Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Kommunalabgabengesetz. 
Von diesen Regeln hann aber aus besondern 
Gründen zugunsten sowohl der einen wie der 
andern Steuerart abgewichen werden; dabei 
ist davon auszugehen, daß überwiegend den 
Realsteuerpflichtigen zum Vorteil gereichende, 
nicht bereits durch Gebühren, Beiträge oder 
Mehrbelastung (s. u.) gedechte Gemeindeauf- 
wendungen, wie insbesondere für Verkehrs- 
wege, Ent= und Bewässerung, durch Real- 
steuern gedecht werden. Aber auch bei regel- 
mäßiger Verteilung soll nicht willkürlich eines 
der vom & . zugelassenen Belastungsverhält- 
nisse gewählt, sondern dieser Gesichtspunkt be- 
rüchsichtigt werden, so zwar, daß in der Regel 
Aufwendungen, welche allen Gemeindeangehö- 
rigen zugute Kommen oder durch sie veranlaßt 
werden, vorzugsweise — nicht ausschließlich — 
durch Einkommensteuer, solche, die ganz über- 
wiegend im Interesse der Grundbesitzer und 
Gewerbetreibenden liegen, lediglich durch Real- 
steuern, Aufwendungen im allgemeinen Inter- 
esse, an denen aber daneben Grundbesitz und 
Gewerbe ein besonderes Interesse haben, nach 
billigem Ermessen durch Heranziehung beider 
Steuerarten gedecht werden. Der nach diesen 
Grundsätzen den Realsteuern zur Last fallende 
Teil des Steuerbedarfs (Realsteuerbedarf) ist 
in der Regel auf Liegenschaften, Gebäude und 
Gewerbe so unterzuverteilen, daß die drei 
Realsteuern mit dem gleichen Prozentsatz des 
staatlichen Veranlagungssolls belastet werden; 
genießt jedoch der unbebaute oder bebaute 
Grundbesitz oder der Gewerbebetrieb von den 
Gemeindeveranstaltungen besondere Vorteile 
oder verursacht er der Gemeinde besondere 
Kosten, so ist er, wenn die Ausgleichung nicht 
durch Gebühren usw. erfolgt, entsprechend höher 
zu belasten, aber in der Regel nicht über das 
Doppelte hinaus. Auf die Bauplatz= und Be- 
triebssteuer (s. d.) finden die Verteilungsregeln 
keine Anwendung; ihr Aufkommen vermindert 
vorweg den direkten Steuerbedarf. Uber die 
Steuerverteilung hat die Gemeinde bis zum 
1. Juli des Rechnungsjahres zu beschließen, 
widrigenfalls das Belastungsverhältnis von 
3:2 zwischen Realsteuern und Einkommen- 
steuer oder ein von der Aufsichtsbehörde an- 
geordnetes anderes, innerhalb der Verteilungs- 
regeln liegendes, eintritt (§8 54—59; Ausf- 
Anw. Art. 39, 40). Um dem Grundsatze der 
Interessebelastung Rechnung zu tragen, läßt 
das KA. auch Mehr= und Minderbela- 
stungen — aber keine ausschließliche Be- 
lastung (O. 42, 46) — einzelner Teile des 
Gemeindebezirks oder einzelner Klassen von 
Gemeindeangehörigen bei der Steuervertei- 
lung zu, sofern diese Bezirksteile und Klassen 
an einzelnen Gemeindeveranstaltungen in be- 
sonders hohem oder besonders geringem Maße 
interessiert sind und nicht zum Ausgleich Ge- 
bühren oder Beiträge erhoben werden; dabei 
ist der Mettobedarf für Herstellung und Unter- 
haltung in Betracht zu ziehen 8 20; Ausf- 
Anw. Art. 13). 
2. Die einzelnen direkten Gemeinde- 
steuern. Die Realsteuern können von den 
Gemeinden entweder auf Grund autonomer 
Steuerordnungen in Form besonderer Ge- 
meindesteuern oder in Gestalt von Prozenten 
  
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der staatlich veranlagten Grund-, Gebäude- 
und Gewerbesteuer erhoben werden; dagegen 
sind besondere Gemeindeeinkommensteuern nur 
ausnahmsweise zulässig: in der Regel sind 
Zuschläge zur Staatseinkommensteuer zu er- 
heben. Vgl. Gemeindeeinkommensteuer, 
Gemeindegewerbesteuer, Gemeinde- 
grundsteuer; wegen der formellen Vor- 
schriften s. unter D. Die Ergänzungs- 
à egr unterliegt Gemeindezuschlägen nicht 
C. Neben den Steuern können die Gemein— 
den von den Real- und Einkommensteuer— 
pflichtigen Aaturaldienste Gand- und 
Spanndienste) fordern (vgl. hierüber Natu- 
raldienste). 
D. Formelle Vorschriften. 1. Besondere 
indirekte oder direktte Gemeindesteuern müssen 
durch von der Gemeinde beschlossene Steuer- 
ordnung eingeführt werden, welche der Ge- 
nehmigung des Bez A., gegenüber Landgemein- 
den des Kr A. unter Zustimmung des MdÖ9. 
und des FM. bedarf; die Zustimmungsbefug- 
nis ist von den Miinistern hinsichtlich direkter 
Steuer für die Städte bis zu 10 000 Einw., 
hinsichtlich indirenbter mit gewissen Maßgaben 
auch für größere Städte auf die Oberpräsi- 
denten, für Landgemeinden in gleicher Aus- 
dehnung auf die Regierungspräsidenten über- 
tragen (§8 18, 23, 77; Erl. vom 3. Dez. 1900 
— 1. 1901, 7 — und vom 21. Okt. 1903 
— MBl. 241). Wegen der Beschwerde gegen 
den über die Genehmigung befindenden Be. 
schluß gilt das im Artikel Genehmigung 
steuerlicher Gemeindebeschlüsse Be- 
merkte. 
2. Die Veranlagung direkter Gemeinde- 
steuern erfolgt durch den Gemeindevorstand 
oder einen besonderen Steuerausschuß der Ge- 
meinde. Staats= und Behörden anderer Ge- 
meinden haben ihm über die Besteuerungs- 
merkmale Auskunft zu erteilen. Auch kann 
durch die Steuerordnung dem Steuerpflichtigen 
die Verpflichtung auferlegt werden, auf Ver- 
langen Auskunft über ihm bestimmt bezeich- 
nete Tatsachen zu erteilen. Die Veranlagung 
der Gemeindeeinkommensteuer muß alljährlich, 
die der Realsteuern kann auf Grund einer 
Bestimmung der Steuerordnung auch für 
mehrere Jahre erfolgen (68 61—64; Ausf Anw. 
Art. 42). 
3. Die Steuerpflichtigen werden von der 
Veranlagung benachrichtigt a) bei Erhebung 
von Prozenten der staatlich veranlagten Real- 
steuern und von Einkommensteuerzuschlägen, 
sofern die staatlich veranlagte Steuer die un- 
veränderte Grundlage für die Gemeindesteuer 
bildet, durch öffentliche Bekanntmachung der 
zu erhebenden Prozentsätze, sonst durch beson- 
dere Zuschrift; b) bei besonderen Gemeinde- 
steuern die in der Gemeinde wohnhaften 
physischen Personen durch Offenlegung der 
Heberolle (s. Heberollen bei Steuern) oder 
Zuschrift, im übrigen stets durch Zuschrift; 
c) bei Zugängen im Laufe des JFahres stets 
durch Zuschrift (§ 65; AusfAnw. Art. 43). 
4. Rechtsmittel gegen die Heranziehung 
zu Gebühren, Beiträgen, Steuern und Natu- 
raldiensten sind der Einspruch und gegen den
	        
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