Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

Militärfamilien (Unterstützungen von) — Militärgerichte 
erhalten werden, entschieden. Sache des Militär- 
vorsitzenden der Oberersatzkommission ist es, über 
die Tauglichkeit zum Militärdienst zu entscheiden 
und die für tauglich befundenen und ausgehobe- 
nen Militärpflichtigen den verschiedenen Truppen- 
teilen zuzuweisen. Die Ausgehobenen gehen mit 
der Aushebung in die militärische Kontrolle des 
Bezirkskommandos über und sind den Beschrän- 
kungen der Militärpersonen des Beurlaubten- 
standes (s. d.) unterworfen (8 34). 
III. Die Kosten des Ersatzgeschäftes fallen, 
soweit es sich um die Vorbereitung und Aufstellung 
der Rekrutierungsstammrollen handelt, den Ge- 
  
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an die höheren militärischen Kommandostellen an, 
welchen wegen der Verantwortlichkeit für die 
Disziplin auch die Gerichtsbarkeit zugewiesen ist, 
und denen weitgehende Befugnisse in bezug auf 
die Bildung der Gerichte selbst, wie auf die Lei- 
tung des Verfahrens verliehen sind. Wegen der 
persönlichen und sachlichen Zuständigkeit der M. 
s. Militärgerichtsbar keit. 
I. Die Militärstrafgerichtsbarkeit wird durch 
die Gerichtsherren und durch die er- 
kennenden Gerichte ausgeübt (MSt. 
§ 12). Sie zerfällt in die niedere und in die 
höhere Gerichtsbarkeit. Erstere erstreckt sich 
meinden, die übrigen — mit Ausnahme derjeni= nur auf Personen, die nicht im Offiziersrange 
gen, welche aus der Beteiligung von Militär= stehen, und umfaßt die nur mit Arrest bedrohten 
behörden und Militärpersonen entstehen, und 
die vom Reiche zu tragen sind (§ 36) — dem 
Staate zur Last (Erl. vom 23. Sept. 1868 — 
Ml. 308). Über die Tagegelder und Reisekosten 
der bürgerlichen Mitglieder der Ersatz= und Ober- 
ersatzkommissionen vgl. Erl. vom 13. Aug. 1875, 
7. Mai 1876 und 10. Febr. 1880 (Ml. S. 247, 144 
bzw. 103), über die den zum Ersatzgeschäft zuge- 
zogenen landrätlichen Bureaugehilfen zu gewäh- 
renden Entschädigungen s. Landrat V. 
IV. Über die Ergebnisse des Ersatzgeschäftes ist 
dem BR. und RT. alljährlich Mitteilung zu 
machen (RMil G. § 37). 
V. Die näheren Vorschriften über die geschäft- 
liche usw. Behandlung des M. sind in der Wehr- 
ordnung (s. d.) enthalten. Wegen des Ersatz- 
geschäftes im Kriege s. §§ 95—99 das. Nach 
Erl. vom 17. April 1906 (MBl. 217) ist über die 
Entlassung eines noch gestellungspflichtigen Gei- 
steskranken aus einer Irren-, Idioten- und ähn- 
lichen Anstalt jedesmal der Ersatzkommission Mit- 
teilung zu machen. S. auch Reichskriegs- 
marine III. 
VI. Das Ergebnis des Heeres- 
ergän zungsgeschäftes im Jahre 
1909 ging dahin, daß von den in den 
alphabetischen und Rekrutenlisten geführten 
1226 730 Militärpflichtigen 856 ausgeschlossen 
(s. Ausschließung), 34 890 ausgemustert 
((# Ausmusterung), 137 812 dem Land- 
sturm, 82 057 der ErsatzeMarineersatzyreserve 
überwiesen und 218 541 ausgehoben wor- 
den sind. Außerdem waren 64 013 freiwillig 
(darunter 13 313 Einjährigfreiwillige und 1024 
Volksschullehrer und Kandidaten des Volksschul- 
amts) eingetreten. Von den insgesamt 282 554 
Eingestellten waren in der Stadt geboren 111 319, 
auf dem platten Lande 171 235; nach ihrem Be- 
ruf gehörten der Land-- und Forstwirtschaft an 
80 828, anderen Berufszweigen 202 726. 
Militärfamilien (Unterstützungen von) s. 
Familienunterstützungen. 
Militärgerichte sind die zur Handhabung der 
Militärstrasfgerichtsbarkeit (#(. Militärge- 
richtsbarkeit) eingesetzten Sondergerichte. 
Ihre Zuständigkeit, ihre Bildung und Zusammen- 
setzung und das Verfahren sind durch die Militär= 
strafgerichtsordnung vom 1. Dez. 1898 (RBl. 
1189) und Einführungsgesetz vom gleichen Tage 
(RGl. 1289), ergänzt durch Art. II des G. 
vom 6. Febr. 1911 (RE#Bl. 31) wegen des 
Beterinärkorps, geregelt (Allerh. Ausf Best. vom 
28. Dez. 1899 — A#Bl. 1900, 2). Die Militär- 
strafgerichtsordnung schließt sich in ihrem Aufban 
  
militärischen Vergehen und die üÜbertretungen, 
sowie bestimmte andere Vergehen und Zuwider- 
handlungen, sofern nach dem Ermessen des Ge- 
richtsherrn neben einer etwaigen Einziehung 
keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu sechs 
Wochen oder Geldstrafe bis 150 K, allein oder 
in Verbindung miteinander, zu erwarten steht, 
jedoch überall mit Ausschluß aller Fälle, in wel- 
chen eine Ehrenstrafe zu erwarten steht. Die 
höhere Gerichtsbarkeit erstreckt sich auf alle 
unter Militärstrafgerichtsbarkeit stehenden Per- 
sonen und umfaßt alle strafbaren Handlungen 
(§§ 14 bis 17). 
II. Gerichtsherr ist im allgemeinen für 
die niedere Gerichtsbarkeit der Regiments- 
kommandeur (bei der Marine der Kommandeur 
einer Matrosen= oder Werftdivision), für die 
höhere Gerichtsbarkeit der kommandierende 
General, welcher jedoch regelmäßig die Gerichts- 
barkeit nur in der Rechtsbeschwerde= oder Be- 
rufungsinstanz ausübt, und der Divisionskomman- 
deur (bei der Marine Chef der aktiven Schlacht- 
flotte, Chef einer Marinestation und der Ge- 
schwaderchef) (§S§ 19—37|. Der Gerichtsherr 
nimmt im großen und ganzen die Verrichtungen 
wahr, welche im bürgerlichen Strafverfahren dem 
Staatsanwalt und dem Untersuchungsrichter zu- 
kommen. Er hat, sobald er von dem Verdacht 
einer militärgerichtlich zu verfolgenden Ange- 
legenheit Kenntnis erhält, ein Ermittelungsver- 
fahren anzuordnen (§ 156); nach Abschluß des- 
selben versügt er entweder die Einstellung des 
Verfahrens oder, soweit nicht Disziplinarbe- 
strafung eintritt bzw. die Sache an den zuständi- 
gen Gerichtsherrn abgegeben wird, die Anklage 
(§§ 243 ff., 250); nach Erhebung der Anklage be- 
reitet er die Hauptverhandlung vor und befiehlt 
den Zusammentritt des erkennenden Gerichts 
IIIII (8§ 261, 386), gegen dessen Urteil ihm die 
Rechtsmittel wie dem Angeklagten zustehen 
(§ 365). An den Untersuchungshandlungen darf 
der Gerichtsherr ebensowenig wie an der Haupt- 
verhandlung sowohl in erster, wie in der! Be- 
rufungsinstanz teilnehmen (§§8 167, 273, 390). 
Die tatsächliche Führung der Untersuchung und die 
Vertretung der Anklage liegt vielmehr in den 
Händen des Gerichtsoffiziers (§I§ 99—102) bei 
der niederen Gerichtsbarkeit, bzw. eines richter- 
lichen Militärjustizbeamten (Kriegsgerichtsrat, 
Oberkriegsgerichtsrat, §§ 93—998) bei der höheren 
Gerichtsbarkeit. Diese haben als Organe des Ge- 
richtsherrn dessen Anordnungen Folge zu leisten. 
und durch Mitunterzeichnung seiner Entschei- 
dungen und Verfügungen die Mitverantwortlich- 
 
	        
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