Anerbengutseigenschaft und 
deren Löschung auf Ersuchen des zuständigen 
Spezialkommissars (§ 3). Die Eintragung ist 
von Amts wegen bei allen Besitzungen nach- 
zusuchen, die den Voraussetzungen des 8 2 
entsprechen. Die Prüfung, ob letzteres der Fall 
ist, erfolgt jedoch bei Besitzungen mit einem 
rundsteuerreinertrage von weniger als 60 M. 
nur auf Antrag des Eigentümers (§ 8). Bei 
den übrigen Besitzungen ist dieser lediglich zu 
hören. Wenn sich dabei zwischen dem Spezial- 
kommissar und dem Eigentümer eine Meinungs- 
verschiedenheit darüber ergibt, ob die Voraus- 
setzungen für die Eintragung der Anerbenguts- 
eigenschaft gegeben sind, so entscheidet die 
Anerbenkommission, die aus dem Spezial- 
kommissar als Vorsitzenden und zwei Sach- 
verständigen besteht. Die Sachverständigen 
werden vom Kreistag aus der Zad der- 
jenigen Personen gewählt, die im Kreise mit 
einem den Erfordernissen des § 2 entsprechen- 
den Landgut angesessen sind. Gegen den Be- 
schluß der Anerbenkommission steht dem Eigen- 
tümer und dem Spezialkommissar binnen einer 
Aotfrist von zwei Wochen die Beschwerde an 
die bei der Generalkommission in Münster 
  
Anerbenrecht. 
gebildete Berufungskommission zu, die aus 
zwei vom ML. bestellten Mitgliedern der 
Generalkommission und drei von der Land- 
wirtschaftskammer gewählten Bachverständigen 
besteht (§ 9). Die Löschung der Anerbenguts- 
eigenschaft ist nachzusuchen, wenn die Besitzung 
nicht mehr ein Landgut im Sinne des § 2 
darstellt. Das Verfahren ist dasselbe wie bei 
der Eintragung (88 8, 9). 
Bei Landgütern, deren Wohnhaus im Ge- 
biete des mittelbaren A. belegen ist, d. h. in 
einem der im § 11 einzeln aufgefübrten Be- 
zirke, erfolgt die Eintragung der Anerbenguts- 
eigenschaft entsprechend dem System der Höfe- 
und Landgütergesetzgebung lediglich auf An- 
trag des Eigentümers, der auch jederzeit wieder 
die Löschung verlangen, auch den Eintragungs- 
und Löschungsantrag auf Teile des Landguts 
beschränken kann, sofern nur der Teil, bei 
dem die Anerbengutseigenschaft eingetragen 
werden soll oder eingetragen bleibt, ein Land- 
gut im Sinne des § 2 darstellt. Ob hiernach 
die Voraussetzungen einer Eintragung oder 
Löschung vorliegen, wird durch eine Bescheini- 
ung des Spezialkommissars festgestellt (§ 11). 
mm übrigen gelten die Vorschriften des Ge- 
setzes für alle Besitzungen, bei denen die An- 
erbengutseigenschaft eingetragen ist, mögen sie 
dem Gebiete des mittelbaren oder des un- 
mittelbaren A. angehören. Hinsichtlich dieser 
Vorschriften Kann im allgemeinen auf die im 
wesentlichen damit übereinstimmenden Vor- 
schriften des Anerbengesetzes für Renten= und 
Ansiedelungsgüter verwiesen werden ((. o. 
zu a). Dies gilt insbesondere von den Be- 
stimmungen über den Erwerb des Anerben- 
guts, den Verzicht auf das A. und die Be- 
rufung zum Anerben (8§ 13, 18—20), ferner 
über die Reihenfolge der Berufung (88 14, 16, 
17), über die Feststellung des Anrechnungs- 
werts des Anerbenguts und über das Voraus 
(§§ 25, 26) sowie über die Abfindungen der 
Witerben (§5 29), über die Veräußerung des 
Anerbenguts (§ 32) und das Vorkaufsrecht 
der Aliterben (5 33). Eine abweichende Rege- 
lung hat das westf. Anerbengesetz nur in 
folgenden Punkten getroffen. In einigen Be- 
zirken, die im § 15 einzeln aufgezählt sind, 
ist der Erbsitte entsprechend der jüngere Sohn 
vor dem älteren und in Ermangelung von 
Söhnen die jüngere Tochter zum Anerben be- 
rufen. Im Landgerichtsbezirk Duisburg be- 
trägt das Voraus nur ein Fünfteil (8 26 
Abs. 2, 3). Der als Anerbe eintretende Ehe- 
gatte erhält kein Voraus (§ 27 Abs. 2). Die 
Erbabfindungen können in Kapital verlangt 
werden, soweit sie im einzelnen den Betrag 
von 100 M. nicht übersteigen (§ 29), und auch 
wenn dies der Fall ist, können die Renten 
berechtigten nach vorgängiger sechsmonatiger 
Kündigung die Ablösung der Rente verlangen 
30). Eine Ablösung durch die Rentenbank 
findet nicht statt. Dafür hat die Landschaft 
für die Prov. Westfalen die Ablösung der 
Erbabfindungsrenten unter Ausgabe von 
Pfandbriefen nach näherer Vorschrift des unter 
dem 28. Jan. 1901 Allerhöchst genehmigten 
Aachtrags zu ihrem revidierten Statute vom 
18. Sept. 1899 in die Hand genommen (ogl
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.