Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Kredit. 
die Zukunft fällt“). Man unterscheidet ins- 
besondere 1. je nachdem die Kreditgewährung 
das Essentielle des Geschäfts bildet oder nicht, 
„eigentliche (reine, beabsichtigte)" und „not- 
wendige (natürliche)“ Kreditgeschäfte; zu erstern 
ehört das Darlehn in seinen verschiedenen 
Hermen zu letztern z. B. Leihe, Pacht, Miiete, 
ienst= oder Lohnvertrag; 2. nach der Zwechk- 
bestimmung der durch den K. erlangten Güter 
Konsumtiv= und Produktivkredit; 3. nach der 
Persönlichkeit des Kreditnehmers (öffentlich- 
rechtliche Korporation — Privatperson) öffent- 
lichen und Privatkredit; 4. nach der Kredit- 
frist K. auf bestimmte oder unbestimmte Zeit, 
den K. auf bestimmte Zeit nach der Länge der 
Frist in Rkurz= oder langfristigen, den auf un- 
bestimmte Zeit in kündbaren und unkündbaren 
G. B. die Reichs= und preuß. Staatsanleihen 
und andere „Rentenschulden"); 5. nach der 
Garantie, auf der das Vertrauen des Kredit- 
ebers zum Kreditnehmer beruht, Personal- 
Schuldschein, Wechsel, heutige Reichs-, Staats- 
und Kommunalanleihen) und Realtkredit 
(Faustpfand mit der Unterart des Lombards, 
Hypothek). Unterarten des Realkredits sind 
je nach der Natur des Pfandobjekts der Mo- 
biliar= und der Immobiliar-oder Grund- 
kredit, der letztere als der wichtigere wird 
öfter schlechthin als Realkredit bezeichnet. Jene 
Unterscheidung hat noch nach einer andern 
Richtung hin Bedeutung. Das Kreditbedürf- 
nis ist bald ein vorübergehendes, bald 
ein dauerndes. Für den ersteren ist die 
Form des Personalkredits, für den andern die 
des Realkredits die geeignete; nicht die Person, 
nur das Pfandobsekt bietet dauernd Sicher- 
heit, und die für den Grundbesitz besonders 
geeignete Form des unkündbaren (Amorti- 
sations-) K. ist nur als Realkredit denkbar. 
Volkswirtschaftlich hat der K. die Bedeutung, 
das Kapital aus der Hand der zufälligen 
Eigentümer den Stellen zuzuführen, wo das 
größere wirtschaftliche Bedürfnis zugleich eine 
produktivere Verwendung in Aussicht stellt, 
und die von dieser Tendenz getragene moderne 
Entwicklung des Kreditwesens hat vielleicht 
den wesentlichsten Anteil an dem Aufschwunge 
der Industrie und der Technik seit den letzten 
Menschenaltern. Weniger günstig ist die Aus- 
dehnung des K. für den Grundbesitz, wenigstens 
für den ländlichen, gewesen. Die Erleichterung 
der Kreditbeschaffung hat hier zwar ebenfalls 
nützlich gewirkt, aber sie zeigt auch ihre Kehr- 
seite in einer bedenklichen Zunahme der Ver- 
schuldung. Es kommt dabei in Betracht, daß 
der Grundkredit vielfach für nicht-produktive 
Zwecke benutzt wird (Resthaufgelder, Erbab- 
findungen), und daß hierbei die für jeden ge- 
sun den K. geltende Voraussetzung nicht immer 
erfüllt wird, daß nämlich das entliehene 
Kapital in den Händen des Kreditnehmers 
mindestens so viel Ertrag liefern muß, um die 
Zinsen an den Gläubiger zu decken. 
II. Der Einfluß des Staates auf das 
Kreditwesen macht sich hauptsächlich in der 
allgemeinen Schuldgesetzgebung geltend. Diese 
hat sich von der Auffassung des kanoni- 
schen Rechtes, daß Ausleihen von Geld gegen 
Zinsen ein Unrecht sei, freigemacht. Indem 
  
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die moderne Gesetzgebung auf der einen Seite 
die Schuldhaft beseitigt und den Kreis der der 
Pfändung unterliegenden Sachen und Rechte 
eingeschränkt hat (3ZPO. 88 811, 812, 850), hat 
sie andererseits die Zinsbeschränkungen auf- 
ehoben (mit Ausnahme des Verbots von 
Iinfeszinsen, BGB. 8 248, vgl. auch § 247) 
und ebenso die kreditschädlichen Bestimmungen 
des gemeinen Rechtes (querela non numeratae 
pecuniae, Moratorien usfw.). Die zum Schutze 
gegen mißbräuchliche Ausnutzung erlassenen 
neuen Wuchergesetze (s. Wucher) haben die 
von ihren Gegnern vorausgesagten schädlichen 
Folgen für das Kreditwesen nicht gezeitigt. Das 
Prozeßverfahren und die Zwangsvollstrechung 
sind ebenfalls unter dem Gesichtspunkte ge- 
ordnet, dem berechtigten Interesse des Gläu- 
bigers wie dem des Schuldners in gleicher 
Weise Rechnung zu tragen. Dem Personal= 
kredit im allgemeinen ist die Ausbildung des 
Wechselrechts und des Bechts der kauf- 
männischen Anweisungen zugute gekommen. 
III. Für den Grundkredit hat gegenüber 
den völlig unzureichenden Bestimmungen des 
gemeinen und des franz. Rechtes (die in der 
Rheinprovinz erst durch das G. vom 20. Mai, 
1885 — GS. 139 — eine Abänderung er- 
fuhren), die auf den Grundsätzen des preuß. 
Rechtes aufgebaute neue Grundbuch= und 
Zwangsversteigerungsgesetzgebungeine 
den Bedürfnissen des Kreditverkehrs voll ent- 
sprechende Grundlage hergestellt. Der Natur 
des ländlichen Grundbesitzes als eines Renten- 
fonds entsprechend, ist im B. neben der 
Hypothek und der Grundschuld die Renten- 
schuld als eine Abart der Grundschuld neu ein- 
geführt worden (BGB. 88 1199 ff.). Eine Grund- 
schuld kann danach in der Weise bestellt werden, 
daß in regelmäßig wiederkehrenden Terminen 
eine bestimmte Geldsumme aus dem Grund- 
stüche zu zahlen ist, die Ablösungssumme ist im 
Grundbuche anzugeben. Als eine vom Stand- 
punkte des Kreditwesens nicht unbedenkliche 
Aeuerung ist die Vorschrift zu erwähnen, daß 
die Eintragung von Zwangshypotheken für 
rechtskräftige Forderungen auf Beträge von 
mehr als 300 Ml beschränkt ist (ZSP. 8 866 
Abs. 3). Von erheblichem Einflusse auf den K. 
der beteiligten Werte ist schließlich die Regelung 
der Mündelsicherheit (s. d.), weil in der 
Beilegung der Mündelsicherheit die Uberzeu- 
ung der gesetzgebenden Faktoren von der 
icherheit der betreffenden Werte ausge- 
sprochen ist. 
IV. ANeben diesen allgemeinen für das Kredit- 
wesen in Betracht kommenden Vorschriften sind 
die positiven, auf Förderung des K. oder 
einzelner seiner Zweige gerichteten staat- 
lichen und sonstigen öffentlichen Maß- 
nahmen und Einrichtungen zu erörtern. 
Hauptsächlich dem K. des mobilen Kapitals 
dient die Reichsbank in ihrem Wechsel= und 
Lombardverkehr (s. Beichsbantz), auch die 
Seehandlung (preuß. Staatsbank) (s. d.] bei 
der ihr obliegenden Mutzbarmachung vorüber- 
gehend disponibler Staatsgelder. Die öffent- 
lichen Pfandleihanstalten (s. d.) sind vor- 
zugsweise für den ärmsten Teil der Bevölkerung 
bestimmt. Das hauptsächlich der Förderung
	        
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