Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

924 Klasseneinteilung (der 
Klasseneinteilung (der Orte) s. Servis 
und Servistarif. 
Klassensteuer. I. Begriff. K. ist begriff- 
lich jede Steuer, bei welcher die steuerpflich- 
tigen Personen oder die Gegenstände der Be- 
steuerung dergestalt in lassen eingeteilt 
werden, daß innerhalb jeder Klasse ungeachtet 
der hinsichtlich der Steuerfähigkeit bestehenden 
Unterschiede derselbe Steuersatz zur Anwendung 
kommt. K. in diesem sich mit dem Begriff 
der „klassifizierten" dechenden Sinne sind 
also alle direkten Steuern, die nach einem 
Tarife erhoben werden, nach welchem in jeder 
„Steuerstufe“ nur ein absolut bestimmter 
Steuersatz zu entrichten ist, im Gegensatz zu 
densenigen, bei denen der Steuersatz in einem 
bestimmten Prozentsatz des Wertes der ein- 
zelnen Bemessungsgrundlage besteht, also nach 
diesem Wert in jedem einzelnen Fall berechnet 
wird. Bei dieser rein prozentualen Besteue- 
rung beeinflußt also der geringste Fehler in 
der Wertschätzung der Bemessungsgrundlage 
die Höhe der Steuer, während dies bei den 
klassifizierten Steuern nur dann der Fall ist, 
wenn durch den Fehler die Veranlagung in 
einer anderen als der dem wahren Werte ent- 
sprechenden Stufe erfolgt. Für die Praxis 
sind also die klassifizierten Steuern geeigneter, 
wenn auch theoretisch weniger gerecht als pro- 
zentuale, und trotz der Fortschritte der Steuer- 
technin sind daher auch heute die direkten 
Steuern, wenigstens soweit sie über den Kreis 
kleinerer Gemeinwesen hinausgehen und mit 
einer großen Zahl von Steuerpflichtigen zu 
tun haben, klassifiziert, so in Preußen die 
Einkommen-, die Ergänzungs-, die Grund-, 
Gebäude= und Gewerbesteuer. Eine Ausnahme 
macht die Eisenbahnabgabe, bei der es sich 
um eine geringe Zahl Steuerpflichtiger han- 
delt, deren Steuerbemessungsgrundlage durch 
die vorgelegte Buchführung unschwer auf den 
Pfennig genau festzustellen ist. Im engern 
und eigentlichen Sinne versteht man aber 
unter K. nicht jede klassifizierte Steuer, son- 
dern nur eine bestimmte Art der Personal- 
steuern, welche von Hause aus davon absieht, 
das Einkommen oder Vermögen der Steuer- 
pflichtigen nach seiner ziffernmäßigen Höhe zu 
ermitteln und besteuern, sich vielmehr damit 
begnügt, die Steuer nach der sozialen Schich- 
tung der Steuerpflichtigen abzustufen. Die 
K. in diesem Sinne stellt also einen Fortschritt 
gegen die Kopfsteuer dar, die nur das Vor- 
handensein, nicht die einen gewissen Schluß 
auf die Steuerkraft zulassende soziale Stellung 
der Person berücksichtigt; sie bildet dagegen 
eine unvollkommenere Form der Personalbe- 
steuerung als die Einkommensteuer, weil aus. 
der sozialen Stellung nur ein ungleich unsicherer 
Rüchschluß auf die Steuerfähigkeit möglich ist 
als aus dem Einkommen. Die K. ist daher 
auch jünger als die Kopfsteuer, aber älter als 
die Einkommensteuer. 
II. Geschichte der K. in Preußzen. Auch in 
Preußen bildete die K. die Nachfolgerin einer 
Kopfsteuer, der 1811 zur Dechung des aus der 
Einschränkung der Azzisen erwachsenden Aus- 
falls auf dem platten Lande und in den 
kleinen Städten eingeführten „fixierten Per- 
Orte) — Klassensteuer. 
sonensteuer“. Sie wurde an deren Stelle, 
aber auch nur auf dem platten Lande und in 
den nicht mahl= und schlachtsteuerpflichtigen 
Städten, eingeführt durch das G. wegen En- 
führung einer K. vom 30. Mai 1820 (GS. 140) 
und unterschied fünf Klassen: V Lohnarbeiter, 
gemeines Gesinde und Tagelöhner; IV der „ge- 
ringere Bürger= und Bauernstand“; III und U 
die „wohlhabenden" und Il die „vorzüglich 
wohlhabenden und reichen Einwohner“; für 
die Verschiedenheit des kleinen Grundbesitzes 
und Gewerbebetriebes konnte nach Ermessen 
der obersten Verwaltungsbehörde zwischen der 
IV. und V. noch eine Klasse eingeschaltet 
werden. Die Steuersätze betrugen in Klasse V. 
1½, IV 4, III 12, II 24 und 1 48 Tlr., in der 
Zwischenklasse zwischen IV und V.2 Tlr. Außer 
in V war der Steuersatz für jede Haushaltung 
nur einmal zu entrichten; Personen, die weder 
einen eigenen Haushalt führten noch einem 
anderen angehörten, zahlten ihn nur zur Hälfte. 
In Klasse V steuerte jede Person, aus einem 
Haushalt aber höchstens drei. Die genaueren 
Klassenmerkmale wurden für jeden Regierungs- 
bezirt durch eine vom König vollzogene In- 
struktion bestimmt. Die weitere Geschichte 
dieser K. charakterisiert sich als eine schritt- 
weise Umbildung zur Einkommensteuer. Die 
fünf bzw. sechs Klassen erwiesen sich sofort als 
unzureichend, um auch nur einigermaßen den 
Verschiedenheiten der sozialen Stellung und 
der Wohlhabenheit gerecht zu werden. Schon 
durch KabO. vom 12. Dez. 1820 wurde eine 
Stufe zwischen III und IV mit 8 Tlr. Steuer- 
satz eingeschoben, und durch KabO. vom 
5. Sept. 1821 (GS. 154) wurde die Zahl der 
Klassen auf zwölf — jetzt Stufen genannt — 
mit Steuersätzen von 144, 96, 48; 24, 18, 12, 
8; 6, 4, 3, 2 und ½ Tlr. vermehrt, von denen 
je drei eine „Hauptklasse“ bilden sollten, so- 
daß in der ersten Hauptklasse die „besonders 
wohlhabenden und reichen Einwohner“, in der 
zweiten die „wohlhabenderen“, in der dritten 
der „geringere Bürger= und Bauernstand“" und 
in der vierten „gemeines Gesinde, Tagelöhner“ 
und „ganz geringe Grundbesitzer und Ge- 
werbetreibende, welche sich hauptsächlich vom 
Tagelohn nähren“ zu besteuern, innerhalb 
jeder Hauptklasse aber die der individuellen 
Leistungsfähigkeit entsprechende der drei zu- 
lässigen Stufen zur Anwendung zu bringen 
war. Für die Bheinprovinz wurden durch 
KabpO. vom 1. Dez. 1818 bzw. Regul. vom 
2. Juni 1829 die Stufen noch um sechs, von 
120, 72, 60, 36 und 30 Tlr. in der ersten und 
von 10 Tlr. in der Gweiten Hauptklasse ver- 
mehrt. Durch das G., betr. Einführung 
einer Klassen= und klassifizierten Ein- 
kommensteuer, vom 1. Mai 1851 (s. Ein- 
kommensteuer II) wurde die 8. nur für 
Personen mit Einkommen von nicht mehr als 
1000 Tlr. beibehalten. Da trotzdem weiter 
zwölf Stufen — mit Steuersätzen von 24, 20, 
16, 12, 10, 8, 6, 5, 4, 3, 2 und 1 Tlr. bzw. 
für Einzelsteuernde, die übrigens in den 
übrigen elf Stufen jetzt den vollen Steuersatz 
zu entrichten hatten, ½ Tlr. — unterschieden 
wurden, bedeutet das Gesetz einen wesentlichen 
  
Fortschritt in der Anpassung an die individuelle
	        
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