138 Militärgerichtsbarkeit
keit für deren Gesetzlichkeit zu übernehmen, vor-- eine Gefährdung der Sittlichkeit besorgen läßt
behaltlich von Vorstellungen, über welche das (§§ 282, 283). Den Vorsitz führt der rangälteste
Oberkriegsgericht urteilt (§ 97). Der höhere Ge- Ossizier, die Verhandlungen der dienstälteste
richtsherr ist befugt, den ihm untergebenen Ge- Kriegs(Oberkriegs)gerichtsrat bzw. der Senats-
richtsherrn zur Einleitung oder Fortsetzung einer präsident (§§8 61, 69, 83). Der Angeklagte kann
Untersuchung, sowie zur Einlegung oder Zurück= sich, außer vor den Standgerichten, des Bei-
nahme eines Rechtsmittels anzuweisen (88 19, standes eines zugelassenen Verteidigers (über die
24, 25). Zulassung vgl. § 341) bedienen; in gewissen
III. Erkennende Gerichte sind bei Fällen ist ihm ein solcher von Amts wegen zu
den Regimentern usw. die Standgerichte, bestellen (&& 337 ff.). Wegen der besonderen
mit drei Offizieren besetzt und in den Strafbefug- Verfabhrensarten der Strafverfügung und des
nissen beschränkt, für die Sachen erster Instanz in Ve rfahrens gegen Abwesende vgl. §8 319 ff.,
der niederen Gerichtsbarkeit; bei den Divisionen 356 ff.
usw. die Kriegsgerichte, mit fünf Rich= V. Als Rechtsmittel sind die Rechts-
tern, und zwar einem Kriegsgerichtsrat und vier beschwerde gegen Beschlüsse und Ver-
Offizieren — falls aber anzunehmen ist, daß auf fügungen und die Berufung und Revi-
Todesstrafc oder Freiheitsstrase von mehr als sio“ euiu gegen Urteile vorgesehen (S§8 363—415).
sechs Monaten zu erkennen ist, mit zwei Kriegs-Die durch ein ordentliches Rechtsmittel nicht
gerichtsräten und drei Offizieren — besetzt, für mehr anfechtbaren Urteile werden mit einer
die nicht zur Zuständigkeit der Standgerichte ge-, Bestätigungsorder versehen (§8§8 416—418), und
hörenden Sachen, sowie für die Bernfungen zwar hat sich die Erteilung derselben der Kaiser
gegen Urteile der Standgerichte; bei den Genc= für die Marinc, sowie für die preuß. Kontingente
ralkommandos usw. die Oberkriegsge= bei Urteilen auf Todesstrafe, auf lebenslängliche
richte, mit sieben Richtern, zwei Oberkriegs= Freiheitsstrase oder wegen eines militärischen
gerichtsräten und fünf Offizieren besetzt, haupt= Verbrechens auf mehr als zehnjährige Freiheits-
sächlich für die Berufungen gegen erstinstanzliche strase, serner bei allen Urteilen gegen Offiziere,
Urteile der Kriegsgerichte: das Reichsmili= Sanitätsoffiziere und höhere Militärbeamte,
tärgericht für die Verhandlung und Ent- endlich bei Urteilen gegen einen Fähnrich, die
scheidung der Revision gegen die Urteile der Ober= auf Degradation lauten, vorbehalten, während
kriegs egerichte (s. Reichsmilitärgericht). sie im übrigen den kommandierenden Generalen,
Die erkennenden Gerichte sind unabhängig und bzw. den Gerichtsherren derjenigen Instanz,
nur dem Gesetz unterworfen. Sie treten, mit welche das zu bestätigende Urteil gefällt hat, zu-
Ausnahme des Reichsmilitärgerichts, nur auf Be= gewiesen ist. Die Bestätigung läßt das Urteil
rufung des Gerichtsherrn und nur für den ein- selbst unberührt und betrifft nur seine Ausfüh-
zelnen Fall zusammen (§ 18). Die erforderlichen rung, indem sie zum Ausdruck bringt, daß das
Offiziere werden bei den Stand= und Oberkriegs= Urteil rechtskräftig geworden und, soweit es auf
gerichten vom Gerichtsherrn als ständige Richter Verurteilung lautet, zu vollstrecken ist; dabei
für die Dauer eines Geschäftsjahrs bestellt, bei kann das Urteil in bestimmten Grenzen gemildert
den Kriegsgerichten dagegen für den einzelnen werden (vgl. Allerh. Ausf Best. vom 28. Dez.
Fall nach einer vom Gerichtsherrn alljährlich 1899). Im Feld und an Bord (vgl. 8§§ 5, 6 EE.)
sestzustellenden Reihenfolge berusen (§88 41, gibt es, von anderen Besonderheiten abgesehen
53, 68). Sie werden beeidigt (88 12, 68, 290).C (vgl. S§ 15, 16, 47, 63, 170, 255, 318 u. a.), keine
Die Kriegs= und Oberkriegsgerichtsräte, welche Berufung und Revision, sondern nur eine In-
zum Richteramt befähigt sein müssen, werden stanz, die sog. Feld'Bordystand-- bzw. Kriegs-
von dem zuständigen Kontingentsherrn, bei der gerichte (§8 48, 64, 365, 419). Hier hat die Be-
Marinc von dem Kaiser auf Lebenszeit ernannt, stätigung eine andere Bedeutung, indem von
genießen dieselben Rechte wie die Richter der Amts wegen eine Prüfung der Gesetzlichkeit
bürgerlichen Gerichtsbarkeit und werden in der solcher Urteile eintritt und letztere erst mit der
erforderlichen Zahl den Gerichtsherren der Bestätigung Rechtskraft und Vuollstreckbarkeit
höheren Gerichtsbarkeit zugewiesen, welche über erlangen (§ 420). Der Besehlshaber, dem die
die Geschäftsverteilung das Nähere bestimmen Bestätigung zusteht, kann in diesen Fällen eine
(88 93 ff.). Bei dem Reichsmilitärgericht und dem Vervollständigung der Untersuchung anordnen
Stabe eines jeden Gerichtsherrn der höheren (§ 427), auch kann das Urteil aufgehoben und
Gerichtsbarkeit sind Militärgerichts= die Berufung eines neuen erkennenden Gerichts
schreiber angestellt, während die bezüglichen veranlaßt oder die Erledigung im ordentlichen
Funktionen bei Ausübung der niederen Gerichts= Verfahren verfügt werden (& 422, 130, 132).
barkeit von geeigneten Personen des Soldaten-l-VI. Wegen des Geschäftsganges bei
standes wahrgenommen werden (§§8 108—110).C den M. mit Ausnahme des Reichsmilitärgerichts
IV. Das Verfahren in erster Instanz ein= f. Dienst= und Geschäftsordnung vom 2. Jan.
schließlich des Ermittelungsverfahrens ist in 1900 (AVBl. 15), beim letzteren s. Geschäfts-
§§ 151—336 geordnet. Hervorzuheben ist daraus 1 ordnung vom 13. März 1909 (3Bl. 110). S. auch
folgendes: Die Hauptverhandlung wird von Reichsmilitärgericht.
den Grundsätzen der Offe ntlichkeit, Mündlichkeit, Koppmann, Militarstrafgesetbuch, 1903; Schlayer,
unmittelbaren Beweiserhebung und freien Be= Militärstrafrecht, 1904.
weiswürdigung beherrscht (38 273 ff.). Die Militärgerichtsbarkeit. I. Die in § 7 Ec-
Offentlichkeit kann aber ausgeschlossen werden, GV. aufrechterhaltene besondere M. be-
wenn sie eine Gefährdung der öfsentlichen Ord= schränkt sich auf Straf sachen (RMil . 39
nung, insbesondere der Staatssicherheit, oder Abs. 1) und ist durch die MStGO. vom 1. Dez.
eine Gefährdung der militärischen Interessen, oder 1898 (RE#Bl. 1189) geregelt (s. Militär-