Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Gymnasien und andere höhere Schulen. 
hervorragenden Literaturwerken und dadurch 
Einführung in das Geistes- und Kulturleben 
des griech. Altertums; im Französischen für 
das G.: Verständnis der bedeutendsten franz. 
Schriftwerke der letzten drei Jahrhunderte und 
einige Geübtheit im mündlichen und schrift- 
lichen Gebrauch der Sprache; für das Real- 
gymnasium: Verständnis der wichtigeren franz. 
Schriftwerke der letzten drei Jahrhunderte, 
einige Kenntnis der wichtigsten Abschnitte der 
Literatur und RKulturgeschichte des franz. Volkes, 
Ubung im mündlichen und schriftlichen Ge- 
brauch der Sprache; für die Oberrealschule 
dazu: Einsicht in das grammatische System 
der Sprache; in der Geschichte: nach Ort 
und Zeit bestimmte Kenntnis der epochemachen- 
den Ereignisse der Weltgeschichte, insbesondere 
der deutschen und preuß. Geschichte im Zu- 
sammenhange ihrer Ursachen und Wirkungen 
und Entwicklung des geschichtlichen Sinnes; 
in der Erdkunde: verständnisvolles An- 
schauen der umgebenden Natur und der Karten- 
bilder. Kenntnis der physischen Beschaffenheit 
der Erdoberfläche und der räumlichen Ver- 
teilung der Menschen auf ihr, sowie Kenntnis 
der Grundzüge der mathematischen Erdkunde; 
im Rechnen und Mathematik für das G.: 
Sicherheit und Gewandtheit im Rechnen mit 
bestimmten Zahlen, besonders auch im Kopf- 
rechnen und in der Anwendung dieser Fertig- 
keiten auf die gewöhnlichen Verhältnisse des 
bürgerlichen Lebens, Arithmetik bis zur Ent- 
wicklung des Binomischen Lehrsatzes für 
ganze positive Exponenten, Algebra bis zu 
den Gleichungen zweiten Grades einschließ- 
lich, die ebene und Bbörperliche Geometrie 
und die ebene Trigonometrie; der Koordi- 
natenbegriff; einige Grundlehren von den 
Kegelschnitten; im Realgymnasium und der 
Oberrealschule weitere Ziele in der Algebra, 
Geometrie, Analysis usw.; im Zeichnen 
für das G.: Ausbildung im Sehen von 
Formen und Farben und im Darstellen ein- 
facher Gegenstände, in dem fakultativen Unter- 
richt in den oberen Klassen weitere Entwick- 
lung des Formen= und Farbensinns durch 
Wiedergabe von schwieriger darzustellenden 
Aatur= und RKunstformen, Einführung in die 
darstellende Geometrie (letztere umfassender im 
Bealgymnasium und in der Oberrealschule). 
Das Turnen in den Schulen soll die leibliche 
Entwicklung der Jugend fördern, insbesondere 
die Gesundheit stärken, den Körper an eine 
gute Haltung gewöhnen, seine Kraft und Ge- 
wandtheit vermehren und ihn zugleich mit 
Fertigkeiten ausstatten, die für das Leben, 
besonders für den Dienst im vaterländischen 
Heere, von Wert sind. Gleichzeitig soll das 
Turnen der Charakter bilden, indem es Frische 
des Geistes, Vertrauen in die eigene Kraft, 
Entschlossenheit, Mut und Ausdauer fördert 
und zu williger Unterordnung unter die 
Zwecke der Gemeinschaft erzieht. Dieses Ziel 
kann nur erreicht werden, wenn der Turn- 
unterricht auf Grund eines bestimmten Lehr- 
planes so erteilt wird, daß der Ubungsstoff 
in stufenmäßiger Folge und angemessenem 
echsel ein regelmäßiges Fortschreiten aller 
Schüler sichert, diese selbst aber angehalten 
  
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werden, alle Ubungen, namentlich die grund- 
legenden, genau und mit Anspannung aller 
Kräfte in möglichst schöner Haltung auszu- 
führen. Damit ist nicht ausgeschlossen, viel- 
mehr liegt es in der Natur der Sache selbst, 
daß das Turnen mit frischem, fröhlichem Sinne 
betrieben wird und der Jugend die Lust ge- 
währt, welche das Gefühl gesteigerter Kraft, 
erhöhter’ Sicherheit in der Beherrschung und 
dem Gebrauche des Körpers sowie vor allem 
das Bewußtsein jugendlicher Gemeinschaft zu 
edlen Zwecken mit sich führt. Es ist möglichst 
im Freien zu turnen. Betreffs der turnerischen 
Befehlsformen und der Turnsprache überhaupt 
ist der Leitfaden für den Turnunterricht in 
den preuß. Volksschulen von 1895 maßgebend. 
Mithin sind (nach § 12) bei den Ordnungs- 
übungen in militärischer Form die militärischen 
Befehle anzuwenden. In den unteren und 
mittleren Klassen ist das Turnen in Form 
von Gemeinübungen unter unmittelbarer 
Leitung des Lehrers zu betreiben. In den 
oberen Klassen ist Riegenturnen zulässig, wenn 
es möglich ist, durch besondere Anleitung 
tüchtige Vorturner auszubilden. Bei der 
großen Ungleichheit der körperlichen Leistungs- 
fähigkeit gleichnamiger Klassen und bei der 
örtlichen Verschiedenheit in der Abgrenzung 
der einzelnen Turnabteilungen erscheint es 
nicht zweckhmäßig, eine allgemein verbindliche 
Verteilung des Lehrstoffes vorzuschreiben. Für 
die Aufstellung des Lehrplanes bei den ein- 
zelnen Anstalten genügt es hervorzuheben, daß 
in den unteren Klassen Ordnungs= und Frei- 
übungen sowie Ubungen mit Holz= oder leichten 
Eisenstäben neben einfachen Gerätübungen 
vorzugsweise zu pflegen sind, während in den 
oberen Klassen neben Ubungen mit schwereren 
Handgeräten (Eisenstäben, Hanteln usw.) die 
Gerätübungen vorherrschen sollen. Die Ord- 
nungsübungen sind auf die einfacheren Formen 
u beschränken. Bei den Freiübungen sind 
bungsreihen, die das Gedächtnis belasten, 
u vermeiden. Die Pflege einer wohlgeordneten 
urnkür ist zu empfehlen. Auf allen Stufen 
sind Turnspiele in geeigneter Auswahl und 
die sog. volkstümlichen Ubungen des Laufens, 
Werfens, Springens usw. mit allmählicher 
Steigerung der Schwierigkeit vorzunehmen. 
Ofter auszuführende Turnmärsche werden Ge- 
legenheit bieten, die Ausdauer zu erhöhen, 
die Sinne zu üben, namentlich auch zur 
Schätzung von Entfernungen anzuleiten. Die 
Pflege des dem Turnen nahe verwandten 
Schwimmens soll von der Schule stets im Auge 
behalten und nach Möglichkeit gefördert werden. 
Reformschulen sollen in besonderen Fällen 
zugelassen werden (Frankfurter oder Altonger 
System). 
nach Maßgabe der besonderen örtlichen 
Verhältnisse kann neben dem Griechischen ein 
Ersatzunterricht für die an demselben nicht 
teilnehmenden Schüler im Englischen usw. zu- 
gelassen werden (Erl. vom 25. April 1901 — 
ZBl. 469). Auch ist es zulässig, an Ober- 
realschulen latein. Privatunterricht mit dem 
Ziel des Verständnisses leichterer Schriftsteller 
für die drei obersten Jahrgänge einzurichten 
(Erl. vom 20. Juli 1904 — U3Bl. 493).
	        
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