Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Katholische geistliche Orden und 
bischöflichen Behörde als auch von dem Ober— 
präsidenten unter gegenseitigem Einvernehmen 
erteilt werden (§ 42). Dies ist in sämtlichen 
kath. Diözesen geschehen. — Macht die bischöfliche 
Behörde in denjenigen Fällen, in welchen sie 
eine Anordnung oder Entscheidung im Ein- 
vernehmen mit der Staatsbehörde zu treffen 
hat, von ihren Befugnissen keinen Gebrauch, 
so ist sie zur Ausübung derselben von der 
Staatsbehörde aufzufordern. Leistet sie dieser 
Aufforderung binnen 30 Tagen nach dem 
Empfange derselben keine Folge, so geht die 
Ausübung der Befugnisse auf die Staats- 
behörde über. In denjenigen Fällen, in 
welchen die bischöfliche oder die Staatsbehörde, 
jede sedoch im Einvernehmen mit der andern, 
eine Anordnung oder Entscheidung zu treffen 
hat, muß, die um ihre Zustimmung ange- 
gangene Behörde sich binnen 30 Tagen nach 
dem Empfang der Aufforderung erklären. 
Erklärt sie sich nicht, so gilt sie als zustim- 
mend. Bei erhobenem Widerspruch entscheidet 
in allen Fällen über Aleinungsverschieden- 
heiten zwischen der bischöflichen Behörde und 
dem Regierungspräsidenten der Oberpräsident, 
über Meinungsverschiedenheiten zwischen diesem 
und der bischöflichen Behörde der Mdg A. (§ 43). 
IX. Die den vorgesetzten Kirchenbehörden 
gesetzlich zustehenden Rechte der Aufsicht 
und der Einwilligung zu bestimmten Hand- 
lungen der Verwaltung werden mit der 
Maßgabe geübt, daß, wenn dieselbe davon 
keinen Gebrauch macht, sie hierzu von der 
staatlichen Aufsichtsbehörde mit den unter VIII 
(§ 43) angegebenen Folgen aufzufordern ist, 
und daß ferner gegen Verfügungen der vor- 
gesetzten Kirchenbehörde, durch welche die Ein- 
willigung zu bestimmten Handlungen der 
Verwaltung versagt worden, dem Kirchen- 
vorstande die Berufung an den Oberpräsi- 
denten zusteht, welcher endgültig entscheidet 
(§8 47—49). Die Aufsichtsrechte der staat- 
lichen Aufsichtsbehörden gegenüber den Be- 
schlüssen der Rirchlichen Organe in Ver- 
mögensangelegenheiten, bei Führung von 
Prozessen, Erteilung von Legitimationsattesten, 
Einsicht des Etats sind ebenso wie bei der 
ev. Kirche (s. Evangelische Landeskirche, 
Stellung zum Staat UI: Gemeinde- 
kirchenrat und Kirchengemeindevertre- 
tung Alllb; Kirchensteuern) mit der Maß-= 
gabe geordnet, daß gegen die Eintragung in 
den Etat keine Klage beim OVG. stattfindet; 
ferner daß unter gleichen Voraussetzungen 
die bischöfliche Behörde und die staatliche Mi 
sichtsbehörde befugt sind, die gerichtliche 
Geltendmachung von Ansprüchen der Kirche, 
der Pfarrei, der Gemeinde und der in der 
Verwaltung des Kirchenvorstandes befindlichen 
Vermögensmassen, insbesondere auch der aus 
der Pflichtwidrigkeit eines Geistlichen oder 
andern Kirchendieners entstehenden Entschädi- 
gungsforderung anzuordnen und die hierzu 
nötigen Maßregeln zu treffen; und endlich, daß 
die Jahresrechnung der staatlichen Aufsichts- 
behörde zur Prüfung mitzuteilen ist G# 50—594. 
— Betreffs der Kassendefekte findet die V. vom 
24. Jan. 1844 (GS. 52) Anwendung (s. De- 
fekte). — Die Zuständigkeiten der staat- 
  
ordensähnliche Kongregationen. 901 
lichen Aufsichtsbehörden sind durch die 
V. vom 30. Jan. 1893 (GS. 13) dahin ge- 
regelt, daß die Aufsichtsrechte ausgeübt wer- 
den: 1. von dem Mdg A. bei Grundstückhsver- 
fügungen im Werte von mehr als 100000 Ml.; 
bei der Veräußerung von Gegenständen, die 
einen geschichtlichen, wissenschaftlichen und 
Kunstwert haben; bei dem Bau neuer für den 
Gottesdienst bestimmter Gebäude; 2. von dem 
Oberpräsidenten bei der Ausschreibung, Ver- 
anstaltung, Abhaltung von Sammlungen, 
Kollekten usw. für kRirchliche, wohltätige oder 
Schulzweche außerhalb der Kirchengebäude; 
3. im übrigen (§8 48, 50 außer Ziff. 7, 51 bis 
54) vom Regierungspräsidenten lin Berlin dem 
Polizeipräsidenten] (Art. 1). Die Beschwerde 
findet statt gegen Verfügungen des Oberpräsi- 
denten an den Mdg A. und den MI J., gegen 
Verfügungen des Regierungspräsidenten an 
den Oberpräsidenten, welcher endgültig ent- 
scheidet (Art. 2). 
X. Zu bemerken bleibt schließlich, daß in 
Gemeinden, in denen besondere Verhältnisse, 
z. B. geringes Vermögen, getrennter Wohn- 
sitz usw. die Bildung einer Gemeindever- 
tretung unzwechmäßig oder untunlich erschei- 
nen lassen, die bischöfliche Behörde im Ein- 
vernehmen mit dem Oberpräsidenten, im Falle 
hiergegen von der Mehrheit der wahlberech- 
tigten Gemeindeglieder nicht widersprochen 
wird, den Wegfall der Gemeindever- 
tretung anordnen kann, in welchem Falle 
die Befugnisse des letzteren von dem Kirchen- 
vorstande wahrgenommen werden (88 35, 30). 
Katholische geistliche Orden und ordens- 
ähnliche Kongregationen. I. Geschicht- 
liches. In der abendländischen Kirche haben 
sich frühzeitig Gesellschaften entwickelt, welche 
in gemeinsamer Arbeit in geschlossenen Häusern 
der Kirche zu dienen versuchten. Sie erhielten 
ihre bestimmte Organisation und Regel durch 
Benedikt von Aursia (im Jahre 529). Die 
Verbindungen hatten ihre wechselvolle Ge- 
schichte. Meben asketischen Richtungen erwuch- 
sen kriegerische Genossenschaften (Tempelherrn, 
Johanniter, Deutschherrn), neben den aristo- 
kratischen die aus dem Volke hervorgehenden 
Bettelorden (Franziskaner, Dominikaner). Von 
einschneidender Bedeutung wurde die Gründung 
der Gesellschaft Jesu, neben welcher die übrigen 
Orden bald zurücktraten, soweit sie nicht in 
leichem Geiste wirkten. Nach der so erwachsenen 
Organisation sind „Orden" (ordines religioso- 
rum) Gesellschaften, deren Mitglieder sich zur 
.Führung eines durch besondere Vorschriften 
bestimmten gemeinsamen Lebens unter eigenen 
Vorgesetzten durch das dreifache für die ganze 
Lebenszeit bindende feierliche Gelübde des 
Gehorsams, der persönlichen Armut und der 
ehelosen Keuschheit verpflichten (s. Hinschius, 
Preuß. Kirchenrecht 1884, 447). Neben ihnen 
haben sich die freieren Genossenschaften, die 
sog. Kongregationen, entwickelt, welche nicht 
vom Papste approbiert sind. Ihre Mitglieder 
legen zwar ebenfalls die erwähnten drei Ge- 
lübde ab, aber nur als vota simplicia, d. h. 
dieselben haben in bezug auf Ehelosigkeit, 
Vermögensunfähigkeit, Gehorsam und Unauf- 
löslichkeit nicht die gleiche Bedeutung wie die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.