Hausiergewerbe — Hausiergewerbe (Besteuerung).
Hausiergewerbe s. Gewerbebetrieb im
Umherziehen.
Hausiergewerbe (Besteuerung); Hausier-
steuer. I. Begriff und Geschichte. Mit
der Real (Ertrags-, Objekt-) steuer vom Ge-
werbebetrieb im Umherziehen pflegen neben
steuerpolitischen vorzugsweise gewerbepolitische
und polizeiliche Zwecke verfolgt zu werden;
sie soll mit dazu dienen, eine im Interesse des
stehenden Gewerbes und der Konsumenten so-
wie aus polizeilichen Gründen unerwünschte
übermäßige Ausdehnung des Hausiergewerbes
hintanzuhalten. Deshalb und mit Rüchksicht auf
die Eigenart des Gewerbes ist die Hausier-
gewerbesteuer in den meisten Staaten ab-
weichend von der Steuer vom stehenden Ge-
werbe geregelt. In Preußen erfolgte zwar bis
1876 die Besteuerung des Hausiergewerbes nach
demselben G. vom 30. Mai 1820 (GS. 147) wie
die des stehenden, und zwar in Klasse L, aber
nach völlig andern Grundsätzen: für Klasse 1,
allein war die früher allgemeine Verpflichtung
zur Lösung eines Gewerbescheines beibehalten,
dessen regelmäßiger, im voraus für das ganze
Jahr zu entrichtender Preis 36 M. war. Das
durch Kab O. vom 21. Mai 1824 (GS. 125) mit
Gesetzeskraft ausgestattete „Regul. über den
Gewerbebetrieb im Umherziehen, und insbe-
sondere das Hausieren“ vom 28. April 1824
war nur eine Deklaration des G. vom 30. Mai
1820, und auch die KabO. vom 6. Okt. 1829
(GS. 1830, 1), vom 12. Febr. 1831 (GS. 5),
vom 30. Juni 1833 (GS. 81) und vom 14. Okt.
1833 (GS. 126) sowie das durch KabO. vom
31. Dez. 1836 (GS. 1837, 13) genehmigte neue
Hausiersteuerregulativ vom 4. Dez. 1836 brachten
nur einzelne Anderungen. as G. vom
19. Juli 1861 (GS. 697) § 20 erhöhte den MAor-
malsatz von 36 auf 48 M. Eine Aeuregelung
unter auch äußerlicher Loslösung von der Ge-
werbesteuer vom stehenden Gewerbe erfolgte
durch das G. vom 3. Juli 1876 (G. 427),
das, in einzelnen Bestimmungen abgeändert
durch G. vom 23. Dez. 1896 (GS. 273), noch
gegenwärtig, und zwar auch für die Hohen-
zollernschen Lande, gilt, und zu dem vom FM.
die jetzt geltende AusfAnw. unterm 27. Aug.
1896 erlassen ist.
II. Die Steuer vom Gewerbebetrieb
im Umherziehen nach dem G. vom 3. Juli
1876. A. Steuerpflicht. Der Steuer unter-
liegt, wer außerhalb seines Wohnorts, ohne
Begründung einer gewerblichen Aiederlassung
und ohne vorgängige Bestellung in eigener
Person 1. Waren feilbieten, 2. Waren bei an-
dern Personen als bei Kaufleuten oder an
andern Orten als in offenen Verkaufsstellen
zum Wiederverkauf ankaufen, 3. ohne vor-
gängige ausdrückliche Aufforderung Waren-
bestellungen bei andern Personen als bei Kauf-
leuten in deren Geschäftsräumen oder bei
solchen Personen, in deren Geschäftsbetriebe
Waren der angebotenen Art Verwendung fin-
den, aufsuchen, 4. gewerbliche oder künstle-
rische Leistungen oder Schaustellungen, bei
welchen ein höheres wissenschaftliches oder
Kunstinteresse nicht obwaltet, feilbieten will.
Ausgenommen sind a) Feilbieten von selbst-
gewonnenen Erzeugnissen der Land= und Forst-
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wirtschaft, des Garten= und Obstbaus, der
Jagd und des Fischfangs; b) das Aufsuchen
von Warenbestellungen und der Warenauf-
kauf durch Personen, die ein stehendes Ge-
werbe betreiben, und durch deren Reisende
unter denselben Voraussetzungen, unter denen
sie keinen Wandergewerbeschein bedürfen ((.
Gewerbebetrieb im Umherziehen Il#;
c) der vorstehend unter Ziff. 1—3 bezeichnete
Gewerbebetrieb, wenn er ausschließlich im Meß-
und MAlarktverkehr ausgeübt wird; d) das vom
Schiff aus erfolgende Feilbieten zu Wasser ver-
fahrener, selbstverfertigter Waren, hinsichtlich
deren dies Landesgebrauch ist; e) das von der
Behörde gestattete Feilbieten von Waren bei
öffentlichen Festen, Truppenzusammenziehungen
und andern außergewöhnlichen Gelegenheiten;
f) im Umkreis von 15 km vom Wohnort a. das
Feilbieten selbstverfertigter Gegenstände des
Wochenmarktverkehrs, 6. das Anbieten ge-
werblicher Leistungen, hinsichtlich deren dies
Landesbrauch ist, y. die Ausübung des Mu-
sikergewerbes; g) Warenaufkauf, Feilbieten
von Waren oder Leistungen und Aufsuchen
von Warenbestellungen außerhalb des Wohn-
orts, aber innerhalb des Gemeindebezirks
und der etwa durch besondere Anordnung der
Regierung diesem Gemeindebezirk in dieser
Hinsicht gleichgestellten Umgebung desselben.
Auf Reichsausländer finden, sofern nicht durch
Verträge oder Vereinbarungen oder Anord-
nungen des NMl. etwas anderes bestimmt ist,
die unter à und b aufgeführten Befreiungen
keine Anwendung; sie sind aber steuerfrei
wegen allen Handels auf Messen und Jahr-
märkten, wegen des Feilbietens von Verzeh-
rungsgegenständen, welche zu den Gegen-
ständen des Wochenmarktverkehrs gehören,
wegen des Warenankaufs auf Wochenmärkten
und auf Grund besonderer Erlaubnis der
Regierung wegen des Feilbietens zu den
Gegenständen des Wochenmarktverkehrs ge-
höriger selbstgewonnener Erzeugnisse und selbst-
verfertigter Waren innerhalb eines nicht übe#
15 km von der Grenze zu erstrechenden Be-
zirus. Zwischen der Hausiersteuerpflicht und
der Wandergewerbescheinpflicht nach der GewO.
bestehen daher — abgesehen von den Aus-
ländern — nur folgende Verschiedenheiten:
der erstern, nicht der letztern unterliegt das
Feilbieten nicht selbstgewonnener roher Erzeug-
nisse der Land= und Forstwirtschaft, des Garten-
und Obstbaus, der Geflügel= und Bienenzucht;
nur der letzteren, nicht der ersteren ist unterworfen
das Feilbieten von nicht zu den rohen zu
rechnenden selbstgewonnenen Erzeugnissen der
Land= und Forstwirtschaft und die Ausübung
des Musikergewerbes im Umkreise von 15 km
um den Wohnort. Alle nicht der H. unter-
liegenden Arten der Ausübung des Gewerbe-
betriebes außerhalb des Wohnorts und ohne
Begründung einer gewerblichen NMiederlassung
werden hinsichtlich der Besteuerung dem stehen-
den Gewerbe zugerechnet. Umgekehrt unter-
liegt ein hausiersteuerpflichtiges Gewerbe, wenn
es auch am Wohnort ohne Begründung einer
gewerblichen Niederlassung vorübergehend aus-
geübt wird, dieserhalb nicht der Steuer vom
stehenden Gewerbe (G. von 1876 §8 1—5; G.