Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

Landgemeinden 
an den Gemeindenutzungen zu (s. Gemeinde- 
gliedervermögen). Das Gemeinderecht, 
d. h. das Recht zur „Teilnahme an den öffentlichen 
Geschäften der Gemeinde“, steht nur denjenigen 
männlichen (O## G. 28, 140) Gemeindemitgliedern 
zu (§ 15), welche preußische Untertanen 
und selbständig sind und seit einem Jahre keine 
Armenunterstützung aus öffentlichen Mitteln 
empfangen, die sie betreffenden Gemeindeab- 
gaben gezahlt haben und entweder: a) im Ge- 
meindebezirk mit einem Wohnhaus angesessen 
sind und von ihrem dortigen Grundbesitz zu 
mindestens 6 K Grund- und Gebäudesteuer 
(oder zu dem unter besonderen Ortsverhält- 
nissen mit Genehmigung des KrA. festgesetzten 
niedrigeren Satz) veranlagt sind (vgl. OV G. 26, 
108), oder b) ihren Wohnsitz im Gemeinde- 
bezirk haben und außerdem zur Staatseinkommen- 
steuer oder zu einem fingierten Normalsatze von 
1.4 veranlagt (vgl. OV G. 38, 49; 54, 69) oder, 
wenn eine fingierte Veranlagung nicht statt- 
gefunden hat (vgl. OV G. 35, 161), ein Jahres- 
einkommen von mehr als 660 + beziehen (vgl. 
Eink St G. § 77). Steuerzahlungen und Grund- 
besitz der Ehefrau werden hierbei dem Ehemanne, 
die der unter elterlicher Gewalt befindlichen 
Kinder dem Vater angerechnet. Nicht selbstän- 
digen und weiblichen Personen, die sich im Besitz 
eines Wohnhauses im Gemeindebezirke befinden 
und im übrigen (abgesehen von dem Mangel der 
Selbständigkeit oder des männlichen Geschlechts) 
zur Teilnahme am Gemeinderecht befähigt sind, 
können dieses durch Stellvertreter ausüben. Hier- 
über und über das Stimm= und Wahlrecht der 
Forensen und juristischen Personen fs.- Land- 
gemeinden — Stimmrecht, Wahl- 
recht. In städtischen Gemeinden, die 
nach der LGO. verwaltet werden (s. Städte- 
ordnungen II und Landgemeinde- 
ordnungen,)), werden die auswärts wohnen- 
den Hausbesitzer nicht zu den Gemeindemit- 
gliedern, sondern zu den Forensen gerechnet 
(§ 66). Hinsichtlich des Erwerbes des Gemeinde- 
rechts vor Ablauf der einjährigen Frist bei Ver- 
legung des Wohnsitzes, des Verlustes und des 
Ruhens des Gemeinderechts gelten dieselben 
Bestimmungen wie in den östlichen Provinzen 
(oben unter 1). 
In der Rheinprovinz sind die Voraussetzun- 
gen für den Erwerb des Gemeinderechts (G. vom 
15. Mai 1856 Art. 11) im wesentlichen dieselben, 
wie nach der westfälischen Gem O. Die Ge- 
meindeberechtigten werden hier Meistbeerbte 
oder Meistbesteuerte genannt (Rhein Gem O. 
§ 16). Eine Abweichung von den Bestimmungen 
der westfälischen Gem O. besteht darin, daß in der 
Rheinprovinz das Gemeinderecht nur männ- 
lichen Personen zusteht, von weiblichen auch 
nicht durch Stellvertreter ausgeübt werden kann, 
ferner, daß es nicht nur kraft Gesetzes erworben, 
sondern auch durch Beschluß des Gemeinde- 
rats an auswärts wohnende Grundeigentümer 
(Forensen), die im Gemeindebezirk kein Wohn- 
haus, aber die zum Erwerb des Gemeinderechts 
erforderlichen persönlichen Eigenschaften besitzen, 
aus besonderem Vertrauen verliehen wer- 
den kann und daß der Besitz eines eigenen Haus- 
standes nicht Bedingung der „Selbständigkeit" ist 
(O W# . 54, 71). Dieses Gemeinderecht eines 
(Gemeinderecht) 
  
19 
Forensen erlischt aber bei Veräußerung von mehr 
als der Hälfte seines Grundbesitzes im Gemeinde- 
bezirk (Rhein Gem O. 8§ 12, 35, 36). Von mehre- 
ren Personen, die im ungeteilten Besitze eines 
zum Gemeinderecht befähigenden Grundstücks sich 
befinden, kann nur einer das Gemeinderecht aus- 
üben. Beim Mangel einer gütlichen Einigung 
ist dazu zunächst der auf dem Grundstück selbst 
wohnende Mitbesitzer berufen, hierauf der im 
Gemeindebezirk wohnende und dann erst die 
übrigen. Unter mehreren Gleichberechtigten ent- 
scheidet das höhere Alter und bei gleichem Alter 
das Los (GemO. § 35). Über die Ausübung 
des Gemeinderechts durch Gesellschafter einer 
offenen Handelsgesellschaft s. O##G. 13, 76; 30, 78. 
Hinsichtlich des Verlustes und Ruhens des Ge- 
meinderechts gelten auch hier im wesentlichen die- 
selben Bestimmungen wie in den östlichen Pro- 
vinzen (Gem O. 8 37; G. vom 15. Mai 1856 Art. 12). 
In jeder Gemeinde hat der Vorsteher ein Ver- 
zeichnis der Meistbeerbten (Gemeinderolle) 
zu führen. Die Streichung eines in dieser Rolle 
Ausgenommenen kann nicht ohne gesetzlichen 
Grund und nur nach vorgängiger Mitteilung 
dieses Grundes an den Betreffenden erfolgen 
(Gem O. § 41). Gegen die Ablehnung einer 
beantragten Eintragung in die Gemeinderolle ist 
eine unbefristete Beschwerde an den Gemeinde- 
rat und demnächst Klage im Verwaltungsstreit- 
verfahren zulässig (O## G. 26, 108). Zur Er- 
hebung der Beschwerde, des Einspruchs und der 
Klage in betreff des Gemeinderechts ist aber nicht 
jedermann, sondern nur derjenige berechtigt, der 
mit diesen Rechtsmitteln einen Eingriff in seine 
eigenen Rechte abzuwehren sucht (OV G. 52, 810.— 
In den Gemeinden, in welchen der Gemeinderat 
aus gewählten Gemeindeverordneten besteht, 
treten zu diesen als Mitglieder noch die meist- 
begüterten Grundbesitzer hinzu (§ 46), 
die hiernach ein Gemeinderecht mit verstärkten 
Befugnissen haben (s. Landgemeinde- 
vertretung lc). 
III. In der Provinz Hannover, wo der 
Grundbesitz die hauptsächlichste Voraussetzung 
für die Gemeindezugehörigkeit bildet (Grund 
besitzergemeinde), daneben aber auch für 
männliche Personen schon der Wohnsitz das Ge- 
meinderecht begründen kann, wird das Gemeinde- 
recht in der LGO. vom 28. April 1859 als Stimm- 
recht bezeichnet. Über seinen Besitz entscheidet die 
in der Gemeinde bestehende Stimmordnung. 
War eine solche bei Erlaß der Gem O. vorhanden, 
so blieb sie weiter in Kraft (§ 3), anderenfalls 
soll eine Stimmordnung von der Gemeinde 
unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorschriften 
der LGO. über das Stimmrecht beschlossen wer- 
den. Der Beschluß unterliegt der Bestätigung 
des Kr A., der auch auf Beschwerden über die 
Unbilligkeit der bestehenden Stimmordnung und 
über Anträge auf ihre Abänderung zu entscheiden 
und erforderlichenfalls eine Ergänzung oder Ab- 
änderung der Stimmordnung zu beschließen hat 
(GemO. 8§§ 5, 6, 65; Z36G. § 31). Hierbei sind 
für ihn ebenfalls die Vorschriften der §§ 8—11 
GemO. maßgebend. Nach diesen sollen stimm- 
berechtigt und damit auch im Besitze des Ge- 
meinderechts sein: 1. ohne Rücksicht auf Geschlecht, 
persönliche Eigenschaften und Wohnort (iedoch 
nach O##. 17, 111 und 55, 60 nur bei Besitz der 
–
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.