Anerbensitte — Anfechtung von Beschlüssen.
Extrabeil. zum Stück 11 des ABl. der Regie—
rung in Münster vom 14. März 1901, der
Regierungen in Minden und Arnsberg vom
16. Arz 1901 und zum Stück 12 des A#l.
der Regierung in Düsseldorf vom 23. März
1901). Von der hierdurch gebotenen Mäöglich-
keit der Ablösung ist indes bisher noch Bein
Gebrauch gemacht worden. Die Verpflichtung
des Anerben zur nachträglichen Einwerfung
des Voraus in die Erbmasse und das Vor-
kaufsrecht der anerbenberechtigten Miterben
greift nur beim Verkaufe des Anerbenguts
innerhalb 15 Jahren Platz (88 32, 33). Aus
§ 19 der westf. Landgüterordnung vom
30. April 1882 ist die praktisch wichtige Be-
stimmung übernommen, daß die Geschwister
des Anerben bis zu ihrer Großjährigkeit
standesmäßigen Unterhalt auf dem Anerben-
gute gegen standesmäßige, ihren Kräften ent-
sprechende Mitarbeit beanspruchen können. Sie
dürfen jedoch, solange sie den Unterhalt bean-
spruchen, weder das Abfindungskapital noch
Zinsen davon oder Abfindungsrenten ver-
langen (§ 35). Wie nach dem hann. Höfegesetz
kann der Eintritt des A. für den einzelnen
Erbfall nicht nur durch eine letztwillige Ver-
fügung, sondern auch durch eine öffentlich be-
glaubigte Erklärung des Eigentümers ausge-
schlossen werden, die auf Verlangen der Be-
teiligten kostenfrei zu den Grundakten zu
nehmen ist (8 12).
Von den zu dem Gesetz ergangenen Aus-
führungsbestimmungen, durch die u. a. das
vielangefochtene von den Spezialkommissaren
zu führende Anerbengutskataster geschaffen ist,
sind die grundlegenden Erlasse des Mf L. vom
3. Aug. 1898 und des FM. vom 23. Juli 1898
(MBl. 205, 214) hervorzuheben. Auf Grund des
Gesetzes ist im Gebiete des unmittelbaren A.
die Anerbengutseigenschaft bis zum Schlusse des
Jahres 1904 bei 47698 Landgütern eingetragen
worden. Im Gebiete des mittelbaren A. hat
das Gesetz ebensowenig wie vorher die westf.
Landgüterordnung praktische Bedeutung ge-
wonnen, da nur bei 290 Besitzungen die Ein-
tragung der Anerbengutseigenschaft beantragt
ist. Bei insgesamt 375 Besitzungen ist die
Anerbengutseigenschaft wieder gelöscht worden
und für 1734 Güter ist eine Ausschlußerklärung
gemäß § 12 abgegeben (ogl. Anl. I zu der dem
Abgeordnetenhaufe im Sept. 1905 vorgelegten
Dengschrift, betr. Ausführung des westf. An-
erbengesetzes, vom 2. Juli 1898“ — 20. Legis-
aturperiode, II. Sess. 1905/06, Drucks. Ar. 0.
Es erübrigt noch zum Schlusse, gegenüber
en Angriffen auf das A., die es immer wieder
als einen Eingriff in die Dispositionsfreiheit
bas Besitzers hinstellen und unter diesem Ge-
achtspundte bekämpfen, mit besonderem Nach-
** darauf hinzuweisen, daß sowohl das
ittelbare wie das unmittelbare A. die Be-
enie des Besitzers zu Verfügungen unter
urdenden und von Todes wegen vollständig
Mit erührt läßt. Für Verfügungen der letzteren
drücist dies, wie oben erwähnt, überall aus-
Ler lich bestimmt. Für Verfügungen unter
runden ergibt es sich ohne weiteres aus der
ist## gung, daß das A. eben ein Erbrecht
nd daher wie jedes andere Erbrecht nur
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für den Todesfall des Besitzers Normen auf-
stellt. Im westf. A. wird die Verfügungs-
freiheit des Besitzers zu seinen Lebzeiten zum
Überflusse noch besonders hervorgehoben (8 12).
Wenn demgegenüber darauf hingewiesen wird,
daß das Anerbengesetz für Renten= und An-
siedelungsgüter doch wesentliche Beschränkun-
gen enthalte, insofern der Eigentümer des
nerbenguts die Zerteilung des Gutes oder
die Abveräußerung von Teilen desselben, ja
sogar die Veräußerung an einen andern als
an einen seiner Machkommen, Geschwister, deren
Aaschhommen und seinen Ehegatten nur mit
Genehmigung der Generalkommission vor-
nehmen dürfe, so ist dem zu entgegnen, daß
diese Beschränkungen dem A. an sich fremd
sind und nur in der Rentengutsnatur jener
Besitzungen ihren Grund haben.
Anerbensitte. Unter A. versteht man die
im größeren Teile der Monarchie in bäuer-
lichen Kreisen herrschende Gewohnheit, durch
letztwillige Verfügung oder Ubergabevertrag
ein Landgut ungeteilt auf einen von mehreren
Erben oder künftigen Erben zu übertragen.
S. Anerbenrecht.
Anerkannte Religionsgesellschaften. Bom
Staate a. R. sind nach der geschichtlichen Ent-
wicklung einmal die öffentlich aufgenommenen,
bevorrechteten Kirchengesellschaften, nämlich die
evangelische und die Rkatholische Kirche (s. Patent
vom 30. März 1847 — G. 121), sodann die
aufgenommenen konzessionierten Kirchengesell-
schaften, wie die Herrnhuter (Konzession vom
7. Mai 1746; Dove, 3Z. f. KR. 3, 460), die
böhmischen Brüdergemeinden, die Reformierten
niederländischer Konfession (Konzession vom
24. Nov. 1849; Dove a. a. O. S. 359), die Alt-
lutheraner (s. d.) und die niedersächs. Kon-
föderierten (s. d.), endlich die früher sog.
geduldeten Religionsgesellschaften, wie die
Mennoniten (s. d.), die Quäker, die Baptisten
([s. d.), die unierten Griechen, die Anglikaner
([. G. vom 14. Juli 1863, betr. die Religions-
übung der Reformierten, Katholiken, Menno-
niten, Anglikaner und Baptisten im Herzog-
tum Holstein — Holst. Ges.= u. MBl. 163)
und die Juden (s. d.). Nach Art. 13 der
Vll. vom 31. Jan. 1850 hönnen Religions-
gesellschaften die Korporationsrechte nur durch
Gesetz erlangen. Diese WMöglichkeit ist für
Mennoniten durch das G. vom 12. Juni
1874 (GS. 238), für Baptisten durch das G.
vom 7. Juli 1875 (GS. 374) gegeben. Im
übrigen ist für die Bildung einer Religions=
gesellschaft eine staatliche Genehmigung nach
Erlaß der Verfassungsurkunde nicht mehr er-
forderlich, es finden vielmehr lediglich die Vor-
schriften des Vereinsgesetzes vom 11. März 1850
Anwendung; auch ist zur Errichtung gottes-
dienstlicher Gebäude für nicht privilegierte Reli-
gionsgesellschaften eine staatliche Senehmigung
nicht erforderlich (OV. 37, 439). Sie dürfen
diese Gebäude aber auch nicht Kirchen nennen
(OVS. in Z. f. K R. 35, 413).
Anfechtung von Beschlüssen. In wesent-
licher Ubereinstimmung mit dem Organisations-
esetze vom 26. Juli 1880 (GS. 291) läßt das
VS. im § 126 eine A. endgültiger, d. i. im
abstrahten Sinne endgültiger, nicht dadurch,