Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Handelskammern. 
bestätigtes Statut eine mit weitgehender Selbst- 
verwaltung verbundene Verfassung gegeben 
war. Nachdem zuerst auf Grund eines im 
Jahre 1841 an den FM.. erlassenen Befehls 
einige H. errichtet waren, wurde die weitere 
Entwicklung durch die Allerh V. vom 11. Febr. 
1848 (GS. 63) veranlaßt, auf Grund deren 
33 H. errichtet wurden. Da in mehreren der 
im Jahre 1866 neuerworbenen Landesteile 
Bestimmungen über H. fehlten, und auch die 
bisherige Verfassung der in den älteren Pro- 
vinzen bestehenden H. sich als reformbedürftig 
erwies, so wurde eine einheitliche Regelung 
der Verhältnisse der H. für den Umfang des 
Hanzen Staatsgebietes in die Wege geleitet. 
as G. über die H. vom 24. Febr. 1870 (HS. 134) 
wurde zunächst durch 3G., Tit. XVII in einigen 
Punkten abgeändert und schließlich am 19. Aug. 
1897 (GS. 343) einer durchgreifenden Revision 
unterzogen. Durch G. vom 2. Juni 1902 (GS. 
161) wurde dem § 44 ein neuer Absatz angefügt, 
wodurch die Degiegung zwischen der an einem 
Orte bestehenden H. und haufmännischen Kor- 
porationen gertgeit wurden. Die H. gehören 
zu den im A#L. I, 10 § 69 erwähnten, 
dem Staate untergeordneten Korporationen 
(OV. 16, 154; 19, 62). Sie sind zur Zahlung 
des Kostenpauschquantums im Verwaltungs- 
streitverfahren nicht verpflichtet (O.. 12, 355). 
Ihre Schreiben gehen unter der Bezeichnung 
„Portopflichtige Dienstsache" (Erl. vom 12. Febr. 
1804 — HWBl. 28). Ein Verzeichnis der in 
Preußen bestehenden H. ist im HMl. 1906, 
109 abgedruchkt. 
II. Aufgaben. Die H. haben die Gesamt- 
interessen der Handel= und Gewerbetreibenden 
ihres Bezirks wahrzunehmen, insbesondere die 
Behörden in der Förderung des Handels und 
der Gewerbe durch tatsächliche Mitteilungen, 
Anträge und Erstattung von Gutachten zu 
unterstützen (§6 1). Zur Erstattung von Gut- 
achten an Privatpersonen sind sie nicht ver- 
pflichtet (Erl. vom 17. Jan. 1902 — SMBl. 
43). Die H. sind befugt, Anstalten, Anlagen 
und Einrichtungen, die die Förderung von 
Handel und Gewerbe, sowie die technische und 
geschäftliche Ausbildung, die Erziehung und 
den sittlichen Schutz der darin beschäftigten 
Gehilfen und Lehrlinge bezwecken, zu begrün- 
den, zu unterhalten und zu unterstützen (8 38). 
Sie nehmen an der Wahl von Mitgliedern 
der Bezirkseisenbahnräte nach G. vom 1. Juni 
1882 (GS. 313) teil (s. Eisenbahnbeiräte) 
und erteilen die Ermächtigung nach A. z. 
BE#. vom 20. Sept. 1899 (GS. 177) Art. 13 an 
Handelsmakler (s. d.) zur Vornahme öffentlicher 
Verhäufe. Bei Bestimmung des Begriffs 
„Kleingewerbe“" im Sinne des HEB. 8 4 
Abs. 3 und über die Abgrenzung der Gemein- 
den für das Firmenrecht nach H#B. 8 30 
Abs. 4 haben sie sich gutachtlich zu äußern. 
Die Wahlen von Handelsrichtern erfolgen auf 
utachtlichen Vorschlag der H. nach Gb. 
112 (Röl. 1898, 371). S. dazu Erl. vom 
10. Dez. 1903 (0HM Bl. 391), vom 16. März 1904 
HAVBlI. 81), vom 11. März und 15. April 1905 
Ml.. 59, 91, 114). Die H. sind ver- 
pflichtet, die Registerbehörden auf Unrichtig- 
hkeiten und Lüchken im Handelsregister (s. d.) 
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aufmerksam zu machen (FS. 8 126) und 
unter Umständen Revisoren zur Prüfung des 
Hergangs, der Gründung einer Ahtiengesell- 
schaft zu bestellen (5GB. 88 192—194). Die 
haben bis Ende Juni dem SM. einen 
Jahresbericht zu erstatten und diesen durch 
Druck vervielfältigen zu lassen (s. Erl. vom 
26. Okt. 1901 — HMil. 290); von ihren Be- 
ratungsprotokollen und summarisch von den 
Einnahmen und Ausgaben haben sie den 
Handel= und Gewerbetreibenden ihres Bezirks 
fortlaufend Kenntnis zu geben. Börsen (s. d.) 
stehen unter ihrer Aufsicht. Die H. können 
Dispacheure (l. d.) und selbständige Gewerbe- 
treibende der in der GewO. 8 36 bezeichneten 
Art mit Ausnahme der Auktionatoren (s. d.) 
beeidigen und öffentlich anstellen (s. Beeidi- 
gung und öffentliche Anstellung von 
Gewerbetreibenden). Die Form des Eides 
ist durch Erl. vom 29. Sept. 1897 und vom 
29. März 1900 vom HM. vorgeschrieben. Der H. 
liegt die Ausstellung von Ursprungszeugnissen 
und anderer dem Handelsverkehre dienenden 
Bescheinigungen ob (6§ 39—42 a. a. O.). 
III. Errichtung, Beaufsichtigung, Auf- 
lösung. Die Errichtung einer H. unterliegt 
der Genehmigung des HM. Bei Erteilung 
der Genehmigung wird zugleich über die Zahl 
der Mitglieder und, wenn die Errichtung für 
einen über mehrere Orte sich erstrechenden Be- 
zirk erfolgt, über den Sitz der H. Bestimmung 
getroffen. Die Aufsicht führt der HM., auf 
dessen Antrag die H. durch Beschluß des St M. 
aufgelöst werden kann (8§8 2, 43). 
IV. Wahl der Mitglieder. 1. Wahl- 
berechtigung. Wahlberechtigt sind nach § 3, 
sofern sie zur Gewerbesteuer (s. d.) veranlagt 
sind — es sei denn, daß das Wahlrecht durch 
Statut mit Genehmigung des HM. von einem 
bestimmten Satze der Gewerbesteuer abhängig 
emacht ist (6 4 a. a. O.) —: a) diejenigen 
aufleute (natürliche und juristische Personen), 
welche als Inhaber einer Firma in einem der 
für den Bezirk der H. geführten Handels- 
register eingetragen stehen. Ist die Eintragung 
zu Unrecht unterblieben, so besteht das Wahl- 
recht nicht (OV. 41, 337). Ob der Eingetra- 
gene Kaufmann ist, hat die H. zu prüfen. Der 
Nachweis der Eigenschaft als Kaufmann kann 
nicht durch Bezugnahme auf H#. § 5 geführt 
werden (OV. 41, 341); b) diejenigen ein 
Handelsgewerbe treibenden Gesellschaften und 
Genossenschaften, die in einem Handels= oder 
Genossenschaftsregister des Bezirks der H. ein- 
etragen stehen; c) die im Bezirke der H. den 
Vergsau betreibenden Alleineigentümer oder 
Pächter eines Bergwerks, Gewerkschaften oder 
Gesellschaften, auch wenn sie nicht im Handels- 
oder Genossenschaftsregister eingetragen stehen; 
d) die Besitzer von im Bezirke der H. belege- 
nen Betriebsstätten, welche zu einem außerhalb 
dieses Bezirks bestehenden, im Handelsregister 
eingetragenen Unternehmen gehören, auch wenn 
die Betriebsstätten nicht im Handelsregister 
eingetragen sind, sofern dieselben nach Art 
und Umfang einen in kaufmännischer Weise 
eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordern (OV. 
39, 302). Bom Wahlrecht ausgeschlossen sind 
Reichs= und Staatsbetriebe, land- und forst-
	        
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