Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

852 
selben ist ergangen in Preußen das G. vom 
12. April 1875 (GS. 191) und der ZirkE. vom 
6. April 1886 (MBl. 51). Nach dem BReichsgesetz 
( 1) unterliegt der Impfung 1. jedes Kind 
vor Ablauf des auf sein Geburtsjahr folgenden 
Kalenderjahres, sofern es nicht nach ärztlichem 
Zeugnis die natürlichen Blattern überstanden 
hat, 2. jeder Zögling einer öffentlichen oder 
privaten Lehranstalt innerhalb des RKalender- 
jahrs, in welchem er das zwölfte Lebensjahr 
zurücklegt, sofern er nicht in den letzten fünf 
Jahren die natürlichen Blattern überstanden 
hat oder mit Erfolg geimpft worden ist. Wer 
nach ärztlichem Zeugnis ohne Gefahr für Leben 
oder Gesundheit nicht geimpft werden kann 
(§ 2), ist binnen Jahresfrist nach Aufhören 
des diese Gefahr begründenden Zustandes zu 
impfen. Ist eine Impfung nach dem Urteil 
des Arztes erfolglos geblieben (8 3), so 
ist sie spätestens im nächsten Jahre und, falls 
sie auch dann erfolglos bleibt, im dritten Jahr 
zu wiederholen. Ist die Impfung ohne ge- 
setzlichen Grund unterblieben (8 4), so ist 
sie binnen einer von der zuständigen Behörde 
zu setzenden Frist nachzuholen. Jeder Impf- 
ling muß frühestens am sechsten, spätestens 
am achten Tage nach der Impfung dem 
impfenden Arzte vorgestellt werden (8 5). 
Zur Vornahme der Impfung sind außer 
den amtlich bestellten T#pfürzten nur ap- 
probierte Arzte befugt (§§ 8 u. 16); Fahr- 
lässigkeiten bei Ausführung der Impfung 
werden mit Geldstrafe bis zu 500 M. oder 
Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft, so- 
fern nach dem StGB. keine härtere Strafe 
verwirkt ist (6 17). Eltern, Pflegeeltern und 
Vormünder sind auf amtliches Erfordern ver- 
pflichtet, den Nachweis der Impfung durch 
Vorlegung der vorgeschriebenen Bescheinigung 
" Impflisten und Impfscheine) zu führen 
§ 12), auch ihre Kinder der gesetzlich vor- 
gelchriebenen Impfung zuzuführen (§ 14). Die 
orsteher der Schulanstalten, deren Zöglinge 
der Impfung unterliegen, sind verpflichtet 
13), bei Aufnahme der Schüler durch Ein- 
fordern des Impfscheins die erfolgte Impfung 
zu Rontrollieren und dafür zu sorgen, daß 
die Zöglinge, welche während des Schulbesuchs 
impfpflichtig werden, dieser Verpflichtung ge- 
nügen. Zuwiderhandelnde Eltern, Pflegeeltern, 
Vormünder und Schulvorsteher sind straf- 
bar (§8 14, 15), eventuell Kann die Impfung 
zwangsweise durchgeführt werden (s. Pr BBl. 
27, 594). Soweit die Impfung nicht ander- 
weit durch einen approbierten Arzt erfolgt, 
hat sie in den von Anfang Mai bis Ende 
September jeden Jahres stattfindenden öffent- 
lich behanntzumachenden Impfterminen durch 
den Impfarzt zu erfolgen; diese Impfungen 
sind unentgeltlich (§ 6). Die Durchführung der 
öffentlichen Impfungen liegt den Kreisen ob 
(A. §110 und erfolgt in besonders abgegrenzten 
Impfbezirken ([. Impfärzte und Impf- 
bezirke)) durch die Impfärzte. Den Kreisen 
fallen die Remuneration der Impfärzte, die 
Kosten der erforderlichen Bureauarbeiten, so- 
wie die Kosten der nötigen Listen, Scheine 
und Zeugnisse zur Last (PrAG. 8§# 2); die 
Stellung des geeigneten Lokals für die öffent- 
  
Impflisten und Impfscheine. 
lichen Impftermine und der für den Impfarzt 
erforderlichen Schreibhilfe liegt den Gemeinden 
ob, in deren Bezirk öffentliche Impftermine 
stattfinden (Pr AG. 2 Abs. 3). Die erforder- 
liche Lomphe wird in vom Staate eingerich- 
teten und unterhaltenen Impfinstituten be- 
reitet und an die öffentlichen Impfärzte un- 
entgeltlich abgegeben; diese haben, soweit ihr 
Vorrat reicht, die Lymphe auch an andere 
Arzte auf Verlangen unentgeitlich abzugeben 
* 9 des G.) Is. Lymphel. ie Aussicht 
über das Impfgeschäft führt der Kreisarzt 
(Dienstanw. f. d. Kreisärzte vom 23. März 
1901 — MMBl. 3 — 88 87—89), soweit 
nicht, weil er selbst Impfarzt ist, der Re- 
gierungs= und Miedizinalarzt die Ausfsicht 
zu führen hat (s. auch Erl. vom 25. Juli 1902 
— MAMBl. 267). Unabhängig von den Vor- 
schriften des Reichsimpfgesetzes werden alle 
Militärdienstpflichtigen nach ihrer Einstellung 
in den aktiven Dienst noch einer militärärzt- 
lichen Impfung unterzogen (Friedenssanitäts- 
ordnung vom 16. Mai 1891 § 24). Auslän- 
dische Arbeiter sind bei Eingehung eines 
Dienstverhältnisses im Inland auf Kosten ihrer 
Dienstherren zu impfen (Erl. vom 13. Juni 
1900); wegen der Impfung der Familien- 
angehörigen der Arbeiter s. Erl. vom 12. Okt. 
1904 (M Bl. 263). S. auch Ausländische 
Arbeiter. 
Impflisten und Impfscheine. Zur Kon- 
trolle der Erfüllung der Impfpflicht (Impf-- 
gesetz) haben die Standesbeamten vor Be- 
ginn der Impfzeit, d. h. vor Anfang Mai 
jeden Jahres, eine Liste derjenigen Kinder aus 
den Geburtsregistern aufzustellen, welche vor 
Beginn des betreffenden Kalenderjahres ge- 
boren sind (Reichsimpfgesetz § 7 u. § 1 Ziff. 1 
und Erl. vom 19. April 1875 — UMl. 99). 
Ebenso haben die Vorsteher aller öffentlichen 
oder privaten Lehranstalten über diejenigen 
Kinder ihrer Anstalt eine Liste aufzustellen, 
welche in dem betreffenden Kalenderjahr das 
12. Lebensjahr zurücklegen (Reichsimpfgesetz 
§ 7). Diese Listen werden dem Impfgeschäft 
zugrunde gelegt; die Impfärzte vermerken in 
ihnen, ob die Impfung mit oder ohne Erfolg 
vollzogen, ob und weshalb sie unterblieben ist. 
Vach Schluß des Kalenderjahres sind die Listen 
der Behörde einzureichen. Dieselbe Verpflich- 
tung zur Listenführung und deren Einreichung 
an die Behörde (Ortspolizeibehörde) haben 
sonstige approbierte Arzte bezüglich der von 
ihnen vorgenommenen Impfungen (s. Reichs= 
impfgesetz § 8 Abs. 2). Die Einreichung der 
Listen ist durch die Bundesratsbeschlüsse vom 
16. Okt. 1874 (MVBl. 255) und 5. Sept. 1878 
(MBl. 242) festgestellt; die Kosten der Be- 
schaffung der Listen für das öffentliche Impf- 
geschäft tragen die Kreise (G. vom 12. April 
1875 — Scs- 191 — §2). Uber jede Impfung 
wird nach Feststellung ihrer Wirkung von 
dem Arzte ein Impfschein ausgestellt, dessen 
Inhalt gesetzlich vorgeschrieben ist (s. Reichs- 
impfgesetz § 10). Die erste Ausstellung des- 
selben ist gebühren= und stempelfrei. Der 
Impfschein, dessen Formular ebenfalls durch 
Bundesratsbeschluß festgestellt ist (s. die oben 
zitierten Beschlüsse), gilt als gesetzlicher Aus- 
  
  
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.