Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

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dem in der Hauptsache das Einkommen des Ar- 
beiters fließt, nicht aber schon durch den Hin- 
weis auf die bloße Möglichkeit, auch in der 
Wohngemeinde Beschäftigung zu finden (OVG. 
53, 84; 56, 206 und die schon zitierten Entschei- 
dungen, ferner vom 29. April 1909, 14. Febr. und 
4. April 1910 — VII B 11.—15. 08, 22. 09). 
Als Mehrausgaben für das öffentliche Volks- 
schulwesen können im allgemeinen nur solche 
für neue Lehrkräfte und Schulklassen, die ohne 
die Kinder der in Frage kommenden Personen 
nicht nötig gewesen wären, in Ansatz kommen 
(OVBG. 33, 175 und vom 29. April 1909 — 
VII B 11. 08). Eine „unbillige Mehrbelastung“ 
ist nicht erst bei Leistungsunfähigkeit oder einer 
immerhin übermäßig drückenden Inanspruch- 
nahme der Steuerkraft anzunehmen, sondern 
schon dann, wenn der Wohngemeinde durch die 
Betriebe in einer anderen nahe gelegenen Ge- 
meinde eine Mehrbelastung aufgenötigt ist, ohne 
daß diese Betriebe zugleich entsprechende, die 
Mehrbelastung ausgleichende Vorteile für die 
Wohngemeinde mit sich bringen (O# G. 56, 208). 
„Erheblich“ brauchen nicht die Mehrausgaben für 
jeden einzelnen Zweck zu sein, sondern es ge- 
nügt, daß sie es für alle drei im Gesetz genannten 
zusammen sind (OVG. 43, 128). Bei Bemes- 
sung des Zuschusses sind neben der Höhe der 
Mehrausgaben auch die nachweisbar der Wohnsitz- 
gemeinde entstehenden Vorteile zu berücksich- 
tigen, jedoch nur soweit sie in der Steuerkraft 
zum Ausdruck kommen hierbei sind auch indirekte 
Steuern in Betracht zu ziehen (O G. 56, 211), 
nicht aber die Grundsteuer von Liegenschaften, da 
diese auch ohne die Betriebe vorhanden sein wür- 
den (O# G. a. a. O.); es darf ferner nicht die ge- 
samte der Wohngemeinde zu leistende Steuer- 
summe der Arbeiter und gegebenenfalls der Ar- 
beitgeber in Ansatz gebracht werden, da die 
Steuern nicht nur für die Volksschul-, Armen- 
und polizeilichen Zwecke dienen (O G. a. a. O. 
und vom 11. Nov. 1909 — VII B 3. 08). 
Die bisherige Höchstgrenze der Zuschüsse, die 
Hälfte der in der Betriebsgemeinde von den 
betreffenden Betrieben zu erhebenden direkten 
Gemeindesteuern, ist beibehalten. Dagegen ist 
sie, wenn der Betrieb in einem Gutsbezirke 
liegt, auf die Hälfte der der Kreisbesteuerung 
des Betriebes zugrunde liegenden Einkommen- 
steuer und Realsteuern und, sofern der Betrieb, 
wie z. B. die Staatseisenbahnen, nicht gewerbe- 
steuerpflichtig ist, auf drei Viertel der der Kreis- 
besteuerung zugrunde liegenden Einkommensteuer 
erweitert. Ferner ist nunmehr auch Arbeiter- 
wohnsitzgutsbezirken derselbe Anspruch 
wie solchen Gemeinden eingeräumt. Erheben 
mehrere Gemeinden oder Gutsbezirke Ansprüche 
auf Zuschüsse, welche zusammengerechnet jene 
Höchstgrenzen überschreiten, so werden die ein- 
zelnen Ansprüche verhältnismäßig gekürzt. Das 
Rechtsmittelverfahren ist dasselbe geblieben: Ver- 
waltungsbeschlußverfahren mit Antrag auf Ent- 
scheidung im Streitverfahren. Jedoch ist für den 
Anspruch eine doppelte Präklusivfrist eingeführt: 
er erlischt nicht nur, was O G. schon für das 
frühere Recht angenommen hat, wenn er nicht 
bis zum Ablauf des Rechnungsjahres, für das 
er erhoben wird, schriftlich bei der Betriebs- 
gemeinde geltend gemacht und, wenn er von 
  
Zuständigkeit 
dieser abgelehnt wird, binnen drei Monaten 
nach Zustellung des ablehnenden schriftlichen 
Bescheides durch Antrag bei der Verwaltungs- 
beschlußbehörde aufrechterhalten wird; die Zu- 
stellung muß aber eine formgerechte, unter Auf- 
nahme einer förmlichen Zustellungsurkunde sein, 
um die Frist in Lauf zu setzen (O G. 55, 180). 
Dagegen genügt es, wenn der Anspruch vor 
Ablauf des Rechnungsjahres ohne ziffermäßige 
Fixierung angemeldet wird, und die Erteilung 
eines ablehnenden Bescheides seitens der Be- 
triebsgemeinde ist nicht unerläßliche Vorke- 
dingung des Antrages bei der Beschlußbehörde 
(O#G. vom 7. April, 22. Sept. und 10. Nov. 
1910 — VII C 346. 09, B 48. 09 und 6. 10). 
Zuständigkeit. I. Mit Z. (Kompetenz) be- 
zeichnet man das Recht und die Pflicht einer 
Behörde, in einer bestimmten Angelegenheit 
tätig zu werden, oder mit anderen Worten, daß 
es ihr zusteht, sich mit dieser Angelegenheit 
als in den Kreis ihrer Geschäfte fallend zu be- 
fassen. Es sind zu unterscheiden die sach- 
liche und die örtliche Z., je nachdem 
die Rücksicht auf die sachliche Verschiedenheit der 
den Behörden zugewiesenen Geschäfte oder die 
auf die örtliche Beziehung zu dem jeder Be- 
hörde zugewiesenen räumlichen Bezirke maß- 
gebend ist. Bei jener handelt es sich um eine 
Verteilung unter verschiedenartige Behörden, 
wenn auch mit gleichen Bezirken, hier um eine 
solche unter mehrere gleichartige Behörden mit 
verschiedenen Bezirken. Für die örtliche Z. 
der Gerichte für ein Prozeßverfahren bedient 
man sich des Ausdrucks Gerichtsstand (s. d.). 
Die bei der sachlichen Z. maßgebende sachliche 
Verschiedenheit kann auch bloß der Wert des 
Gegenstandes der Angelegenheit sein und ist 
es namentlich bei Zivilprozessen (Amtsgerichte 
für Prozesse bis 600 .K, Landgerichte für Pro- 
zesse über 600 K). Eine besondere Art der 
sachlichen Z. ist die nach Geschäften, welche 
innerhalb derselben Angelegenheit einzelne Teile 
derselben an verschiedene Behörden weist. Ihre 
wichtigste Anwendung findet diese Art von 3. 
als „graduelle“ Z., bei der mit derselben An- 
gelegenheit verschiedene Behörden in geordneter 
Stufenfolge und in dem Verhältnisse der Über- 
und Unterordnung befaßt werden (sog. Instanzen- 
zug, s. d.), und bei der sich die örtliche Z. von 
selbst ergibt. Andere Verteilungen dieser Art 
finden sich beim amtsgerichtlichen Sühneversuch 
in Ehescheidungssachen (s. Ehescheidung,), 
bei dem Ermittlungsverfahren, der Vorunter- 
suchung und dem Hauptverfahren in Strafsachen 
und bei dem Beschluß- und dem Verwaltungs- 
streitverfahren, in welches jenes durch einen 
Antrag auf mündliche Verhandlung übergeht. 
II. Die Vorschriften über die Z. sind regel- 
mäßig zwingenden Rechtes. Ausnahmsweise 
können sie jedoch durch eine Vereinbarung der 
Parteien (Prorogation) abgeändert werden, 
und zwar sowohl diejenigen über die sachliche 
wie die über die örtliche Z. (vgl. für die letztere 
Gerichtsstand 1). Grundsätzlich hat jede 
Behörde von Amts wegen ihre Z. zu prüfen. 
Für die zur Entscheidung in Verwaltungsstreit- 
sachen berufenen Behörden ist dies noch be- 
sonders im § 113 Abs. 3 LV, der sowohl die 
örtliche wie die sachliche Z., außerdem auch noch 
 
	        
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