Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

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hörde (in Landkreisen den Landrat), und zwar 
von dringenden Fällen abgesehen, auf Grund 
von Marschrouten oder besonders getroffener 
Anordnungen (§ 6). Den Charakter von Ge- 
meindelasten haben die Leistungen nicht. Sie 
stellen vielmehr Verpflichtungen dar, deren Er- 
füllung das Reich von den nach dem Gesetze Ver- 
pflichteten zu fordern berechtigt ist (Erl. vom 
17. Dez. 1894 — Ml. 224). Die Gemeinden 
und Gutsbezirke bilden nur die Verteilungs- 
bezirke, innerhalb deren die Unterverteilung den 
Gemeinde= und Gutsvorständen obliegt. Hierbei 
kann ein dreifacher Weg eingeschlagen werden. 
Entweder erfolgt die Unterverteilung direkt auf 
die Verpflichteten, in welchem Falle denselben 
die zu gewährenden Entschädigungen zufließen; 
oder die Gemeinden übernehmen die Leistungen 
ohne Unterverteilung auf eigene Rechnung und 
legen die ihnen hierdurch nach Abzug der Ent- 
schädigungen erwachsenden Kosten auf die Ver- 
pflichteten nach dem Verhältnis ihrer Verpflich- 
tung zur Naturalleistung um; oder endlich überneh- 
men die Gemeinden die Leistungen auf den 
Gemeindeetat, in welchem Falle diese zu Ge- 
meindelasten werden und ebenso wie die übrigen 
Gemeindeabgaben aufzubringen sind (§ 7 des G.; 
AusfV. vom 24. Mai 1898; O#6. 4, 135; 
5, 108; s. auch 48, 38; 50, 135). Die in den 
beiden letzten Fällen gefaßten Beschlüsse und 
ortsstatutarischen Festsetzungen bedürfen der Be- 
stätigung des Kr A., in Städten des Be. AU. 
(83G. 8§ 50). Auf Gutsbezirke sind die beiden 
letzteren Möglichkeiten nicht anwendbar, da es 
hierfür, abweichend von der Verteilung der 
Quartierlast (k#(.Quartierleistungsge- 
setz III), an einer gesetzlichen Handhabe fehlt. 
Für die rechtzeitige Erfüllung der Leistungen 
sind die Gemeinden verantwortlich; zu diesem 
Zwecke stehen ihnen gegenüber den Pflichtigen 
die gesetzlichen Zwangsmittel zu. Ist ein Ge- 
meindevorsteher säumig, so kann die Militär- 
behörde bei Gefahr im Verzuge die Leistung 
gegen Einziehung der Mehrkosten von dem Ge- 
nmndevorsteher selbst beschaffen (§ 7 letzter Ab- 
atz). 
V. Die Vergütung für die Leistungen 
wird aus Militärfonds, und zwar bei Vor- 
spann nach den vom BHR. von Zeit zu Zeit 
für jeden Bezirk eines Lieferungsverbandes (s. 
Kriegsleistungen II) festzusetzenden 
Vergütungssätzen (s. hierzu Erl. vom 4. Aug. 
1892 — MhBl. 281; sowie Erl. vom 24. Mai 
1908 — M Bl. 149), bei Furage nach dem 
Durchschnittssatze der höchsten Tagespreise des 
der Lieferung vorangegangenen Kalendermonats 
mit 5 00 Aufschlag, bei Naturalverpfle- 
gung pro Mann und Tag nach folgenden 
Sätzen gewährt: a) für die volle Tageskost mit 
Brot 1,20 K, ohne Brot 1,05 .K; b) für die 
Mittagskost mit Brot 60 8, ohne Brot 55 8„; 
Jc) für die Abendkost mit Brot 50 3, ohne Brot 
45 8; d) für die Morgenkost mit Brot 25 S, 
ohne Brot 20 5, welche Sätze bei außergewöhn- 
licher Höhe der Preise der Lebensmittel zeit- 
weilig für das ganze Bundesgebiet oder Teile 
desselben von dem BR. ange messen erhöht 
werden können (§9 bzw. G. vom 9. Juni 1906 
Art. 1 1). Die nächste Revision der letztgedachten 
Vergütungssätze findet mit Wirkung vom 1. April 
  
Naturallieferungen, Naturalquartier, Naturalverpflegung — Naturdenkmäler 
1918 ab statt (Art. 1 2 a. a. O.; s. hierzu Erl. 
vom 4. Aug. 1892 — Ml. 281). Die Inan- 
spruchnahme der Eisenbahnverwaltungen erfolgt 
durch die Linienkommandanturen (s. d. 
und Militärtransportordnung für 
Eisenbahnen), diejenige der Besitzer von 
Schiffsfahrzeugen, Grundstücken usw. direkt. Die 
Vergütung für verursachte Schäden an Grund- 
stücken erfolgt unter Ausschluß des Rechtsweges 
auf Grund sachverständiger Schätzung in einem. 
besonderen Verfahren (§14;s. Flurschäden). 
Wegen der den zugezogenen Sachverständigen 
zu gewährenden Vergütung s. die eingangs zi- 
tierte V. vom 10. Juli 1904. 
VI. Entschädigungsansprüche müssen bei der 
Gemeindebehörde oder in Landkreisen dem Land- 
rate angemeldet werden. Sie erlöschen 
in einer Anzahl von Fällen (Verlust, Beschädi- 
gung und außergewöhnliche Abnutzung an Vor- 
spannpferden und Wagen; desgleichen an Schiffs- 
fahrzeugen, sowie Flurschäden und Entschädi- 
gung für die Benutzung von Brunnen, Tränken, 
Schmieden) in vier Wochen nach dem Eintritt 
der behaupteten Beschädigung, sonst, wenn sie 
nicht spätestens im Laufe des nächstfolgenden 
Kalenderjahres angemeldet werden (8 16). 
Herbst, Kommentar, Literaturnachweis S. 9. 
Naturallieferungen, Naturalquartier, Na- 
turalverpflegung s. Naturalleistungs- 
gesetz, Quartierleistungsgesetz, 
Kriegsleistungen. 
Naturalverpflegungsstationen. Die N. sind 
gleichzeitig mit den demselben Ziele, der Be- 
kämpfsung der Vagabundenplage, dienenden Ar- 
beiterkolonien (s. d.) gemeinde= oder bezirks- 
weise eingerichtet worden, um mittellosen, aber 
Arbeit suchenden und arbeitsfähigen, auf der 
Wanderschaft befindlichen Personen gegen eine 
Arbeitsleistung Unterkunft und Verpflegung für 
eine Nacht zu gewähren. Sie entstanden in 
Deutschland etwa seit 1880 teils als Veranstal- 
tungen von wohltätigen Vereinen, teils als 
solche von Gemeinden und weiteren Ver- 
bänden, die 1892 zu einem Gesamtverbande 
zusammentraten. Der größere Teil von diesen 
Stationen ist iedoch wegen der Schwierigkeit, 
Arbeit zu beschaffen, der durch sie bewirkten 
Förderung des Wanderns und der hohen Kosten 
bereits wieder eingegangen. Vgl. Vf., betreffs. 
Anlegung von N. bzw. Einspruch von Gemeinden 
gegen eine solche Anlage, vom 9. Febr. 1885 
(Ml. 47); ZirkE., betr. Handhabung des Sta- 
tionswesens der deutschen Arbeiterkolonien, vom 
13. Juni 1889 (Ml. 226) und Vif., betr. die 
Fürsorge für Arbeitslose und Erhaltung der be- 
stehenden Verpflegungsstationen, vom 15. Juni 
1901 (Ml. 190). S. auch den Artikel Wan- 
derarbeitsstätten. 
Naturärzte sind, sofern sie die ärztliche Ap- 
probation besitzen, den übrigen Ärzten gleich- 
gestellt. Andernfalls unterliegen sie den Vor- 
schriften für Kurpfuscher (s. Kur- 
pfuscherei 1). Nicht ärztlich approbierte 
Personen machen sich durch Führung des Titels 
„Naturarzt“ aus § 147 Ziff. 3 Gew O. strafbar 
(s. OTr. Rechtspr. Oppenhoff 16, 812; 18, 726). 
Naturdenkmäler s. Denkmalspflege III. 
Der Sitz der staatlichen Stelle für N. ist in- 
zwischen nach Dahlem bei Berlin verlegt worden.
	        
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