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territorial abgegrenzten Bezirkes wohnenden,
zur Ubung des Gottesdienstes in rechtlicher
Gemeinschaft verbundenen Angehörigen der
bevorrechteten christlichen Kirchen (s. Paro-
chien). Ausnahmsweise bestehen neben diesen
sog. Ortsgemeinden auch Personal-=
gemeinden, d. i. solche Gemeinden, bei wel-
chen die Zugehörigkeit nicht durch den Wohn-
sitz, sondern durch bestimmte persönliche Eigen-
schaften bedingt wird. Zu diesen gehören
insbesondere die Militärgemeinden ((.
—ilitärkirchenwesen). Die K. bilden die
Grundlage der organisierten Kirche. Sie sind
Korporationen des öffentlichen Rechtes mit
voller Rechtsfähigkeit und genießen als solche
im Staate bestimmte Vorrechte (s. Kirche).
Ihre Verwaltung ist auf Grundlage der Selbst-
verwaltung geordnet (s. Gemeindetkirchen-
rat und Kirchengemeindevertretung und
Katholische Kirchengemeinden); die Auf-
sicht wird von den Rirchlichen Oberen geführt,
vorbehaltlich der durch Gesetz festgestellten
Rechte des Staates (s. Evangelische Lan-
deskirche II, III; Katholische Kirchen-
gemeinden; Bischöfliche Vermögensver-
waltung). Die Zugehörigkeit zur K. wird,
soweit es sich um Ortsgemeinden handelt, durch
den Wohnsitz innerhalb der Gemeinde des be-
treffenden Bekenntnisses, bei evangelischen in
den älteren Provinzen der Monarchie und zum
Teil auch in den neueren Provinzen ohne
Unterschied, ob lutherisch oder reformiert (s.
Union), begründet (s. auch Kirchensteuern
II 2e). Sie hört, abgesehen von dem Wechsel
des Wohnortes, durch den Ubertritt zu einer
anderen Kirche und durch den Austritt aus
der Kirche auf (s. Austritt).
Kirchengesellschaften s. Anerkannte Re-
ligionsgesellschaften.
Kirchengesetze sind in der ev. Kirche Rechts-
normen, welche innerhalb der durch die Kirchen-
verfassungen gezogenen Schranken auf dem
durch die Kirchenverfassungen und die dazu
ergangenen staatlichen Gesetze vorgeschriebenen
Wege zustande gekommen und gehörig bekannt-
gemacht, für die Angehörigen des betreffenden
kirchlichen Werbandes verbindliche Kraft haben.
I. Die KirchG. werden vom Könige kraft
seines Rechts als Trägers des Kirchenregi-
ments erlassen; sie bedürfen im Bereich der
ev. Landeskirche der älteren Provinzen,
soweit es sich um landestkirchliche Gesetze
handelt, zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung
der Generalsynode und der Beglaubigung des
Präsidenten des Ev. Oberkirchenrats und, so-
weit es sich um provinzielle Gesetze handelt, der
Zustimmung der Provinzialsynode. Landes-
kirchliche Ordnungen und Gesetze gehen den
provinziellen vor. Das Recht, landeskirch-
liche Gesetze vorzuschlagen, hat auch die
Generalsynode. Bevor ein von der General-
spnode oder einer Provinzialsynode ange-
nommenes Gesetz dem Könige zur kirchen-
regimentlichen Genehmigung vorgelegt wird,
ist die vom St M. abzugebende (G. vom 3. Juni
1876 Art. 13) Erklärung darüber herbei-
zuführen, ob gegen den Erlaß desselben
von Staats wegen etwas zu erinnern sei.
Seine verbindliche Kraft erhält ein Kirch G.
Kirchengesellschaften — Kirchengesetze.
durch die Verkündigung in dem unter Ver-
antwortlichkeit des Ev. Obertirchenrats er-
scheinenden Kirchlichen Gesetz= und Verord-
nungsblatt. Sie beginnt, sofern in dem Ge-
setze Kkein anderer Anfangstermin bestimmt
ist, mit dem vierzehnten Tage nach demjenigen
Tage, an welchem das betreffende Stück des
genannten Blattes in Berlin ausgegeben wor-
den ist (Gen SynO. vom 20. Jan. 1876 § 6;
K#O. vom 10. Sept. 1873 § 65 zu 3; G.
vom 3. Juni 1876 Art. 13 u. 15; s. hierzu
Evangelische Landestkirche, Stellung
zum Staat 10. Der Kreis der ausschließlich
der landeskirchlichen Gesetzgebung unter-
liegenden Gegenstände ist im § 7 Gen SynO.
dahin abgegrenzt: 1. Regelung der kirchlichen
Lehrfreiheit; 2. ordinatorische Verpflichtung
der Geistlichen; 3. die zu allgemeinem landes-
kirchlichen Gebrauche bestimmten agendarischen
DVormen. Soll die Einführung agendarischer
Normen nur für einzelne Provinzialbezirke
erfolgen, so bedarf es der Zustimmung der be-
treffenden Provinzialsynode; 4. Einführung
oder Abschaffung allgemeiner kirchlicher Feier-
tage; 5. Anderungen der #G#S. vom 10. Sept.
1873, der Kirchengemeindeordnung für die ev.
Gemeinden in den Hohenzoll. Landen vom
1. März 1897, der Kreissynodalordnung für
dieselben und der Gen Syn O., sowie Ande-
rungen der Kirchenverfassung, welche den
Grundsatz betreffen, wonach das Kirchenregi-
ment des Königs durch kollegiale, mit geist-
lichen und weltlichen Mitgliedern besetzte Kir-
chenbehörden auszuüben ist; 6. die Kirchenzucht
wegen allgemeiner Pflichten der Kirchenglieder,
sowie die Disziplinargewalt über Geistliche und
andere Kirchendiener; 7. die kirchlichen Erfor-
dernisse der Anstellungsfähigkeit und die kirch-
lichen Grundsätze über die Besetzung der geist-
lichen Amter; 8. die kirchlichen Bedingungen
der Trauung (§ 7 a. a. O.). Außerdem ist ein
Kirchengesetz notwendig für die Bewilligung
neuer Ausgaben für landestkirchliche Zweche,
soweit sie durch Umlagen auf die Kirchen-
kassen oder Kirchengemeinden gedeckt werden
sollen (§ 14 Abs. 1 a. a. O.), sowie für die
Heranziehung der Einkünfte des Kirchenver-
mögens und der Pfarrpfründen zu thirch-
lichen Zwechen (§ 15 Abs. 1; Staatsgesetz vom
3. Juni 1876 Art. 17). Der Kirchenregie-
rung wie der Generalsynode bleibt unbenom-
men, auch über andere Gegenstände der kirch-
lichen Ordnung, deren allgemeine hirchengesetz-
liche Regelung heilsam erachtet wird, Gesetzes-
vorschläge zu machen. Ist diese Regelung
erfolgt, so Kann weder eine Veränderung der-
selbeen noch deren Uberlassung an die provin-
zialkirchliche Gesetzgebung oder an das kirchen-
regimentliche Verordnungsrecht anders als im
Wege der landestkirchlichen Gesetzgebung ge-
schehen (§ 8 a. a. O.). Wegen des Kirchlichen
Gesetz= und Verordnungsblattes s. Publi-
Rationsorgane.
II. Ahnlich sind die Verhältnisse in den
neuen Provinzen geordnet, wobei statt
der Generalsynode bzw. der Provinzialsynode
die als Gesamtsynode, Bezirkssynode, Lan-
dessynode bezeichneten, entsprechenden syno-
dalen Vertretungen in Betracht kommen. S.