Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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befugnis der Kirchengemeinden ausschließlich 
nach § 31 Ziff. 6 KGOSO. zu beurteilen, daß 
insbesondere alle älteren Normen durch Art. 9 
zit. aufgehoben seien (ogl. Erl. vom 12. Juni 
1875 — f6K0VBil. 1876/77, 53). Die Gerichte 
haben sich indes dieser Rechtsauffassung ver- 
sagt. Sie gingen davon aus, daß 8§ 31 Ziff. 6 
nur auf die durch neue kirchliche Bedürfnisse 
bedingten Umlagen sich bezöge, daß dagegen 
die von alters her bestehenden Bedürfnisse nach 
den Normen des älteren Rechts zu decken seien 
(OTr. 80, 124; 81, 75; RG3Z. 1, 140). Damit 
waren die seit Jahrhunderten hergebrachten 
längst veralteten Verteilungsmaßstäbe wieder 
aufgelebt. Das neue Recht über die Umlage- 
beschlüsse erhielt inzwischen seine weitere Aus- 
bildung durch die Anordnungen der Staats- 
behörden, welche bei Reklamationen entschieden 
(Erl. vom 15. Jaon. 1881 — KWl. 10) und 
über die Vollstreckbarkeit der Umlagebeschlüsse 
zu befinden hatten. Insbesondere gehören hier- 
her das Verbot von Zuschlägen zur Grund-, 
Gebäude= und Gewerbesteuer bei der Vertei- 
lung aller durch die neuere Gesetzgebung ein- 
geführten Lasten (St MBeschl. vom 13. Febr. 1882 
und 30. Aug. 1884 — fK. Druchs. des AbgH. 1884 
Nr. 138) und das Verbot der Doppelbesteue- 
rung (Erl. vom 5. Febr. 1886 — KCOBil. 20). 
Andere Streitfragen betrafen die Zulässigkeit 
der Vorbelastung einzelner Gemeindeteile, die 
Vorausleistung bei Parochialregulierungen (An- 
gelegenheiten, welche für die bürgerlichen Ge- 
meinden durch die neuere Kommunalgesetz- 
gebung geregelt sind), ferner die Besteuerung 
des Patrons, der zugleich Eingepfarrter ist 
([. Str A. 67, 146). Endlich fehlte dem kirch- 
lichen Steuerwesen der Rechtsschutz durch eine 
verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung. Zur 
Beseitigung dieser Mißstände ist für die altlän- 
dischen Provinzen das von der Generalsynode 
im Jahre 1903 beschlossene KirchS. vom 26. Mai 
1905, betr. die Erhebung von Kirchen- 
steuern in den Kirchengemeinden und 
Parochialverbänden, ergangen (K8SOBl.31 
— .. Druchks. des Herrenhauses Nr. 104). 
Ausgehend von dem obsektiven BRecht der 
Kirchengemeinde zur Erhebung von K., soweit 
zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse andere 
Einnahmegquellen nicht zur Verfügung stehen 
(6 1), regelt das Gesetz die subjektive Ver- 
pflichtung der der ZKirchengemeinde durch 
Wohnsitz angehörigen Evangelischen (§ 2), im 
einzelnen diese Verpflichtung zur Vermeidung 
mehrfacher Besteuerung zeitlich (§ 3) und ört- 
lich (6 4) begrenzend, und für die Steuer- 
pflicht des evangelischen Teils einer gemischten 
Ehe (8 5), ogie des Patrons lim bisherigen 
Umfangel (§ 6), sowie für die Befreiungen von 
der Steuerpflicht (§ 7) die erforderlichen Vor- 
schriften festsetzend — vorbehaltlich wohlerwor- 
bener Rechte (& 8). Die allgemeinen Grund- 
sätze über die Umlegung der K. schließen sich, 
was den objektiven Verteilungsmaßstab an- 
langt, an die bewährte Zugrundelegung der 
staatlichen bzww. staatlich veranlagten Steuern 
an (§5 9 u. 10) und gehen subjektiv von dem 
Gesichtspunkt gleichmäßiger Belastung aller 
Zensiten (6 11) aus, indem dabei aus kirch- 
lichen Gründen sowohl eine Befreiung der 
  
Kirchensteuern. 
untersten Stufen der Staatseinkommensteuer 
als auch in besonderen Fällen eine Sonder- 
belastung einzelner Gemeindeteile (§ 12), eine 
Steuervereinbarung mit steuerpflichtigen Unter- 
nehmern größerer Betriebe (§ 14), sowie die 
Freilassung einzelner Steuerpflichtigen (§ 15) 
zugelassen wird. 
2. Im einzelnen bestimmt das Kirch G., welches 
in seinen wesentlichen Teilen dem Kommunal-= 
abgabengesetz (s. d.) nachgebildet und am 
1. April 1906 (s. Ausf B. vom 21. März 1906 — 
KGVBl. 1; AusfAnw. vom 22. März 1906 — 
8#VBl. 5) in Kraft getreten ist, daß a) eine 
Kirchensteuererhebung nur insoweit stattfin- 
den darf, als die sonstigen verfügbaren Ein- 
nahmen zur Befriedigung der Bedürfnisse 
nicht ausreichen und daß die Steuer- 
beschlüsse der Genehmigung bedürfen (8 1); 
daß die Steuern für das Rechnungssahr um- 
zulegen sind und als Maßstab hierfür, 
falls nicht die Gemeinde die Beibehaltung 
einer älteren, zu Recht bestehenden Ordnung 
beschließt (§ 30), die Staatseinkommensteuer, 
erforderlichenfalls einschließlich der fingierten 
Einkommensteuer (s. d.), und sofern daneben 
eine Heranziehung der Realsteuern erfolgen 
soll, die staatlich veranlagte Grund-, Gebäude- 
und Gewerbesteuer zu dienen hat, während 
die Ergänzungs-, die Hausier= und Waren- 
hauesteuer freizulassen sind (§ 9); daß die 
ealsteuern nicht mit einem höheren Pro- 
zentsatze als die Einkommensteuern, wohl aber 
mit einem geringeren Prozentsatze als diese 
herangezogen oder auch ganz freigelassen wer- 
den dürfen und daß eine Heranziehung nur 
für innerhalb der Kirchengemeinde belegenen 
Grundbesitz, bzw. Gewerbebetrieb zulässig ist 
( 10); daß ferner die Erhebung in Form von 
gleichmäßigen Zuschlägen zu den der Be- 
steuerung zugrunde liegenden Staats= oder 
staatlich veranlagten Steuern zu erfolgen hat, 
wobei jedoch eine Freilassung der fingierten 
Aormalsteuersätze sowie der sechs untersten 
Stufen der Einkommensteuer ebensowenig aus- 
geschlossen ist, als eine Sonderbelastung ein- 
zelner Teile der Kirchengemeinde, wie auch — 
unter Genehmigung der betreffenden Beschlüsse 
— mit steuerpflichtigen Fabrik= und Berg- 
werksbesitzern der Abschluß fester Steuer- 
vereinbarungen auf mehrere Jahre, und 
in besonderen Fällen (bei Veränderung von 
Pfarrbezirkhen sowie zum Ausgleiche für erheb- 
liche Aufwendungen zugunsten einer Kirchen- 
emeinde) die Freilassung oder geringere 
eranziehung einzelner Steuerpflichtiger 
zulässig ist (58 11, 12, 14, 15). Für die Er- 
mittelung des Steuersatzes in densenig en 
Fällen, in welchen die staatlich veranlagte Steuer 
nicht die unveränderte Grundlage der Steuer- 
zuschläge bildet, s. §§ 13, 17. # 
b) Der Kirchensteuerpflicht sind alle 
Evangelischen, welche der Kirchengemeinde 
durch Wohnsitz angehören, und zwar vom ersten 
Tage des auf die Begründung des Wohnsitzes 
folgenden Monats an, unterworfen (§§ 2, 3). 
Bei der Heranziehung von Personen mit 
mehrfachem Wehn##s#tze innerhalb oder 
innerhalb und außerhalb der ev. Landeskirche 
der älteren Provinzen verbleibt derjenige Teil
	        
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