Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Handwerkskammern. 
der Durchführung der für das Lehrlings- 
wesen geltenden Vorschriften; 3. die Unter- 
stützung der Staats= und Gemeindebehörden 
in der Förderung des Handwerkes durch 
tatsächliche Mitteilungen und Erstattung von 
Gutachten über Fragen, welche das Hand- 
werk berühren; 4. die Beratung und Vertre- 
tung von Wünschen und Anträgen über Ver- 
hältnisse des Handwerks und Erstattung von 
Jahresberichten. Die Anträge und Eingaben 
an Zentralbehörden sind durch Vermittlung 
der Aufssichtsbehörde einzureichen. Die Jahres- 
berichte sind dem OM. in acht und dem Reichs- 
amte des Innern in einem Exemplar einzu- 
reichen (Ausf Anw. z. Gew O. vom 1. Mai 1904 
— HM. 123 — Ziff. 119); 5. die Bildung von 
Prüfungsausschüssen zur Abnahme der Ge- 
sellenprüfung (s. d.); 6. die Bildung von Aus- 
schüssen zur Entscheidung über Beanstandungen 
von Beschlüssen der Prüfungsausschüsse (s. Ge- 
sellenprüfung). Außerdem hat die H. beim 
Erlaß der Prbsungsordnung für die Gesellen- 
prüfung und bei der Errichtung der Prüfungs- 
kommissionen für die Meisterprüfung (s. Mei- 
stertitel) mitzuwirken. Auch erläßt sie mit 
Zustimmung des ÖM. die näheren Bestim- 
mungen über das Verfahren vor den Meister- 
prüfungskommissionen, den Gang der Meister- 
prüfung und die Höhe der Prüfungsgebühren 
der Meisterprüfung. Wegen der Wahlberechti- 
gung für die Bezirkseisenbahnräte s. Eisen- 
bahnbeiräte. 
II. Errichtung, Statut. Die Errichtung 
der H. erfolgt durch Verfügung des Hl., der 
auch die Bezirke abändern kann. Mehrere 
Bundesstaaten können sich zur Errichtung ge- 
meinsamer H. vereinigen (Gew. 8 103). Für 
jede H. hat der HM. ein Statut erlassen, das 
über die im § 103 m bezeichneten Gegenstände 
Bestimmung treffen muß. Uber Abänderungen 
des Statuts beschließt die H. Der Beschluß 
bedarf der Genehmigung des OM. In Preußen 
besteht in der Regel für jeden Begierungs-= 
bezirt eine H. Je zwei H. bestehen für den 
Reg.-Bez. Arnsberg in Arnsberg und Dort- 
mund, und für den Reg.-Bez. Schleswig in 
Altona und Flensburg. Eine H. besteht für 
Berlin und Brandenburg und für die Prov. 
Westpreußen. 
III. Wahl der Mitglieder. Die Mitglie- 
der und ihre Ersatzmänner, die in Behinde- 
rungsfällen und im Falle des Ausscheidens 
eines Mitgliedes für den Rest der Wahlperiode 
einzutreten haben, werden in der im Statute 
festgesetzten Anzahl einerseits von den Hand- 
werkerinnungen (das sind freie oder Zwangs- 
innungen, die mindestens zur Hälfte aus Hand- 
werkern bestehen), die ihren Sitz im Bezirke 
der H. haben, andererseits von Gewerbever- 
einen und Handwerkervereinigungen (s. d.), die 
ihren Sitz im Bezirke der H. haben, gewählt. 
Witglieder der Gewerbevereine und Hand- 
werkervereinigungen, die einer freien oder 
Zwangsinnung angehören oder nicht Hand- 
werker sind, dürfen weder wählen noch ge- 
wählt werden. Die Verteilung der Mitglieder 
der H. auf die Innungen und Handwerker- 
vereinigungen erfolgt durch die vom M er- 
lassene Wahlordnung (s. auch AusfAnw. 3. Gew. 
  
793 
Ziff. 118 Abs. 4). Wählbar sind nur solche 
Handwerker, welche zum Amt eines Schöffen 
fähig sind (GVe. 8§8§ 31, 32), das dreißigste 
Lebensjahr zurückgelegt haben, im Bezirke 
der H. ein Handwerk mindestens seit drei 
Jahren selbständig betreiben und die Befugnis 
Lr Anleitung von Lehrlingen (s. d.) besitzen. 
ie von den Innungen gewählten Handwerker 
müssen Mitglieder einer Innung, die von den 
Gewerbevereinen usw. gewählten Handwerker 
müssen Mitglieder eines Gewerbevereines usw. 
und dürfen nicht Mitglieder einer Innung 
sein. Demnach scheiden die zuerst genannten 
Handwerker aus, wenn durch Auflösung der 
Innung oder aus anderen Gründen ihre Mit- 
gliedschaft zur Innung verloren geht, während 
die zuletzt genannten Handwerker durch den 
Beitritt zu einer Innung der Mitgliedschaft 
zur H. verlustig gehen. Auch wenn die übrigen 
oraussetzungen der Wählbartkeit fortfallen, 
müssen die Mitglieder ausscheiden; im Falle 
der Weigerung hat die Aussichtsbehörde nach 
Anhörung des Beteiligten und der H. die Ent- 
hebung vom Amte herbeizuführen; gegen die 
Verfügung ist die Beschwerde zulässig (Gew. 
§8 94 b, 103 c)h. Die Wahlen zu den H. und 
ihren Organen erfolgen auf sechs Jahre. Alle 
drei Jahre scheidet die Hälfte der Gewählten 
aus; eine Wiederwahl ist zulässig. Beschwerden 
gegen die Rechtsgüctigben der Wahlen sind 
nur binnen vier Wochen nach der Wahl zu- 
lässig. Die Aufsichtsbehörde hat auf erhobene 
Beschwerde Wahlen, die gegen das Gesetz oder 
die Wahlordnung verstoßen, für ungültig zu 
erklären. Die Annahme der Wahl kann nur 
aus Gründen verweigert werden, aus denen 
die Wahl zu einem Gemeindeamt's. Gemeinde- 
[Kommunal-lämter) abgelehnt werden kann. 
Ablehnungsgründe sind nur zu berüchsichtigen, 
wenn sie binnen zwei Wochen, nachdem der 
Gewählte von seiner Wahl in Kenntnis gesetzt 
ist, schriftlich geltend gemacht werden. Uber den 
Ablehnungsantrag entscheidet die Aufsichts- 
behörde endgültig (Gew O. 88§ 103b, 103c). Die 
H. kann sich nach näherer Bestimmung des Sta- 
tuts bis zu einem Fünftel ihrer Mitgliederzahl 
durch Zuwahl von sachverständigen Personen 
ergänzen und zu ihren Verhandlungen Sach- 
verständige mit beratender Stimme zuziehen. 
IV. Organe der H. sind der Vorstand, die 
Gesamtheit der H. (Vollversammlung) und der 
Gesellenausschuß (s. d.). Die H. ist nach GewO. 
§§ 103 d Abs. 2 berechtigt, aus ihrer Mitte 
Ausschüsse zu bilden und mit besonderen regel- 
mäßigen oder vorübergehenden Aufgaben zu 
betrauen. Ein Ausschuß zur Entscheidung 
über Beanstandungen von Beschlüssen der Prü- 
fungsausschüsse (s. Gesellenprüfung) muß 
ebildet werden (GewO. § 103e Abs. 1 Ziff. 6, 
132). Die Mitglieder der Organe verwalten 
ihr Amt als Ehrenamt unentgeltlich, doch kann 
ihnen nach näherer Bestimmung des Statutes 
Ersatz barer Auslagen und eine Entschädigung 
für Zeitversäumnis gewährt werden (GewO. 
§ 103 b Abs. 2, § 94 a Abs. 1). Der Vorstand 
wird von der H. aus ihrer Mitte gewählt. Er 
hat die laufende Verwaltung nach Bestimmung 
des Statutes und vertritt die H. gerichtlich 
und außergerichtlich (Gew O. § 103 g Abf. 1, 2,
	        
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