Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Johanniterorden — Irrenpflege. 
gung der zuständigen Behörde. Die Zuschuß- 
kassen Können die ihren Mitgliedern zustehen- 
den Rentenansprüche nicht selbst geltend machen 
(AN#Ju## V. 3, 161; 5, 109). 
Johanniterorden. Aachdem in Preußen 
durch das Säkularisationsedikt vom 30. Okt. 
1810 (GS. 32) die Ballei Brandenburg des J., 
welche bereits früher innerhalb des Johanniter-, 
später Malteserordens (s. d.) eine besondere 
Stellung behauptet und seit der Reformation 
evangelischen Charahter angenommen hatte, 
nebst dem Herrenmeistertum und den Kommen- 
den aufgelöst worden war, errichtete König 
Friedrich Wilhelm III. zum ehrenvollen An- 
denken der erloschenen Ballei am 23. Mai 
1812 den kgl. preuß. J. (GS. 109). Die Be- 
organisation des Johanniterordens (Ballei 
Brandenburg) erfolgte durch Friedrich Wil- 
helm IV. unterm 15. Okt. 1852 (GöS. 1853, 1). 
Danach und nach den Statuten vom 24. Juni 
bestätigt am 8. Aug. 1853 besteht der Orden 
unter Leitung eines Herrenmeisters aus einer 
Anzahl von Kommendatoren (zur Leitung der 
Konvente in den Provinzen) und Ehrenkommen- 
datoren, dem Ordenshauptmann, den Bechts- 
und den Ehrenrittern, sowie dienenden Brüdern 
und Schwestern. Amter des Ordens sind der 
Kanzler, der Sekretär, der Schatzmeister und 
der Werkmeister. Mitglieder des J. können 
nur evangelische Edelleute sein; sie besitzen 
eine besondere Uniform und tragen ein Ordens- 
abzeichen. Innerhalb des Deutschen Reiches 
bestehen zurzeit 15 Genossenschaften des J. 
Die Tätigkeit des J. ist hauptsächlich auf 
Krankenpflege im Frieden sowie im Kriege 
gerichtet; er unterhält eine Anzahl von Kran- 
kenhäusern und anderen, seiner Bestimmung 
entsprechenden Anstalten. 
Irrenpflege. I. Die Fürsorge für das Irren- 
wesen und die Gewährung von Beihilfen für 
dasselbe ist durch das Dotationsgesetz vom 
8. Juli 1875 (s. Dotation der Kreise usw.) 
auf die Provinzen und die ihnen gleichstehen- 
den Kommunalverbände übertragen worden. 
Damit haben dieselben auch die Verpflichtung 
zur Errichtung und Unterhaltung der erforder- 
lichen Jrrenanstalten erhalten und haben auch 
bemittelte gemeingefährliche Geisteskranke auf- 
unehmen, wenn dies von der zuständigen 
Polizetbehorde verlangt wird (OVG. 47, 6). 
Den Landarmenverbänden (in Ostpreußen dem- 
jenigen der Provinz), welche meist mit den vor- 
her genannten Kommunalverbänden zusammen- 
fallen, ist die Berpflichtung auferlegt, für Be- 
wahrung, Kur und Pflege hilfsbedürftiger 
Geisteskranker in geeigneten Anstalten Für- 
sorge zu treffen (G. vom 11. Juli 1891 — GS. 
300 — Art. I § 31; s. Landarmenver- 
bände III). 
II. Die J. ist teils Familienpflege, teils 
Anstaltspflege. 1. Die erstere findet sich bei 
harmlosen, nicht gemeingefährlichen Irren, die 
entweder auf eigene Kosten in ihrer eigenen 
Familie verpflegt oder in eine andere Familie 
in Pflege gegeben werden, oder wenn sie ver- 
mögenslos sind, aber der Anstaltspflege nicht 
bedürfen, von ihrem Ortsarmenverbande bei 
geeigneten Familien zur Pflege untergebracht 
werden. Die Unterbringung in eine fremde 
  
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Familie steht bei Personen, die unter elterlicher 
Gewalt stehen, dem Vater bzw. Gewalthaber 
(Be. 8l1631), bei bevormundeten Personen dem 
Vormund (BE. § 1793) zu. Die Aufsicht über 
derartige in Privatpflege befindliche Frre liegt 
dem Kreisarzt ob (Dienstanw. für die Kreisärzte 
vom 23. März 1901 — MMl. 3 — § 104, 105). 
2. Die Anstaltspflege an Irren wird teils 
in öffentlichen, teils in Privatanstalten geübt. 
Als öffentliche Anstalten Rkommen insbe- 
sondere die von den Provinzen und den ihnen 
gleichstehenden Kkommunalen Verbänden (s. zu!l) 
errichteten und unterhaltenen Anstalten in Be- 
tracht. Die für dieselben zu erlassenden Regle- 
ments bedürfen der Genehmigung der zustän- 
digen Minister (des Innern und der geistl. usw. 
Angelegenheiten) gemäß § 120 Prov O. f. d. ö. Pr. 
und den analogen Bestimmungen der übrigen 
Provinzialordnungen insoweit, als es sich um 
die Aufnahme, Behandlung und Entlassung 
der Irren handelt. Die Aufsicht über diese 
Anstalten führt auch in gesundheitspolizeilicher 
Hinsicht der Oberpräsident (6 114 Prov O., AE. 
vom 12. Mai 1897 — GS. 227). Den öffent- 
lichen Anstalten gleichgestellt sind die vom 
Staate unterhaltenen Anstalten (die psychia- 
trischen Kliniken bei den Universitäten, welche 
direkt dem Mdg A. unterstehen), sowie die An- 
stalten der Kreise und Gemeinden, meist Ab- 
teilungen von Krankenhäusern, welche wie 
letztere selbst der Aufsicht durch die Kreisärzte 
und Regierungsmedizinalräte, bzw. die Regie- 
rungspräsidenten unterliegen. Alle übrigen 
zur Unterbringung von Geisteskranken, Epi- 
leptischen (s. d.) und Idioten bestimmten An- 
stalten gelten als Privatanstalten. Soweit 
derartige Privatirrenanstalten, zu denen auch 
Pensionate für Geisteskranke gehören (O##. 
6, 256), für Zwecke des Erwerbes errichtet 
werden, bedürfen sie gemäß § 30 GewO. (Ausf. 
Anw. vom 1. Mai 1904 — St MBl. 123; MBl. 
201 — Ziff. 36) der Genehmigung (s. Heil- 
anstalten). Für die Privatanstalten ist die 
Anweisung über die Unterbringung von Geistes- 
kranken vom 26. Alärz 1901 (M Bl. 104) er- 
lassen worden, welche auch Vorschriften über 
die Einrichtung und Leitung (8§8§ 19 ff.), ins- 
besondere aber über die Beaufsichtigung ent- 
hält, welche letztere unter Oberaufsicht des 
Regierungspräsidenten durch den Kreisarzt und 
außerdem durch eine besondere von dem MdJ. 
und Mdg A. eingesetzte Besuchskommission (Ge- 
schäftsanweisung für dieselbe vom 11. Mai 1896) 
in Form in der Regel unvermuteter Besichtigun- 
gen stattfindet (§9 23 ff.). Wegen der Anzeige 
von Aufnahme und Entlassung von geistes- 
kranken Ausländern in bzw. aus Privatirren- 
anstalten s. Erl. vom 3. Okt. 1904 (MBl. 262). 
Uber das Verfahren bei Entlassung gefähr- 
licher Geisteskranker aus öffentlichen 
Irrenanstalten, darunter auch geisteskranker 
Verbrecher aus öffentlichen IFrrenanstalten, 
treffen die Erl. vom 15. Juni 1901 (MI Bl. 197), 
16. Dez. 1901 (MBl. 1902, 18), 6. Jan. 1902 
(AMAl. 47) und vom 20. Mai 1904/(MMIBil. 247) 
Bestimmung. S. dieserhalb auch Landarmen= 
verbände III. Von jeder polizeilicherseits ver- 
anlaßten Uberführung eines Geisteskranken 
in eine Irrenanstalt hat die betreffende Polizei- 
  
 
	        
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