1028
Zwangsmittel
der Regierungspräsident, gegen dessen Entschei- streckung ihrer Anordnungen nur eine zu Ver-
dung binnen vier Wochen die Beschwerde an den waltungszwang befugte Behörde ersuchen oder
OM. zugclassen ist (AusfAnw.
Ziff. 113, 111). — Am 1. Sept. 1907 bestanden
in Preußen 2537 Z. (s. HMl. 1907, 403).
Literatur s. Freie Innungen.
Zwangsmittel. I. Allgemeines. Das
Recht der Obrigkeit zu Anordnungen, Geboten
und Verboten enthält von selbst auch das Recht,
behufs Durchsetzung der getroffenen Anord-
nungen Z. anzudrohen und anzuwenden. Die
erste nähere gesetzliche Ausbildung hat dieses
Recht für die Vollstreckung prozessualer Urteile
cerhalten in Preußen durch die Allg. Ordnung,
die Verbesserung des Justizwesens betr., vom
21. Juni 1713 (Corpus Constitutionum Marchi-
carum II 1 Sp. 517 ff.); s. jetzt die §8 883 ff.
ZPO. Die vorhandenen zivilprozessualen Vor-
schriften wurden dann entsprechend angewendet
auf anderen Gebieten der gerichtlichen Tätig-
keit, insbesondere auf dem der freiwilligen Ge-
richtsbarkeit (s. hicrüber jetzt FGG. 8§ 33 und
Pr FGG. Art. 15—17), sowie von den Ver-
waltungsbehörden, letzteres auch, nachdem Justiz
und Verwaltung getrennt worden waren und
sich damit ein besonderer Verwaltungszwang
(Verwaltungsexekution) herausgebildet hatte.
II. Jetziges Recht. Gegenwärtig sind
für den Verwaltungszwang in Preußen in erster
Linie und soweit nicht, wie mehrfach der Fall,
besondere Bestimmungen getroffen sind, maß-
gebend die §§ 132—134 LV G., die sich ebenfalls
an die Bestimmungen über die gerichtlichen Z.
anlehnen, von diesen jedoch sich hauptsächlich
dadurch unterscheiden, daß einerseits das Maß
der zugclassenen Exekutivstrafen erheblich ge-
ringer als im Zivilprozeß, andererseits die An-
wendung unmittelbaren Zwanges nicht bloß
in den Fällen der §§ 887, 892 ZPO., sondern
weit allgemeiner gestattet ist. In den §§ 132—134
sind aber nur die Zwangsbefugnisse der hier aus-
drücklich genannten Behörden: Regierungsprä-
sidenten, Landräte, Ortspolizeibehörden, Ge-
meinde (Guts)vorsteher (Vorstände), sowie der
besonderen Beamten und Organe, welche zur
Beaufsichtigung der Fischerei vom Staate be-
stellt sind (Oberfischmeister, Fischmeister), und
auch dieser Behörden nur für die Anordnung von
Handlungen oder Unterlassungen geregelt. Die
Zwangsbefugnisse anderer Behörden werden
durch die §§ 132 ff. nicht berührt. Für die Re-
gierungen bestehen daher noch die Bestimmungen
der V. vom 26. Dez. 1808 (GS. 1817, 282)
§8 34 ff. fort, und diese Bestimmungen gelten
auch für diejenigen Behörden, die seitdem von
den Regierungen abgetrennt worden sind und
einen Teil der sachlichen Zuständigkeit derselben
erhalten haben, so namentlich für die Provinzial-
steuerdirektionen, jetzt Oberzolldirektonen, die
Provinzialschulkollegien, die Militärintendan-
turen, die Konsistorien und die Wasserbauinspek-
toren (v. Brauchitsch, Verwal' ungsesetze Bd. 1,
20. Aufl., S. 195 Anm. 257), ebenso für die
Eisenbahndirektionen (Erl. vom 8. Aug. 1894 —
EnBl. 205). Die Oberpräsidenten, die Minister
und die übrigen Zentralbehörden, sowie der Kö-
nig für die von ihm erlassenen Verwaltungs-
befehle haben regelmäßig überhaupt keinc eigene
Zwangsgewalt, sondern können wegen der Voll=
zur GewO. beauftragen, die dann lediglich die Stellung
eines Vollstreckungsorgans hat. Für einzelne
Spezialfälle stehen aber auch ihnen Zwangs-
befugnisse zu, so kann sich der König innerhalb
der Grenzen des Art. 36 VU. der bewaffneten
Macht als deren Oberbefehlshaber bedienen.
Unberührt sind ferner von den 8§ 132 ff. LVG.
geblieben die Vorschriften, betr. die administra-
tive executio ad solvendum (s. Verwal-
tungszwangsverfahren III), und
ebenso selbstverständlich die über die Zwangs-
strafen seitens der Dienstvorgesetzten gegen ihre
nachgeordneten Beamten. Eine Einschränkung
erleiden die §§ 132 ff. endlich noch dadurch, daß
für die Anwendung der in ihnen zugelassenen
Z. gegen den Fiskus und gegen die unter Staats-
aufsicht stehenden juristischen Personen, Gemein-
den usw. die Vorschriften maßgebend bleiben, wo-
nach die Vollstreckung durch Vermittlung der
zunächst beteiligten fiskalischen Stationen bzw.
der Staatsaussichtsbehörde zu geschehen hat (l.
Prozesse des Fiskus II und Ver-
waltungszwangsverfahren lll). Im
übrigen gelten die §8 132 ff. zwar nicht bloß für
die Polizeigewalt, sondern für die gesamte obrig-
keitliche Gewalt, auch für die Vollstreckung von
Urteilen und Beschlüssen der Verwaltungsgerichte,
aber andererseits nur für die Anordnungen auf
dem Gebiete der allgemeinen Landesverwaltung,
nicht auch auf dem kommunalen Gebiete, z. B.
nicht für das Zwangsverfahren des Gemeinde-
vorstehers bei Erzwingung von Gemeindediensten
oder Kommunallasten (OG. 41, 443) — da-
gegen gehört die Kommunalaussicht zur obrig-
keitlichen Gewalt, ebenso die über Hilfskassen
und über Hypothekenbanken — und nicht bei
der Vollstreckung gewerbegerichtlicher Entschei-
dungen der Gemeindebehörden (O G. 39, 375).
Auch der Schulbesuch kann nicht auf diesem Wege
erzwungen werden (O#G. 34, 234).
III. Arten der Z. Die zugelassenen Z.,
von denen jedesmal nur eins, und zwar das-
jenige, welches unter den gegebenen Umständen
dem Gesetz entspricht und von den an sich zu-
lässigen mehreren 3. als das angemessenste er-
achtet wird, zu benutzen ist, sind: 1. In erster
Linie, wenn es tunlich ist, die Ausführung der
zu erzwingenden Handlung durch einen Dritten
und die Einziehung des vorläufig zu bestimmen-
den Kostenbetrags im Zwangswege von dem Ver-
pflichteten. Der Betrag der Kosten braucht nicht
gleich bei der Androhung ziffernmäßig angegeben
zu werden (OVWG. 44, 418). Der Ausführung
muß eine schriftliche Androhung vorhergehen, im
der die Frist zu bestimmen ist, innerhalb welcher
die Ausführung der Handlung gefordert wird.
Androhung zu Protokoll genügt nicht. Es mutz
die schriftliche Androhung dem Adressaten zwar
zugegangen, ihm von derselben amtlich Kenntnis
gegeben sein; daß das sie enthaltende Schrift-
stück zugestellt oder dem Adressaten belassen werde,
ist jedoch nicht erforderlich (R. Z. 61, 100).
2. Kann die zu erzwingende Handlung nicht durch
einen Dritten geleistet werden, womit aber nicht
völlige Unmöglichkeit gemeint ist, oder sicht es
fest, daß der Verpflichtete nicht imstande ist, die
aus der Ausführung durch einen Dritten ent-