Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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Wasser in den Kanälen höher steht als im 
Wasserlaufe. Bei Anlegung dieser Notaus— 
lässe ist Vorkehrung zu treffen, daß sie nicht 
zu oft und jedenfalls erst bei genügender Ver— 
dünnung der Abwässer in Tätigkeit treten. 
Bei den Trennsystemen werden entweder 
die Haus-, Rüchen= und NMiederschlagswässer 
gemeinsam und die Fäbalien für sich allein, 
oder die Fäkalien zusammen mit den Haus- 
und Küchenabwässern und die Niederschlags- 
wässer für sich allein abgeleitet. Das zweck- 
mäßigere Verfahren ist das letztere, denn die 
getrennte Abführung der Niederschlagswässer 
bietet den Vorteil, daß Notauslässe zur Ent- 
lastung der Schmutzwasserkanäle nicht erforder- 
lich sind und daß die Miederschlagswässer ent- 
weder unmittelbar in vorhandene Wasserläufe 
eingeleitet werden können oder doch einer nur 
mechanischen Reinigung unterworfen zu wer- 
den brauchen, durch welche die Schwimm--, 
Schwebe= und Sinkstoffe zurüchgehalten wer- 
den. Dagegen bedürfen die Schmutzwässer, 
wo nicht ausnahmsweise günstige Verhältnisse 
vorliegen, insbesondere mit Rüchsicht auf die 
Wassermenge und das Gefälle des zu ihrer 
Aufnahme dienenden Wasserlaufs und die ge- 
ringe Menge der Abwässer die Voraussetzun- 
gen einer ausreichenden Selbstreinigung ge- 
gegeben sind, einer gründlichen Rünstlichen 
einigung, sei es durch Klärung mit oder 
ohne Desinfektion, sei es durch Bodenberiese- 
lung. Denn das direkte Einleiten der Schmutz- 
wässer in die Wasserläufe bringt in ästheti- 
scher, hygienischer und volkswirtschaftlicher 
Hinsicht die größten Aachteile mit sich. Die 
wirksamste Art der Reinigung ist die durch 
Bodenberieselung, d. h. durch Aufleiten 
der Schmutzwässer auf Acker= und Garten- 
land oder Wiesen (Rieselfelder). Die Reini- 
gung vollzieht sich hier teils durch Oxydation 
und Zersetzung, teils durch Absorption der in 
den Abwässern enthaltenen Schmutzstoffe im 
Boden, sowie auch durch direkte Aufnahme 
der Bestandteile des Rieselwassers durch die 
Pflanzen, insbesondere durch Gras= und 
Wurzelgewächse. Am günstigsten für die 
Bodenberieselung ist Sandboden, sodann Kalk- 
und Lehmboden; ungeeignet sind fette Boden- 
arten und naßgründige Böden, z. B. Ton- 
und namentlich Moorböden, weil wegen der 
Undurchlässigkeit die Abwässer im wesentlichen 
auf Verdunstung angewiesen sind und wäh- 
rend der Stagnation die Fäulnis der in den 
Schmutzwässern enthaltenen Stoffe fortschreitet. 
Zwechmäßig ist es, das Bieselwasser nicht ein- 
fach überschüssig über den Boden laufen zu 
lassen, sondern die Versickerung durch eine 
ordnungsmäßige Drainage zu unterstützen. 
Auch darf nicht zu häufig gerieselt werden, 
da sonst die reinigende Wirkung des Bodens 
aufhört. Vollen Erfolg verspricht eine Boden- 
berieselung daher nur dann, wenn ausreichend 
große und ihrer Beschaffenheit nach geeignete 
Bodenflächen zur Verfügung stehen. Bei städti- 
scher Kanaljauche wird 1 ha auf 100 Röpfe, 
bei besonders günstiger Vorflut auf 200 Köpfe 
der Bevölkerung für ausreichend erachtet. In 
der Regel stehen sedoch so große Flächen nicht 
zur Verfügung und man muß deshalb not- 
  
Kanalisation. 
edrungen den Bieselfeldern sehr viel mehr 
Fauche zuführen, als rationell ist, oder aber 
es muß die 
erforderliche Reinigung der 
Schmutzwässer 
ganz oder teilweise durch 
Klärung berbeigeführt werden. Die sich da- 
bei ergebenden Rüchstände können unter Um- 
ständen für landwirtschaftliche Zwecke nutzbar 
verwertet werden. 
II. Kanalisationsunternehmungen 
von größerem Umfange dürfen nach den 
Erl. vom 1. Sept. 1877 (MBl. 257) und vom 
8. Sept. 1886 (MBl. 223) erst zur Ausführung 
gebracht werden, wenn die betreffen den Bau- 
und damit in Verbindung stehenden Reini- 
gungsprojekte die Genehmigung der beteilig- 
ten Minister, des MdFJ., des Mdg A., des 
Mdön., des M L. und des ÖSM., gefunden 
haben. Diese Anordnung verfolgt den Zweckh, 
der Verunreinigung der Watsserläufe durch 
städtische Abwässer überall nach gleichen 
Grundsätzen vorzubeugen. Demzufolge sind 
nach dem weiteren Erl. vom 30. Mlärz 1896 
(MBl. 70) größere Kanalisationsprojekte der 
Ministerialinstanz zur Prüfung nicht nur 
dann vorzulegen, wenn die Kanalisations= 
wässer unmittelbar einem öffentlichen Wasser- 
laufe zugeführt werden sollen, sondern auch 
dann, wenn dies durch Vermittlung von 
Privatgewässern geschehen soll, und selbst 
dann, wenn der Einlaß der Kanalisations- 
wässer in ein Privatgewässer beabsichtigt wird, 
welches überhaupt keinen Abfluß nach einem 
öffentlichen Gewässer hat. In den Berichten, 
mit denen die Projekte der Ministerialinstanz 
zur Prüfung vorgelegt werden, soll jedesmal 
die Frage einer Reinigung der Kanalwässer 
und insbesondere die Möglichkeit, diese Reini- 
gung durch Bodenberieselung zu bewirken, 
eingehend erörtert werden. Ferner sollen über 
folgende Punkte nähere Angaben gemacht 
werden: 1. über die bisherigen Entwässerungs- 
verhältnisse der Gemeinde und über die dort 
hinsichtlich der Fähalienaufbewahrung und 
beseitigung bestehenden Vorschriften und Ein- 
richtungen; 2. über die Gesundheitsverhält- 
nisse der Bevölkerung; 3. über die Verhält- 
nisse der zur Aufnahme der Kanalwässer be- 
stimmten Wasserläufe oberhalb und unterhalb 
der Ortschaft bis auf eine Entfernung von 
15 km bei den verschiedenen Wasserständen; 
4. über die Wasserversorgung der Gemeinde 
und, falls eine Wasserleitung vorhanden ist, 
auch über deren Leistungsfähigkeit; 5. über 
die Zahl, die Art und den Betriebsumfang 
aller derfsenigen in dem Bereiche des Kanali- 
sationssystems belegenen gewerblichen An- 
lagen, deren Abwässer ungünstig auf den 
öffentlichen Gesundheitsstand einwirken kön- 
nen, sowie über die Menge dieser Abwässer, 
die vorhandenen Einrichtungen zu ihrer Reini- 
gung und die damit erzielten Erfolge; 6. über 
die finanzielle Lage der Gemeinde. Außer 
den das Projeat darstellenden Zeichnungen ist 
ein Plan vorzulegen, der die nähere Um- 
gebung der Ortschaft veranschaulicht. Im 
übrigen gilt für die Veseitigung der städti- 
schen Schmutzwässer im Wege der K. dasselbe 
wie für die Abwässerabführung (s. d.) über- 
haupt.
	        
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