Kirchenrat — Kirchensteuern.
Kirchenverwaltung, insonderheit der Kirchen-
gemeindeorgane (s. auch RGSO. vom 10. Sept.
1873 § 15), soweit nicht zugleich wie bei Fried-
hofsordnungen (s. Begräbnisplätze) auch
staatlich wahrzunehmende Interessen in Frage
stehen, in welchem Falle die Genehmigung der
dazu berufenen staatlichen Organe hinzutreten
muß. Die Gewährung des Schutzes ist da-
gegen Sache des Staates (Art. 23 Ziff. 1 des
G. vom 3. Juni 1876 — GS. 175, „den Staats-
behörden verbleibt die Anordnung und Voll-
strechung der zur Aufrechterhaltung der äußern
kirchlichen Ordnung erforderlichen polizei-
lichen Vorschriften"). Die Wahrnehmung dieses
Schutzes liegt der Landespolizei (s. Ressortregle-
ment vom 27. Juni 1845 — GS. 440 — 5 3
Ziff. 4), jetzt dem Regierungspräsidenten ob;
die Ortspolizeibehörde ist nur dann zu einem
Eingreifen als befugt anzusehen, wenn all-
gemeine polizeiliche Rüchsichten den Anla
hierzu hleten (ogl. OVG. in REVBlI. 1885, 29;
1894, 2).
Kirchenrat s. Gemeindekirchenrat und
Kirchengemeindevertretung.
Kirchenrechnungswesen s. Kirchliches
Etats-, Kassen= und Rechnungswesen.
Kirchenregiment s. Ev. Landestkirche,
Ev. Oberkirchenrat, Generalvikar, Kon-
sistorien.
Kirchensteuern. I. Begriff. K. ist die von
der Kirchengemeinde oder einem größern kirch-
lichen Verbande durch Korporationsbeschluß
zum Zweck der Befriedigung hirchlicher Be-
dürfnisse auf die Mitglieder der Gemeinde
nach einem bestimmten Verteilungsmaßstab
umgelegte und von ihnen erforderte Abgabe.
Sie unterscheidet sich von sonstigen Kirchen-
abgaben durch das Erfordernis des Umlage-
beschlusses, während jene — seien sie ding-
licher oder persönlicher Matur — auf Gesetz, Ge-
wohnheit, Observanz oder freiwilligem, dann
ur Rechtspflicht gewordenem Entschluß der
Leistenden beruhen (s. Kirchenabgaben,
Pfarrabgaben).
II. Evangelische Lirche= 1. Geschicht-
liche Entwicklung. Der Gedanke einer kirch-
lichen Gemeindesteuer als einer Korporations-
steuer war der Reformationszeit fern, die be-
berrscht von der kanonistischen Rechtsauffassung
das Kirchengut als Stiftung ansah. Wo das-
selbe nicht ausreichte, wurden unter der Herr-
schaft territorialistischer Rechtsanschauungen die
eingepfarrten oder die Ortsgemeinden für ver-
pflichtet erklärt, in denen die Aufbringung
sich im Rahmen der kommunalen Ordnungen
gestaltete. Weiter gingen die Reformierten im
Westen. Schon die Emdener Synode (1571)
erklärte die Unterhaltung des Pfarrsystems
für eine Gemeindelast. Ihr folgten die cleve-
märkische und jülich-bergische reform. Kirchen-
ordnung von 1662 und demnächst die luthe-
rische in Cleve-Mark von 1687. Das A#s.
ließ zwar die Gewohnheiten bestehen (II, 11
88 716, 774, 778), erklärte aber im allgemeinen
das Kirchen= und Pfarrgut zur Dotation der
Kirchengemeinde (l, 11 § 160) und letztere
oder die Eingepfarrten damit für verpflichtet,
die aus der Parochialverbindung fließenden
Lasten und Abgaben zu tragen (II, 11 8§ 266 ff.)
6 slugnie ihrer
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und zur Unterhaltung der Kirchenanstalten
nach den Verfassungen der Gemeinde beizu-
steuern (II, 11 § 110). War damit eine zur
Beschlußfassung über die K. geeignete Vertre-
tung im allgemeinen nicht geschaffen, so bot
doch das ALR. II, 11 § 159 über die Berufung
von Repräsentanten in außerordentlichen An-
elegenheiten und das G. vom 23. Jan. 1846
Se 23) über die Zusammenberufung der
Kirchengemeinden eine gewisse, wenn auch
notdürftige Hilfe. Inzwischen hatte im Westen
im Anschluß an die frühere Rechtsentwichlung
die rhein.-westf. KirchO. vom 5. Alärz 1835
das dort geltende Recht dahin zusammen-
gefaßt (§ 18), daß die sog. größere Repräsen-
tation in Gemeinschaft mit dem Presbyterium
die Herbeischaffung der Bedürfnisse berät und
die Umlage auf die Gemeindeglieder bewirkt.
Das Steuerrecht der Gemeinde und die Be-
rgane zur Ausübung dieses
echts wird hiermit anerkannt. Der Modus
der Ausübung des Steuerrechts erhielt so-
dann durch die Revision der rhein.-westf.
KirchO. vom 13. Juni 1853 eine präzisere
Fassung dahin, daß „die Umlage auf die
Mitglieder der kirchlichen Gemeinde nach Ver-
hältnis der von denselben zu zahlenden direk-
ten Staats= und Kommunalsteuern bewirkt
und dieselbe der Regierung zur Vollziehung
vorgelegt" werde. Durch das Kirch G., betr.
Abänderungen und Zusätze zur rhein.= westf.
Kirch O., vom 27. April 1891 (#chWl. 18) ist
diese Bestimmung (§ 18 lit. ch dahin festgesetzt
worden, „daß die Umlage auf die Mitglieder
der hkirchlichen Gemeinde nach Maßgabe direkter
Staatssteuern oder Kommunalsteuern“ zu be-
wirken sei. Diesem Vorbilde folgend wurde
für die östlichen Provinzen im § 31 Ziff. 6
KSSa. vorgeschrieben, daß der Gemeinde-
kirchenrat unter Mkitwirkung der Gemeinde-
vertretung zu beschließen habe bei Festsetzung
der auf die Gemeinde zu repartierenden Um-
lagen und bei Bestimmung des Repartitions-
fußes, welcher nach Maßgabe direkter Staats-
steuern oder am Ort erhobener Kommunal-=
steuern festgesetzt werden muß. Hinsichtlich
der Vollstrechbarkeit beschränkte sich das G.,
betr. die ev. Kirchengemeinde= und Synodal-
ordnung usw., vom 25. Mai 1874 (CS. 147)
im Art. 3 auf die Bestimmung: „Beschlüsse
über Umlagen auf die Gemeindeglieder können
erst dann vollstrecht werden, wenn sie von der
Staatsbehörde für vollstreckbar erklärt worden
sind. Diese Erklärung ist insbesondere zu
versagen, sofern Bedenken hinsichtlich der
Ordnungsmäßigkeit der Auferlegung, der An-
gemessenheit des Beitragsfußes oder der Lei-
stungsfähigkeit der Pflichtigen bestehen.“ Im
Art. 9 des G. vom 25. Wai 1874 wurden
alle der KGSDO. entgegenstehenden Bestim—
mungen, mögen dieselben im ALR., in Pro-
vinzialgesetzen oder in Lobalgesetzen und
Lokalordnungen enthalten oder durch Obser-
vanz oder Gewohnheit begründet sein, vom
1. Juli 1874 ab außer Kraft gesetzt. Nach
Inkrafttreten der KcSO. und des Staats-
gesetzes vom 25. Mai 1874 herrschte zunächst,
und zwar auch bei den staatlichen und kirch-
lichen Behörden die Auffassung, daß die Steuer-
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