Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

Zuckersteuer (Steuer von Rübenzucker) 
in mehreren Staaten bestehenden Prämien- 
systems einen gewaltigen Ausschwung und es 
gelang ihr durch unausgesetzte Verbesserung der 
Zuckertechnik, die Ausbeute an Zucker beständig 
u steigern. Beispielsweise wurden in Deutsch- 
and im Jahre 1841 durchschnittlich 20 dz 
Rüben zur Herstellung eines Doppelzentners 
Rohzuckers gebraucht, während gegenwärtig 
etwa 6 dz hierzu erforderlich sind. 
der Vervollkommnung der Technik auch der 
Umstand bei, daß sich die Landwirtschaft erfolg- 
reich bestrebte, immer zuckerhaltigere Rüben zu 
erzeugen. So kam es, daß in den Ländern mit 
Materialsteuern zum Teil recht erhebliche Aus- 
fuhrprämien gezahlt wurden. Dieser Zustand 
war für die beteiligten Staaten unerwünscht, 
weil er die Einträglichkeit der Z. stark herab- 
minderte. Indessen konnte der einzelne Staat, 
wenn auch stellenweise eine Herabsetzung der 
Vergütungssätze eintrat, an eine Beseitigung der 
Prämien nicht herangehen, weil dies, solange 
die Prämien in anderen Ländern fortgewährt 
wurden, die Wettbewerbsfähigkeit seiner Zucker- 
industrie auf dem mit Zucker überlasteten Welt- 
markt in Frage gestellt haben würde. Auch die 
Rücksichtnahme auf die Landwirtschaft, der die 
Rübenkultur bedeutende Vorteile bringt, ver- 
bot Versuche nach dieser Richtung. Die bereits 
erwähnte Uberproduktion an Zucker, zum Teil 
eine Folge des Prämienwesens, zeitigte daher 
im Gegenteil bei den Staaten vielfach das Be- 
streben, sich mit den Prämien zu überbieten. 
Auch diejenigen Länder, in denen die Fabrikat- 
steuer eingeführt war, und deshalb bei der Aus- 
fuhr von Zucker eine Erstattung von Steuer 
nicht in Frage kam, sahen sich gezwungen, dem 
Ausfuhrzucker zur Erhaltung seinec Wettbewerbs- 
fähigkeit Zuschüsse (sog. direkte Prämien) 
zu gewöähren. Sogar Kombinationen von 
direkten und indirekten Prämien kamen vor. 
War dieser Zustand aus dem angegebenen Grunde 
für die beteiligten Staaten auf die Dauer un- 
erträglich, so kam hinzu, daß auch die Industrie 
mit dem Prämienwesen vielfach nicht einver- 
standen war. Denn da die Prämien in den ein- 
zelnen Ländern sehr verschieden bemessen waren, 
so waren die Zuckerfabriken in den Staaten mit 
verhältnismäßig geringeren Prämien mit Recht 
der Ansicht, daß ihre Lage auf dem Weltmarkt 
besser sein würde, wenn allgemein keine Prämien 
gezahlt würden. So machten sich in den letzten 
Jahrzehnten in immer weiteren Kreisen Be- 
strebungen geltend, die auf vollkommene Be- 
seitigung der Prämien gerichtet waren. Sie 
führten zu den sog. Zuckerkonferenzen 
— Verhandlungen zwischen Kommissaren der 
beteiligten Regierungen —, von denen die in 
den Jahren 1887, 1888 in London, 1898 in 
Brüssel und 1900 in Paris stattfindenden ohne 
greisbare Erfolge verliefen, während die in den 
Jahren 1901 und 1902 in Brüssel stattfindende 
zu dem „Vertrag über die Behandlung des 
Zuckers vom 5. März 1902"“, der sog. Brüs- 
seler Zuckerkonvention, und damit 
zur Beseitigung der Zuckerprämien in den 
wichtigsten Zuckererzeugungsländern führte. 
c) Die Brüsseler Zuckerkonven- 
tion. Durch die Konvention übernahmen die 
  
Zu dieser Prämien, die für die Erzeugung und Aus- 
Steigerung der Ausbeute trug übrigens außer 
999 
kontrahierenden Staaten (Deutschland, Öster- 
reich-Ungarn, Belgien, Frankreich, Großbritan- 
nien, Italien, die Niederlande, Schweden — 
#êvon Spanien, das sich zunächst beteiligte, ist 
der Vertrag nicht ratifiziert worden —) zunächst 
sfür die Dauer von 5 Jahren im wesentlichen 
folgende Verpflichtungen: 
1. Alle direkten und indirekten 
fuhr von Zucker= und zuckerhaltigen Erzeugnissen 
(Zuckerwerk, Schokolade, Cakes, eingedickter Milch 
usw.) gewährt werden, sind vom 1. Sept. 1903 
ab zu beseitigen (Art. 1 u. 10 a. a. O.). 
2. Bei der Überwachung der Zuckerfabriken 
ist das sog. Niederlageverfahren in 
Anwendung zu bringen. Bei diesem in Deutsch- 
land bereits vorher bestehenden Verfahren müssen 
die Zuckerfabriken unausgesetzt bei Tag und Nacht 
bewacht werden, auch so eingerichtet sein, daß 
sie gegen heimliche Fortschaffung von Zucker 
volle Gewähr bieten (Art. 2 a. a. O.). 
3. Der Uberzoll — die surtaxe — d. h. 
der Unterschied zwischen dem Betrage des Zolls 
für ausländischen und der Steuer für inländi- 
schen Zucker darf höchstens 6 Franken (4,80 4) 
für 100 kg bei raffiniertem Zucker und 5,50 Fran- 
ten (4,10 .K) bei anderem Zucker betragen. 
Durch diese Vereinbarung soll verhindert werden, 
daß die Industriekartelle durch Steigerung der 
Inlandspreise sich in die Lage versetzen, bei der 
Ausfuhr von Zucker ihrerseits Vorteile zu ge- 
währen (Art. 3 a. a. O.). " 
4. Von Zucker aus Staaten, die für die 
Erzeugung oder die Ausfuhr von Zucker Prämien 
gewähren, ist ein besonderer Zoll zu er- 
heben, der hinter dieser Prämie nicht zurück- 
bleiben darf. (Diese Verpflichtung gilt seit der 
Erneuerung der Konvention nicht mehr für Groß- 
britannien — zu vgl. Abg 3 Bl. 1908, 229.) 
Auch kann die Einfuhr solchen Zuckers verboten 
werden (Art. 4 a. a. O.). 
5. Zucker aus Vertragsstaaten ist zum 
niedrigsten Tarifsatz einzulassen. 
NRohrzucker und Rübenzucker dürfen nicht ver- 
schiedenen Zöllen unterworfen werden (Art. 5 
a. a. O.). 
6. Die Ausführung der Bestimmungen der 
Konvention wird durch eine ständige Kom- 
mission mit dem Sitz in Brüssel überwacht 
(Art. 7 a. a. O.). 
7. Die an der Kouvention nicht beteiligten 
Staaten sind auf Antrag nachträglich zum 
Beitritt zuzulassen (Art. 9 a. a. O.). Dies 
ist inzwischen bezüglich Luxeemburgs, Perus, der 
Schweiz und — mit einigen Besonderheiten — 
Rußlands (vgl. Abg 3 Bl. 1903, 458; 1906, 1340; 
1908, 231) erfolgt. — Näheres über die Vor- 
geschichte und den Inhalt der Konvention s. in 
Nr. 55 der Drucks. des BR. für 1902. — Die 
Konvention ist mit der vorstehend unter 4 
erwähnten Abänderung wegen Großbritanniens 
durch Zusatzakte vom 28. Aug. 1907 (RGBl. 
1908, 135) auf weitere 5 Jahre verlängert 
worden (Abg Bl. 1908, 229). 
II. Geschichtliche Entwicklung der 
Zuckerbesteuerung in Deutschland. 
Im Zollverein trat neben den Zoll von aus- 
ländischem Zucker, der schon früher zur Er- 
hebung gelangte, im Jahre 1841 eine innere 
  
  
 
	        
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