Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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Kommunalabgabenpflicht auch den Forensen 
zu (OVG. 16, 4), d. h. denjenigen Personen, 
die dem Kreise nicht durch Wohnsitz, sondern 
nur durch den Besitz von Grundeigentum oder 
Betrieb eines stehenden Gewerbes bzw. des 
Bergbaues angehören. Die K. sind ver- 
pflichtet, unbesoldete Amter in der Ver- 
waltung und Vertretung des Kreises auf die 
Dauer von mindestens drei Jahren zu über- 
nehmen. Zur Ablehnung oder früheren Nie- 
derlegung solcher Amter berechtigen: 1. anhal- 
tende Krankheit, 2. Geschäfte, die eine häufige 
oder lange dauernde Abwesenheit vom Wohn- 
orte mit sich bringen; 3. das Alter von sechzig 
Jahren; 4. die Verwaltung eines unmittel- 
baren Staatsamtes; 5. sonstige besondere Ver- 
hältnisse, die nach dem Ermessen des Kreis- 
tages eine gültige Entschuldigung begründen. 
Wer ein unbesoldetes Amt in der Verwaltung 
oder Vertretung des Kreises drei Jahre hin- 
durch versehen hat, kann die Ubernahme des- 
selben oder eines gleichartigen (d. h. eines 
Amtes, das denselben Umfang an Wirksam- 
keit, Leistung und Zeit erfordert, als das bis- 
her verwaltete) für die nächsten drei Jahre ab- 
lehnen. Im Falle unbegründeter Weigerung 
der Amtsübernahme kann durch Beschluß des 
Kreistages für einen Zeitraum von drei bis 
sechs Jahren der Verlust des Rechtes auf Teil- 
nahme an der Vertretung und Verwaltung 
des Kreises und die um ein Achtel bis ein Z 
Viertel stärkere Heranziehung zu den Kreis- 
abgaben ausgesprochen werden. Gegen den 
Beschluß findet innerhalb zwei Wochen die 
Klage bei dem BezAl. statt. Zu den unbesol- 
deten Amtern in der Verwaltung und Ver- 
tretung des Kreises sind zu rechnen: das Ge- 
meindevorsteher= und Schöffenamt, das Amt 
des Amtsvorstehers und Kreisdeputierten, das 
Amt eines Miltgliedes des Kreistages, des 
Kr A., einer Kreiskommission oder eines Amts- 
ausschusses. Dagegen zählt das Amt des Guts- 
vorstehers nicht zu diesen Amtern, weil die 
Pflicht zu seiner Ubernahme nicht sowohl aus 
der Kreisangehörigkeit wie aus dem privat- 
rechtlichen Eigentume am Gutsbezirke folgt 
(OB6. 5, 110). Die K. sind ferner verpflichtet, 
zur Befriedigung der Bedürfnisse des Kreises 
bgaben (Kreisabgaben, s. d.) aufzubringen, 
insofern der Kreistag nicht beschließt, diese 
Bedürfnisse aus dem Vermögen des Kreises 
oder aus sonstigen Einnahmen zu bestreiten. 
Dieser Pflicht, die sich nur auf die Aufbringung 
von Geldbeiträgen, nicht auch auf Natural- 
leistungen bezieht (OVG. vom 18. Dez. 1879 — 
Pr Vl. 1, 275), unterliegen auch die Forensen. 
Kreisanleihen. Der Kreistag kann die 
Aufnahme von Anleihen für den Kreis be- 
schließen. Soll die Anleihe zu Ausgaben 
dienen, die nicht auf einer gesetzlichen Ver- 
pflichtung des Kreises beruhen, so darf die 
Beschlußfassung nur auf Grund ausführlicher, 
Zweck und Art der Ausführung, Kostenbetrag 
und Aufbringungsweise angebenden Proposi- 
tionen des ZrA. erfolgen und ist Zweidrittel- 
masorität erforderlich. Der Beschluß über Auf- 
nahme von Anleihen, durch welche der Kreis 
mit einem Schuldenbestande belastet oder der 
bereits vorhandene vergrößert werden würde, 
  
  
  
Kreisanleihen — Kreisärzte. 
bedarf der Genehmigung des BezA. (Kr . 
§§ 119, 124, 176). Soll die Anleihe durch 
Ausgabe von Inhaberpapieren oder bei einer 
Sparkasse aufgenommen werden, so finden die 
in diesen Beziehungen für Gemeindeanleihen 
geltenden Bestimmungen sinngemäße Anwen- 
dung (s. Gemeindeanleihen). 
Kreisärzte. Dieselben sind seit dem 1. April 
1901 an Stelle der bisherigen Kreisphysiker 
getreten. Ihre Dienststellung regelt sich nach 
dem G. vom 16. Sept. 1899 (GS. 172), in Kraft 
getreten am 1. April 1901 auf Grund Allerh V. 
vom 4. März 1901 (GS. 1901, 47). Danach ist der 
K. der staatliche Gesundheitsbeamte des Kreises, 
als solcher technischer Berater des Landrats, 
in Stadtkreisen der Polizeibehörde, und dem 
Regierungspräsidenten unmittelbar unterstellt 
(§ 1 des G.). Zur Anstellung ist erforderlich 
(§ 2 c. a. O.): 1. Approbation als Arzt, 2. Er- 
werb der medizinischen Doktorwürde an einer 
Universität im Deutschen Reiche (Bek. vom 
5. Mai 1900 — Al. 191), 3. Bestehen der 
kreisärztlichen Prüfung vor der Wissenschaft- 
lichen Deputation für das Miedizinalwesen 
(Prüfungsordnung vom 30. MAlärz 1901 — 
Reichs= und Staatsanzeiger Ar. 80, 1. Beil.), 
4. die Ausübung einer in der Regel fünfjäh- 
rigen selbständigen ärztlichen Praxis nach 
der Approbation (Dienstanw. für die Kreis- 
ärzte vom 23. März 1901 — MM.l. 2 — §5 3 
iff. 4). Der K. wird von dem Mdg A. ange- 
stellt (§ 2 Abs. 2). Der Amtsbezirk des K. ist 
der Kreis; größere Kreise können in mehrere 
Rreisarztbezirke zerlegt, kleinere zu einem 
Kreisarztbezirke zusammengelegt werden (6 4). 
Dem K. können ein oder mehrere Assistenten 
(Kreisassisten zärzte) beigegeben werden, die 
ihm dienstlich unterstellt sind (§ 5; s. u.). Der 
K. hat insbesondere die Aufgabe (8 6): 1. auf 
Erfordern der zuständigen Behörde sich in An- 
gelegenheiten des Gesundheitswesens gutacht- 
lich zu äußern; 2. die gesundheitlichen Verhält- 
nisse des Kreises zu beobachten und auf die 
Bevölkerung aufklärend und belehrend zu 
wirken; 3. die Durchführung der Gesundheits- 
gesetzgebung usw. zu überwachen, die Heil- 
anstalten, das Apotheken= und Hebammen- 
wesen, die Heilgehilfen und anderes Heil- 
personal zu beaufsichtigen; 4. den zuständigen 
ehörden Vorschläge zur Abstellung von 
Aängeln zu machen. Auch kann er bei Gefahr 
im Verzuge selbständig die zur Verhütung, 
Feststellung, Abwehr und Unterdrückung einer 
gemeingefährlichen Krankheit erforderlichen 
vorläufigen Anordnungen treffen (8 8), hat 
dieselben aber sofort dem Landrate und 
der Ortspolizeibehörde zur Bestätigung mit- 
zuteilen; endlich fungiert der K. in der Regel 
als Gerichtsarzt seines Amtsbezirks (8 9). 
Im einzelnen sind die dienstlichen Obliegen- 
heiten des K. geregelt durch die Dienstanw. 
— Die K. sind zum Teil vollbesoldete, denen 
die Ausübung eigener ärztlicher Praxis unter- 
sagt ist (§ 3) mit Ausnahme von dringenden 
Fällen und von Konsultationen, während die 
nicht voll besoldeten Privatpraxis ausüben 
dürfen. Der vollbesoldete K. erhält (Dienst- 
anw. 8§ 24) ein festes Diensteinommen und 
Wohnungsgeldzuschuß unter Ausschluß von Ge-
	        
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