Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Jugendliche Verbrecher 
daß er seinem mit der Annahme beauftragten 
Werkmeister die Annahme j. A. untersagt habe 
(RGESt. 2, 321; 27, 39). Auch eine fahrlässige 
Abertretung ist strafbar. Die bloße Anwei— 
sung an die Aufseher, den gesetzlichen Vor- 
schriften nachzukommen, mag sie auch mit der 
Androhung von Nachteilen für den Fall des 
Ungehorsams verbunden gewesen sein, und 
die bloße Anheftung der gesetzlichen Vorschriften 
im Fabriklokale genügt nicht (ReSt. 4, 307; 
9, 304). Wird der Gewerbebetrieb von meh- 
reren gemeinsam ausgeübt, so erstreckt sich 
die Verpflichtung zur Beachtung der Vor- 
schriften auf alle Gesellschafter, wenn auch 
durch die Geschäftsverteilung einem Inhaber 
ausschließlich der kaufmännische Vertrieb der 
Waren übertragen ist (R#St. 6, 111). Arbeit- 
geber ist der selbständige Gewerbetreibende 
(Fabrikherr); er kann sich dadurch, daß er 
einzelnen Arbeitern bezüglich der Annahme 
von Hilfsarbeitern gewisse Befugnisse einräumt, 
welche an sich ihm zustehen würden, nicht der 
Verpflichtung entschlagen, die Beobachtung der 
gewerbepolizeilichen Vorschriften in seinem 
Geschäftsbetriebe zu sichern, die zu diesem 
Zweck erforderlichen Maßnahmen zu treffen 
und sich über deren Einhaltung jederzeit ent- 
sprechende Kenntnis zu verschaffen (Rt. 
9, 103). Hat der Gewerbetreibende zur Er- 
leichterung seiner Verantwortlichheit in ein- 
zelnen Abteilungen des Betriebs die Leitung 
oder Beaufsichtigung anderen Personen über- 
tragen (s. Betriebsleiter), so haftet er 
neben ihnen nur insoweit, als die Uber- 
tretung mit seinem Vorwissen begangen ist 
oder wenn er nicht nur bei der Auswahl und 
Uberwachung der Personen es an der nöti- 
gen Sorgfalt hat fehlen lassen und er, soweit 
die Verhältnisse es gestatten, den Betrieb 
nicht ausreichend selbst beaufsichtigt hat (R- 
St. 24, 293). 
Jugendliche Verbrecher. Personen im Alter 
von 12—18 Jahren Rhönnen wegen der von 
ihnen begangenen strafbaren Handlungen be- 
straft werden (s. Minderjährige llh. Es sind 
aber ihnen gegenüber einmal alle Strafarten 
ausgeschlossen, die hindern oder erschweren, 
die Straftat im späteren Leben wieder gut- 
zumachen, also die Todesstrafe und die lebens- 
längliche Zuchthausstrafe oder Festungshaft 
— an deren Stelle treten Gefängnis bzw. 
Festungshaft von 3—15 Jahren —, ferner die 
zeitige Zuchthausstrafe — diese wird durch 
Gefängnis ersetzt —, die Zulässigkeit von 
Polizeiaufsicht und die Aberkennung der 
bürgerlichen Ehrenrechte. Auch Rann bei Ver- 
gehen und Ubertretungen in besonders leichten 
Fällen auf einen bloßen Verweis erkannt 
werden. Außerdem sind die zulässigen Strafen 
noch quantitativ geändert, indem ihr Höchst- 
betrag auf die Hälfte des Höchstbetrags der 
angedrohten Strafes, ihr Mindestbetrag auf 
den gesetzlichen Mindestbetrag der angedrohten 
Strafart herabgesetzt ist. Nach dieser Herab- 
setzung ist dann die Vertauschung der Zucht- 
hausstrafe mit der Gefängnisstrafe vorzu- 
nehmen (StB. § 57 Abs. 1). Endlich ist die 
Freiheitsstrafe in besonderen, zur Verbüßung 
von Strafen jugendlicher Personen bestimmten 
  
— Juristische Personen. 877 
Anstalten oder Räumen zu vollziehen (8 57 
Abs. 2). Die gquantitative Herabsetzung gilt 
nicht bei Zuwiderhandlungen gegen das Feld- 
und Forstpolizeigesetz vom 1. April 1880 (GS. 
230) § 4. Wegen der vorzugsweise für jugend- 
liche nicht vorbestrafte Personen, welche zu 
RKürzeren Freiheitsstrafen verurteilt sind, zur 
Anwendung zu bringenden „bedingten Be- 
gnadigung"“ s. Begnadigung. Die lebhaften 
Bestrebungen der AMeuzeit, die Vorschriften 
über die j. V. zu reformieren, haben noch nicht 
zu einem gesetzgeberischen Ergebnisse geführt. 
unsfrauen, Verdienstkreuz für Frauen 
und J. (. d. 
Juniorat ist ein Familienfideikommiß, bei 
dem jedesmal das den Jahren nach jüngste 
Familienmitglied zur Nachfolge berufen ist. 
S. auch Familienfideikommiß Iecc. 
Juristische Personen. I. Begriff. Be- 
reits dem ältesten röm. Rechte waren die 
s. P. bekannt (collegia, sodalitates). Die Aus- 
bildung der Lehre von ihnen und vor allem 
ihre große Bedeutung für die Kulturordnung 
gehören aber erst einer späteren Zeit an 
Gegenwärtig nehmen die . P. wegen ihrer 
Zahl im Rechts= und Vertkehrsleben eine ganz 
hervorragende Stellung ein. Wie nicht vor- 
dem das gemeine Recht, das ALR., welches 
gleich andern damaligen Gesetzen sich der 
ezeichnung der j. P. als moralische Personen 
bediente, und der Code civil, so hat auch das 
B. den Begriff der j. P. nicht definiert. 
Aur im allgemeinen hat es ihre Rechtsstel- 
lung dadurch bestimmt, daß es die j. P. und 
die natürlichen in demselben Abschnitte: „Per- 
sonen“ nebeneinander und als grundsätzlich 
gleichwertig. behandelt. Die Wissenschaft hat 
zahlreiche Theorien über die Natur der j. P. 
aufgestellt. Für den praktischen Gebrauch ge- 
nügt es in der Regel, als j. P. die Einrich- 
tung zu bezeichnen, welche rechtlich gleich einem 
Menschen als Rechtssubjekt (rechtsfähig) be- 
handelt wird, so daß, wenn eine Vereinigung 
von Mienschen juristische Persönlichkeit hat, 
Rechte und Pflichten nicht dem einzelnen Men- 
schen, sondern der Vereinigung als solcher zu- 
kommen und obliegen und Entsprechendes bei 
den anderen j. P. gilt. Für jede s. P. ist not- 
wendig, daß sie eine Verfassung (Satzung) 
und auf Grund derselben einen Vorstand hat, 
d. h. eine natürliche Person oder eine Miehr- 
heit von natürlichen Personen, durch welche 
sie nach außen vertreten wird, ähnlich wie 
eine handlungsunfähige natürliche Person 
durch ihren gesetzlichen Vertreter. Ferner muß 
die j. P. einen Sitz haben, der dem Wohn- 
sitze der natürlichen Personen entspricht. Im 
Zweifel ist der Ort, an dem die Verwaltun 
geführt wird, ihr Sitz BG#B. 8§ 24, 80 Satz 5 
II. Arten. Die j. P. sind entweder Körper- 
schaften, Korporationen oder Anstalten oder 
Mischungen von diesen und jenen, und nach 
einer anderen Unterscheidung entweder solche 
des öffentlichen oder solche des Privatrechts. 
Worin das begriffliche Kennzeichen einer j. P. 
des öffentlichen Rechtes zu finden sei, ist sehr 
zweifelhaft und streitig. egelmäßig wird 
eine solche da anzunehmen sein, wo die Mit- 
gliedschaft nicht auf dem freien Willen, son-
	        
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