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dere bei Standesämtern, Kirchenbuchführern,
Grundbuchämtern, selbständig Anträge zu
stellen, denen diese nachzukommen haben (vgl.
KG. im JMBl. 1903, 12ff., s. jedoch hierzu
auch KGJ. 27 C 69). Zu den sog. Bechts-
sachen gehört auch die Beurteilung bezüg—
lich eines durch Nichtgebrauch „verdunkelten“
Adels (ALR. II. 9 8§ 95 und Anh. 8§ 120),
dessen Wiederannahme der Entscheidung des
H. und des Hausministeriums unterliegt (KG##.
23 A 192 ff.). Zur Aufstellung einer Adels-
matrikel, wie sie in anderen Ländern geführt
wird, ist es in Preußen bisher nicht gekom-
men (s. auch Adel).
Herrenhaus. I. In der Vl. vom 31. Jan.
1850 waren zwei Kammern vorgesehen, von
denen auch die erste Kammer zum Teil aus
gewählten Mitgliedern bestehen sollte. Die be-
treffenden, in Art. 65—68 enthaltenen Bestim-
mungen sind durch das G., betr. die Bildung
der ersten Kammer, vom 7. Mai 1853 (GS.
181) aufgehoben worden. An Stelle derselben
bestimmt dieses Gesetz, daß die erste Kammer
durch kgl. Anordnung gebildet und die Kammer
aus Mitgliedern zusammengesetzt werden solle,
welche der König mit erblicher Berechtigung
oder auf Lebenszeit beruft. Zur Ausführung
des G. vom 7. Mai 1853 ist die V. vom 12. Okt.
1854 (GS. 541) ergangen. Ob dieselbe als ein
integrierender Teil der Verfassung anzusehen
ist, wird verschieden beantwortet. Aach dem
Wortlaut des Art. 2 des G. vom 7. Mai 1853
ist dies nicht anzunehmen.
II. Nach dem Gesetz und der Verordnung
erlangen die Mitglieder das BRecht auf Sitz
und Stimme in der ersten Kammer, welcher
durch das G. vom 30. Mai 1855 (GS. 316)
der Name „Herrenhaus“ beigelegt worden ist,
nur durch die Berufung. In bezug auf legtere
sind der Krone, soweit es sich nicht um Mit-
glieder mit erblicher Berechtigung handelt, Be-
schränkungen nicht auferlegt. Auch das Prä-
sentationsrecht, welches gewissen Verbänden
und Korporationen eingeräumt worden ist, hat
daher nur die Natur eines Vorschlagsrechts.
III. Aach der V. vom 12. Okt. 1854 besteht
das H. 1. aus den vom Könige berufenen groß-
jährigen kagl. Prinzen (eine solche Berufung
hat bisher nicht stattgefunden); 2. aus Mit-
gliedern, welche mit erblicher Berechtigung;
3. aus Mitgliedern, welche vom Könige auf
Lebenszeit berufen werden. Erbberechtigt sind
(§ 2) a) das Fürstl. Haus Hohenzollern, b) die
vormals reichsunmittelbaren Häuser in Preußen
(22), c) die zur Herrenkurie des Vereinigten Land-
tages gehörig gewesenen Fürsten, Grafen und
Herren (52) undch diejenigen, welchen das erb-
liche Recht auf Sitz und Stimme im H. be-
sonders verliehen worden ist (39) — insgesamt
nach dem Stande vom 23. Jan. 1906 114 Mit-
glieder. Auf Lebenszeit werden berufen (88 3, 4)
a) die von den Domstiftern Brandenburg,
Raumburg und Merseburg (3); den Grafenver-
bänden der älteren Provinzen (8); den damit
beliehenen Verbänden hervorragender Fami-
lien (16); den Verbänden des alten und be-
festigten Grundbesitzes (90; s. d.); den Landes-
universitäten (10); den damit beliehenen Städten
(49) dem Könige Präsentierten (insgesamt 176
Herrenhaus — Heuervertrag.
Mitglieder); b) die Inhaber der vier großen
Landesämter im Königr. Preußen (s. Landes-
ämter); c) einzelne Personen aus besonderem
kgl. Vertrauen (zurzeit 60). Das H. besteht
danach gegenwärtig aus 354 Mlitgliedern, von
denen jedoch die Stimmen von 43 ruhen.
IV. Das Recht auf Sitz und Stimme im H.
kann nur von preuß. Untertanen ausgeübt
werden, welche 30 Jahre alt sind, sich im Voll-
besitz der bürgerlichen Rechte befinden, ihren
Wohnsitz in Preußen haben und nicht im
aktiven Dienst eines außerdeutschen Staates
stehen (6 7). Die Mitgliedschaft des H. erlischt
bei den Präsentierten mit dem Verlust der
Eigenschaft, in welcher die Präsentation erfolgt
ist (§ 8); bei erblich Berechtigten mit dem Ver-
lust des Grundbesitzes, auf welchem die Erb-
berechtigung ruht, bei allen Mitgliedern —
neben der Aberkennung der bürgerlichen Ehren-
rechte, Entziehung der politischen Rechte durch
strafgerichtliches Erkenntnis und Verlust der
preuß. Untertanenschaft —, wenn das H. durch
einen vom Könige bestätigten Beschluß einem
Mitgliede das Anerkenntnis unverletzter Ehren-
haftigkeit oder eines der Würde des H. ent-
sprechenden Lebenswandels versagt (§ 9). Auch
kann mit kgal. Genehmigung das H. mit Rück-
sicht auf eine eingeleitete Untersuchung oder
aus sonst wichtigen Gründen die Ausübung
des Rechts auf Sitz und Stimme zeitweise
untersagen (§ 10). Die Mitgliedschaft ruht,
wenn die übrigen Voraussetzungen — Wohn-
sitz in Preußen; kein außerdeutscher Staats-
dienst; Vollbesitz der bürgerlichen Rechte —
nicht erfüllt werden. Ob auf die Mitglied-
schaft des H. verzichtet werden kann, ist be-
stritten. Das H. (Ber. der Matrikelkommission
vom 18. Alärz 1903) steht auf dem Standpunkt,
daß dies nur ganz ausnahmsweise und auch
dann nur mit Zustimmung des H. selbst und
der Krone geschehen könne. Die Zulässigkeit
des Verzichts wird indessen allgemein bei Ver-
tretern von Korporationen und Verbänden
anzunehmen sein, da zur Ausübung der Mit-
gliedschaft des H. ein Zwang nicht besteht und
daher leicht der Fall eintreten könnte, daß die
Berechtigten dauernd ohne Vertretung bleiben.
V. Zur Beschlußfähigkeit des H. genügt die
Anwesenheit von 60 Mitgliedern (G. vom
30. Mai 1855 — GS. 316 — 8 2). Tagegelder
und Reisekosten erhalten die Mitglieder nicht,
jedoch freie Fahrt auf den preuß. Staatsbahnen
während der Session. Wegen der verfassungs-
mäßigen Stellung des H., sowie der Bechte
seiner Mitglieder s. unter Verfassung VIj;
wegen der Präsentationswahlen in den Grafen-
verbänden und den Verbänden des alten und
befestigten Grundbesitzes s. Grundbefsfitz.
Das daselbst erwähnte Regl. über das Ver-
fahren bei den ständischen Wahlen vom 22. Juni
1842 (GS. 213) findet auch auf die Wahlen
der Universitäten und Städte Anwendung.
Herrnhuter Brüdergemeinden s. Aner-
kannte Religionsgesellschaften.
Heuervertrag ist der Dienstvertrag, den
der Schiffer (s. d.) namens des Reeders (s. d.)
mit der Schiffsmannschaft (s. d.) abschließt.
Die Gültigkeit des H. ist durch Schriftlichkeit
und die Anmusterung nicht bedingt. Jedoch