Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Konflikte und Konfliktserhebung. 
statt des Verwaltungs= oder Verwaltungs- 
streitverfahrens oder das Verwaltungsstreit- 
verfahren statt des bloßen Verwaltungsver- 
fahrens stattfindet, handelte es sich bis zum 
EGBGB. bei den Konflikten lediglich darum, 
ob einem Beamten eine zur gerichtlichen Ver— 
folgung geeignete Amtspflichtverletzung zur 
Last fiel, und handelt es sich jetzt bei ihnen 
um die Feststellung, ob ein Beamter sich 
in Ausübung oder in Veranlassung der 
Ausübung seines Amtes obsektiv einer 
Uberschreitung seiner Amtsbefugnisse 
oder der Unterlassung einer ihm ob- 
liegenden Amtshandlung schuldig ge- 
macht oder ob eine Person des Soldaten- 
standes sich in entsprechender Weise ver- 
fehlt hat. Die Kompetenz der Gerichte wird 
dabei nicht nur nicht bestritten, sondern im 
Gegenteil gerade vorausgesetzt. Es ist daher, 
nachdem im Konfliktsverfahren die Amts- 
oder Dienstpflichtverletzung bejaht worden, 
noch ein Kompetenzkonflikt möglich, und um- 
gekehrt kann auch der Konflikt noch erhoben 
werden, nachdem ein Kompetenzkonflikt ver- 
worfen worden ist. Die auf den Konflikt sich 
beziehenden Bestimmungen sind enthalten in 
den G. vom 8. April 1847 (GS. 170) und 
vom 13. Febr. 1854 (GS. 86), eingeführt in 
die neuen Landesteile durch die V. vom 
16. Sept. 1867 (GS. 1515) und das G. vom 
25. Febr. 1878 (GS. 97), in Helgoland durch 
die B. vom 22. März 1891 (GS. 39), in dem § 11 
E. z. GV. und in dem § 114 LV. 
II. Zu den Beamten, hinsichtlich welcher 
diese KRonfliktserhebung zugelassen ist, 
ehören nicht die richterlichen und anderen 
ustizbeamten — nämlich der Gerichte 
mit Ausnahme der Beamten der Staats- 
anwaltschaft und der gerichtlichen Polizei, 
sonst aber alle staatlichen Zivil= und Militär- 
beamten, jedoch nur preußische, nicht auch 
Reichsbeamte, jene aber ohne Unterschied, ob 
sie unmittelbare oder bloß mittelbare Staats- 
beamte sind (G. vom 13. Febr. 1854 § 5) nicht 
Geistliche, weder in den alten noch in den 
neuen Provinzen (O#. 8, 390; 19 S. 420, 
435), auch nicht die Superintendenten (O. 
20, 451), dagegen die Mitglieder der Konsi- 
storien (OVG. 35, 449), die Feuerlöschdirigen- 
ten in Westfalen und die Mitglieder einer 
unter polizeilicher Genehmigung gebildeten 
freiwilligen Feuerwehr (O#. 8, 403), die 
landschaftlichen Beamten sowie die Lehrer an 
obligatorischen städtischen Fortbildungsschulen 
(OV. 30, 438) und an städtischen höheren 
Mädchenschulen (OVG. im Pr VBl. 20, 138), 
alle Lehrer an öffentlichen, nichtstaatlichen. 
Unterrichts= und Erziehungsanstalten, auch an 
Stiftsschulen, selbst wenn sie keinen Diensteid 
geleistet haben (OVe . im Pr VBl. 25, 871), 
vereidigten Kandidaten des höheren Schul- 
amts (OV. im Pr VWBl. 26, 407), und die 
Vorsteher von Gesamtarmenverbänden (O#. 
41, 443). Ein Staatsminister ist als Ressortchef 
zu seinen eigenen Gunsten den RZonflitt 8 
erheben befugt; dies gilt auch für den IM., 
da er nicht zu den richterlichen Beamten und 
auch nicht zu den bei den Gerichten tätigen 
anderen Justizbeamten gehört (OVE. in D#3Z. 
  
  
949 
11 Sp. 150). Die Konfliktserhebung findet 
statt, sobald wegen der Vornahme oder Unter- 
lassung einer Amtshandlung eine gerichtliche 
Verfolgung im Wege des Zivilprozesses oder 
Strafprozesses eingeleitet worden ist, d. i. von 
der Zustellung der Zivilklage und der Mit- 
teilung der Privatklage an den Beklagten 
oder der ersten, im Vorbereitungsverfahren 
seitens des Gerichts gegen den Beschuldigten 
ergriffenen Maßregel (O#. 16, 418; 25, 428; 
32, 451) bis zur rechtskräftigen Entscheidung 
der Hauptsache. Sie ist auch dann zulässig, 
wenn eine gerichtliche Verfolgung wegen Amts- 
andlungen gegen einen bereits aus dem 
ienste ausgeschiedenen Beamten oder gegen 
die Erben eines Beamten anhängig wird (6. 
vom 13. Febr. 1854 § 4), ebenso wegen Amts- 
handlungen eines jetzigen Reichsbeamten aus 
der Zeit, wo er preuß. Beamter war (Ob. 
32, 452). Die Konfliktserhebung steht der 
vorgesetzten Provinzial= oder Zentralbehörde 
des Beamten, immer aber nur einer unmittel- 
baren Staatsbehörde zu, insbesondere der Be- 
zirksregierung, dieser auch bei Amts= und 
Diensthandlungen der Gemeindevorsteher, Schöf- 
fen, Gutsvorsteher und Amtsvorsteher (Zirk. 
vom 11. Juni 1874 — M.Bl. 151), bei Militär- 
beamten der Intendantur, bei Mitgliedern 
von Konsistorien dem Mdg A., nicht dem Lan- 
desdirektor einer Provinz und nicht einem 
Generallandschaftsdirektor, falls jene Behörde 
glaubt, daß in der gerichtlich verfolgten Hand- 
lung keine Amtsverletzung liegt (G. vom 
13. Febr. 1854 § 4 Abs. 1; CuG. z. GV. 8§ 11). 
Die Erhebung des Konflikts erfolgt durch Uber- 
sendung eines darüber abzufassenden moti- 
vierten Beschlusses der Verwaltungsbehörde 
an das Gericht mit der Erklärung, daß der 
Konflikt erhoben werde, und mit dem Antrage, 
das Rechtsverfahren bis Zur Entscheidung über 
denselben einzustellen (G. vom 8. April 1847 
§ 4). Das Gericht stellt darauf das Verfahren 
durch einen Bescheid, gegen welchen Rhein Rechts- 
mittel zulässig ist, einstweilen mit der Wirkung 
ein, daß der Lauf der Präklusiofristen ge- 
hemmt und eine Zwangsvollstrechung bis 
zur Entscheidung über den Konflikt unzu- 
lässig ist, und fertigt diesen Bescheid nebst 
einer Abschrift des Beschlusses der Verwal- 
tungsbehörde den beteiligten Privatparteien 
mit dem Eröffnen zu, daß ihnen freistehe, sich 
binnen vier Wochen über den Konflikt schrift- 
lich zu erblären. Eine solche Erklärung muß 
von einem BRechtsanwalt unterzeichnet sein 
#). Das Gericht reicht nach Mitteilung von 
Abschriften der Erklärungen der Parteien an 
die Verwaltungsbehörde oder unter der Be- 
nachrichtigung dieser davon, daß innerhalb der 
Frist keine Erklärung eingegangen sei, — 
worauf die Provinzialverwaltungsbehörde an 
den beteiligten Verwaltungschef gutachtlich zu 
berichten hat (§ 9) — die Akten mit seinem 
Gutachten dem IM. ein, ein Amts= oder 
Landgericht durch Vermittlung des Oberlandes- 
gerichts, welches sich dann ebenfalls gutachtlich 
zu äußern hat (5§ 6, 7). Von dem vorstehenden 
Verfahren gelten im Bezirke des früheren 
Appellationsgerichtshofs zu Cöln und in der 
Prov. Hannover einige Abweichungen & 8;
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.