Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

814 Hilfsbedürftige 
u erzwingen, ferner als Disziplinarstrafen 
arnungen, dem Oberstaatsanwalt auch Ver- 
weise und Geldstrafen bis zu 30 Ml., zu ver- 
hängen (AG. z. GBG. — GS. 230 — 8Ss8 80, 
81 Ziff. 1; G. vom 9. April 1879 — GS. 345 
— § 16). Von dieser Befugnis zur Festsetzung 
von Ordnungs= und Disziplinarstrafen soll 
aber erst Gebrauch gemacht werden, nachdem 
die den Hilfsbeamten im Hauptamte vorge- 
setzten Behörden vergeblich um Abhilfe ersucht 
worden sind (Vf. vom 7. Okt. 1879 — AMBi. 
1880, 2). Der Zweck der Einrichtung ist, für 
die Strafverfolgung eine engere Verbindung 
zwischen der Staatsanwaltschaft und der Polizei 
zu schaffen und durch die hierbei hergestellte 
nterordnung jene zu Anweisungen, nicht nur 
zu bloßen Ersuchen, zu ermächtigen. Bei Ge- 
fahr im Verzuge sind die H. befugt, Beschlag- 
nahmen und Durchsuchungen ohne vorherge- 
gangene richterliche Anordnung vorzunehmen 
(St PO. 8§8§ 98, 105). Im übrigen nehmen sie 
keine besondere Stellung ein; es müssen da- 
her Strafanträge hinsichtlich der Handlungen, 
deren Verfolgung nur auf Antrag eintritt 
(. Antrag bei strafbaren Handlungen), 
bei den H. ebenso wie bei allen anderen Polizei- 
beamten schriftlich, nicht zu Protokoll, ange- 
bracht werden (St PO. 8 156). 
Hilfsbedürftige im armenrechtlichen Sinne 
s. Armenunterstützung I. 
Hilfsfonds (landeskirchlicher) ist ein für 
die ev. Landeskirche der ältern Provinzen 
durch KirchG. vom 16. Aug. 1898 (KGVGl. 144) 
begründeter, durch KirchG. vom 24. April 1904 
(&VBl. 15) erweiterter, von dem Ev. Ober- 
kirchenrat auf Grund von in Gemeinschaft 
mit dem Generalsynodalvorstand festgestellten 
Regulativen verwalteter Fonds, welcher durch 
eine jährliche Umlage von 1 bzw. 1/1% der 
von den Angehörigen der ev. Landeskirche zu 
zahlenden Einkommensteuer dotiert wird (8 1, 
bzw. Art. 1 § 1 dess. Gesetzes). Ursprünglich 
zur Gewährung einmaliger und fortlaufen- 
der Beihilfen behufs Dotierung neuer geist- 
licher Stellen, und behufs notwendiger Aeu--, 
Erweiterungs= und Umbauten von Kirchen 
oder Pfarrhäusern an bedürftige Gemeinden, 
sowie zur Dechung von Ausgaben, welche zur 
Durchführung des Anstellungsgesetzes vom 
15. Aug. 1898 (KG VBl. 137) seitens der Landes- 
kirche zu bestreiten sind (KirchG. vom 16. Aug. 
1898 § 2) bestimmt, ist durch Art. 1 § 1 Kircho#. 
vom 24. April 1904 diesen Zwechbestimmungen 
die Fürsorge für die sozialen Aufgaben der 
Kirche hinzugetreten. Dementsprechend ist der 
JFonds, und zwar mit dem durch das erwähnte 
Gesetz neu hinzugetretenen 1/4% der Staats- 
einkommensteuer, auch zur Verstärkung der 
seelsorgerischen Kräfte in den Großstädten und 
Industriebezirken durch Bestellung von Geist- 
lichen und anderweiten Helfern in besonders 
  
bedrohten Kirchengemeinden, sowie zur Förde- 
rung von kirchlichen Veranstaltungen, welche 
Gemeinden, Geistliche und solche, die sich auf 
das geistliche Amt vorbereiten, in die Kenntnis 
und das Verständnis der sozialen Aufgaben 
und des Anteils der Kirche an ihrer Lösung 
einzuführen geeignet sind, zu verwenden. — 
Die aus dem ursprünglichen Hilfsfonds (1% 
  
  
  
— Hilfskassen. 
der Staatseinkommensteuer) in einem Rech- 
nungsjahre nicht verausgabten Beträge Rkönnen 
zur Dotierung neuer Stellen und Bauten auch 
in der Form der Gewährung allmählich zu 
tilgender Darlehne (Kirch G. vom 16. Aug. 1898 
83) Verwendung finden; auch können dieselben 
nach Art. II RirchG. vom 24. April 1904 zu 
gewissen anderweiten Zwecken (darunter Ver- 
stärtung der Mittel des Hilfsgeistlichenfonds, 
KirchG. vom 18. Febr. 1895 — KBl. 13), 
Gewährung von Stipendien an Lehrvikare 
usw.) verwendet werden. Wegen des Hilfsfonds 
für die luth. Kirche Hannovers s. Kirch G. vom 
30. Mai 1894 (GS. 91) und wegen der kath. 
Kirche Diözesanhilfsfonds. 
Hilfskassen. I. Gesetzgebung. Eine ge- 
setzliche Regelung des Hilfskassenwesens ent- 
hielt zuerst die Pr GS#ewO. vom 17. Jan. 1845 
(GS. 41). Nach 88 144, 145, 169 wurde den 
Gesellen und Gehilfen einschließlich der Fabrik- 
arbeiter die Beibehaltung der bestehenden 
Kassen zur gegenseitigen Unterstützung mit dem 
Vorbehalte gestattet, daß die Aufnahme in 
diese nicht von der Beschäftigung bei einem 
Innungsmitglied abhängig gemacht werden 
durfte. Die Aeubildung solcher Kassen wurde 
mit Genehmigung der Regierung gestattet, 
auch wurden die Gemeinden ermächtigt, alle 
am Orte beschäftigten Gesellen und Gehilfen 
durch Ortsstatut zum Beitritte zur Kasse zu 
verpflichten. Durch W., betr. die Einrichtung 
von Gewerberäten, vom 9. Febr. 1848 (GS. 39) 
wurde sodann die Möglichkeit geschaffen, 
durch Ortsstatut die selbständigen Gewerbe- 
treibenden und Fabrikarbeiter zum Eintritte 
zu zwingen und den Unternehmern von 
Fabrigen die Verpflichtung zur Zahlung von 
eiträgen an die KRKassen unter Beteiligung 
an ihrer Verwaltung aufzuerlegen. Endlich 
wurde durch das G., betr. die gewerblichen 
Unterstützungskassen, vom 3. April 1854 (GS. 
138) die Zulässigkeit der Ausdehnung des 
Beitrittszwanges auf Lohn erhaltende Lehr- 
linge vorgesehen und festgestellt, daß alle bei- 
trittspflichtigen Personen zur Gründung neuer 
Kassen angehalten werden könnten. Daneben 
wurde den Regierungen das Recht eingeräumt, 
da, wo dem obwaltenden Bedürfnisse durch 
Ortsstatut nicht genügt wurde, selbst die Er- 
richtung von Kassen mit Beitrittszwang anzu- 
ordnen. Für das Reich erfolgte die Regelung 
zuerst in Gew O. § 141. Hiernach wurden die 
in den einzelnen Bundesstaaten geltenden Be- 
stimmungen in Geltung gelassen, jedoch wurde 
der Beitrittszwang für alle selbständigen Ge- 
werbetreibenden mit Ausnahme der Fabrikan- 
ten aufgehoben, für Gesellen, Gehilfen und 
Fabrikarbeiter aber nur insofern aufrecht- 
erhalten, als sie dann einer Zwangskasse bei- 
zutreten verpflichtet sein sollten, wenn sie einer 
andern Kasse nicht angehörten. An Stelle des 
§ 141 traten auf Grund des G., betr. die Ab- 
änderung der GewO. Tit. VIII, vom 8. April 
1876 (Röl. 134) die §§ 141—141 f, wodurch 
im Verein mit dem G. über die eingeschriebenen 
Hilfskassen vom 7. April 1876 (Rl. 125) 
das gewerbliche Hilfskassenwesen einheitlich 
für das Reich geregelt wurde. Die Errichtung 
der Kassen sollte danach durch Ortsstatut er-
	        
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