Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Hilfskassen. 
folgen und auf gleichem Wege der Eintritts- 
zwang für Gesellen, Gehilfen und Fabrik- 
arbeiter, welche das 16. Lebensjahr zurückge— 
legt hatten, ausgesprochen werden; vom Bei- 
trittszwange wurden diejenigen befreit, welche 
einer anderen eingeschriebenen H. angehörten 
oder auf Grund einer Anordnung der Ge— 
meindeverwaltung regelmäßig Beiträge zum 
Zwecke der Krankenunterstützung entrichteten. 
Ferner konnte durch Ortsstatut bestimmt wer- 
den, daß Arbeitgeber die Beiträge ihren Ar- 
beitern bis auf die Hälfte des verdienten 
Lohns vorschießen, Fabrikinhaber Aschüsse 
bis auf die Höhe der Hälfte der Beiträge 
leisten und die Arbeitgeber ihre Arbeiter zur 
Kasse anmelden sollten. Das G. über die ein- 
geschriebenen H. regelte daneben die Verhält- 
nisse der eingeschriebenen H., soweit sie Unter- 
stützung in Krankheitsfällen gewähren. Durch 
G., betr. die Krankenversicherung der Arbeiter, 
vom 15. Juni 1883 (Roehnl. 73) § 87 wurde 
Gew. 141—1411 aufgehoben. Zugleich 
wurde das G. über die eingeschriebenen 
durch das G. vom 1. Juni 1884 (Rl. 54), 
abgesehen von Einzelheiten, dahin abgeändert, 
daß seine Bestimmungen nur auf Rassen, welche 
auf freier Ubereinkunft beruhen, Anwendung 
zu finden haben. 
II. Eingeschriebene H. dürfen nur auf 
freier Ubereinkunft beruhen und die gegen- 
seitige Unterstützung ihrer Mitglieder für den 
Fall der Krankheit bezwecken. 
1. Leistungen. Als Krankenunterstützung 
Kkönnen sie ihren Miitgliedern Krankengeld, 
ärztliche Behandlung — auch durch einen 
Naturheilkundigen (OV. 34, 347) —, Arznei 
und andere Heilmittel, Verpflegung in einem 
Krankenhause sowie die geeigneten Mittel zur 
Erleichterung der ihnen nach der Genesung 
verbliebenen Börperlichen Mängel gewähren. 
Daneben kann Krankenunterstützung an Wöch- 
nerinnen gewährt und die Gewährung ärzt- 
licher Behandlung — nicht aber Arznei und 
Heilmittel — auf die Familienangehörigen 
der Mitglieder ausgedehnt werden. Den 
Hinterbliebenen kann ein Sterbegeld in Höhe 
des Zehnfachen der wöchentlichen Unterstützung 
des Mitgliedes gewährt werden (Hilfskafsen- 
gesetz § 12). Bei Berechnung des Sterbegeldes 
ist der Wert der ärztlichen Behandlung, der 
freien Arznei und der Heilmittel mit in Ansatz 
7 bringen, ihr Wert beträgt die Hälfte des 
rankengeldes (OVG#. 27, 338). Das Pecht 
auf Unterstützung beginnt spätestens mit Ab- 
lauf der 13. Woche nach dem Beitritt, doch 
kann für die erste Woche nach Beginn der 
Krankheit die Gewährung einer Unterstützung 
ausgeschlossen werden. Hat ein Mitglied be- 
reits das Recht auf Unterstützung erworben, 
so verbleibt ihm dasselbe auch nach dem Aus- 
tritt oder Ausschlusse für 13 Wochen. Ist 
der Ausschluß wegen Zahlungssäumnis erfolgt, 
so läuft diese Frist von dem Tage, bis zu 
welchem die Beiträge bezahlt sind. Der völlige 
oder teilweise Ausschluß der Unterstützung ist 
nur in Fällen solcher Krantheiten zulässig, 
welche sich die Mitglieder vorsätzlich oder durch 
schuldhafte Beteiligung an Schlägereien oder 
Raufhändeln, durch Trunkfälligkeit oder ge- 
  
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schlechtliche Ausschweifungen zugezogen haben. 
Soweit die Unterstützung in Gewährung freier 
ärztlicher Behandlung oder Arznei besteht, 
kann sie auch in diesen Fällen nicht ausge- 
schlossen werden (8§ 7). Uber die Begriffe 
„Schlägereien, Raufhändel, Trunkfälligkeit" 
s. Gemeindekrankenversicherung II, 4. 
Schon ein einmaliger außerehelicher Beischlaf 
Rkann als „geschlechtliche Ausschweifung“ be- 
trachtet werden (OV. 24, 332). Eine Krank- 
heit, welche sich an eine außereheliche Ent- 
bindung anschließt, gehört deshalb noch nicht 
zu den durch Ausschweifungen verursachten 
Krankheiten (OV. 29, 332). Hat ein Miit- 
glied seine Aufnahme durch betrügerische Hand- 
lungen erschlichen, so fällt jede Verpflichtung 
zur Unterstü zng. auch bei bestehenden Krank- 
heiten fort (OV. vom 8. Febr. 1897 — Ar- 
beiterversorgung 16, 373). Wegen der Auf- 
rechnung usw. der Unterstützungsansprüche s. 
Abtretung usw. von Ansprüchen aus der 
Arbeiterversicherung. Streitigkeiten über 
H. Unterstützungsansprüche werden im ordentlichen 
Rechtsweg entschieden (OV. 32, 313). ie 
Bestimmung des Statuts, wonach solche Strei- 
tigkeiten zwischen der Kasse und einem Mit- 
glied endgültig durch den Vorstand entschieden 
werden, ist ungültig (R3. 29, 319). Die Ge- 
währung der Unterstützung darf nicht in das 
Ermessen des Vorstands gestellt werden. 
2. Mitgliedschaft. Zum Beitritt ist eine 
schriftliche Erklärung oder die Unterzeichnung 
des Statuts erforderlich (6§ 6 Abs. 1). Auf- 
nahmeformulare, die mit den Vorschriften des 
Statutes in Widerspruch stehen, sind unzulässig 
(OVG. vom 2. Dez. 1901 — Pr l. 23, 727 
— und Erl. vom 9. Juli 1902 — HM.l. 272). 
Der Eintritt darf von einer Beteiligung an 
anderen Gesellschaften oder Vereinen nur dann 
abhängig gemacht werden, wenn eine solche 
Beteiligung für alle Mitglieder durch Statut 
vorgesehen ist. Den Mitgliedern darf die Ver- 
pflichtung zu Handlungen oder Unterlassungen, 
die mit dem Kassenzweck in keiner Verbindung 
stehen, nicht auferlegt werden (8 6 Abs. 2). Die 
Mitgliedschaft erlischt durch Austritt, durch 
Ausschluß oder durch Ausscheiden, d. i. ein 
durch Eintritt einer bloßen Tatsache sich von 
selbst vollziehender Verlust der Miitgliedschaft 
(OVS. 39, 315). Der Ausschluß Rkann nur 
unter den durch das Statut bestimmten For- 
men und aus den darin bezeichneten Gründen 
erfolgen. Er ist nur zulässig bei dem Wegfall 
einer die Aufnahme bedingenden Voraus- 
setzung, für den Fall einer Jelungesäumnie 
oder einer solchen strafbaren Handlung, welche 
eine Verletzung der Bestimmungen des Statutes 
in sich schließt. Wegen Uberschreitung der 
Altersgrenze, über welche hinaus nach Be- 
stimmung des Statuts Mitglieder nicht auf- 
genommen werden, und wegen Veränderung 
des Gesundheitszustands, von welchem nach 
Bestimmung des Statuts die Aufnahme ab- 
hängig ist, darf der Ausschluß nicht erfolgen. 
Wegen des Austrittes oder Ausschlusses aus 
einer Gesellschaft oder einem Vereine können 
M-ltglieder nicht ausgeschlossen werden, wenn 
sie der Kasse bereits zwei Jahre angehört 
haben. Erfolgt ihre Ausschließung vor Ab-
	        
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