236 Ortsschulaussicht — Ortsüblichkeit
G. vom 14. April 1856 (GS. 353) die auf Auf- Ortsstatuten sind rechtsverbindliche Bestim-
hebung der gutsherrlichen Polizei gerichteten mungen der Gemeinden über Angelegenheiten,
Bestimmungen der Verfassung beseitigt, und deren Regelung auf diesem Wege das Gesetz zu-
durch ein zweites Gesetz von demselben Tage läßt. S. Gemeindestatuten; Verun-
(GS. 354) für die östlichen Provinzen die guts-staltung. Für alle auf Grund der GewO. er-
herrliche Polizei „als ein aus dem Hoheitsrechte lassenen O. ist der § 112 maßgebend. Danach sind
des Königs abgeleitetes, in der Regel mit dem vor Erlaß die beteiligten Gewerbetreibenden und
Besitze eines Ritter= oder anderen ländlichen Arbeiter zu hören; außerdem ist die Genehmigung
Gutes verbundenes Recht“ bezeichnet und neu ge= des Bez A. (3G. 8§ 132) und die Veröffentlichung
regelt. Erst die Kr O. vom 13. Dez. 1872 erklärte in vorgeschriebener oder üblicher Form erforder-
im §346 die gutsherrliche Polizeigewalt in den öst- lich. Statutarische Festsetzungen sind zugelassen
lichen Provinzen mit Ausnahme von Posen für für die Ausdehnung der Sonntagsruhe im
aufgehoben, wiederholte die Bestimmung, daß die Handelsgewerbe (s. d.) nach GewO. § 105 D
Polizei im Namen des Königs geführt wird, und Abs. 2; für die Art der Lohnzahlung (s. Lohn)
übertrug sie in §8 56 ff. den vom Oberpräsidenten nach GewO. §s 119 a; für die Einführung des
zu ernennenden Amtsvorstehern (s. d.). Bezüg= obligatorischen Fortbildungsunterrichts (s. Fort-
lich Westfale s und der Rhein= bildungsschulen) nach GewO. 83 120.
provinz s. Amtmann, Bürger= Die Landeszentralbehörde kann O., die mit den
meister, bezüglich Posens s. Distrikts-Gesetzen oder den statutarischen Bestimmungen
kommissarien. In Schleswig= des Kommunalverbandes in Widerspruch stehen
Holstein ließ man zunächst die von alters her (§ 142 Abs. 2 a. a. O.), aufheben. Turch O.
bestehende Einrichtung der Kirchspielsvögte in kann die Krankenversicherungspflicht ausge-
Holstein und der Hardesvögte in Sckhleswig, dehnt (s. Versicherungspflicht) und
mit einer Reihe örtlicher Abweichungen, in das Einzugsverfahren (s. d.) für die Invaliden-
Kraft, und ersetzte nur den die höhere Instanz)
versicherung eingeführt werden. Die Errichtung
bildenden Vogt oder Amtmann durch den Land= von Gewerbegerichten (s. d.), Kaufmannsgerichten
rat (V. vom 23. Sept. 1867, § 3). Die Kr O. vom (s. d.) und Bauschöffenämtern (s. d.) erfolgt gleich-
26. Mai 1888 setzte auch hier das Institut der falls durch O. Vermöge seines kommunalen Cha-
Amtsvorsteher nach dem Muster der Kr . f. d. Frakters ist das O. zur Neubegründung und Ver-
5. Pr. an Stelle der älteren Einrichtungen. teilung öffentlicher Lasten, insbesondere der Wege-
In Hannover hat die seit 1815 eingeführte baulast, nicht geeignet, es sei denn, es wäre dies
Organisation, wonach die O. in Amtern von durch das Gesetz besonders zugelassen. So in
kgl. Beamten versehen wurde, dahin geführt, der Prov. Sachsen durch § 38 der Wegeordnung
daß man die O. durch V. vom 12. Sept. 1867
(GS. 1497) dem Amtshauptmann, durch KrO.
vom 6. Mai 1884 §J24 dem Landrat übertrug. In
Hessen-Nassau und Hohenzollern
ist es bei der Führung der O., soweit sie nicht
kgl. Beamten übertragen ist, durch die Bürger-
meister auch der ländlichen Gemeinden, an deren
Stelle in selbständigen Gutsbezirken im Reg.=
Bez. Kassel der Gutsvorsteher tritt, verblieben,
in Hessen-Nassau mit der Maßgabe, daß die auf
Grund besonderer Bestimmungen von anderen
Behörden verwalteten Zweige der örtlichen Poli-
zeiverwaltung nach § 28 der Kr O. vom 7. Juni
1885 auf den Landrat übergegangen sind (s. Po-
lizeibehörden).
III. Über die mit der O. betrauten Be-
hörden s. Polizeibehörden.
IV. Zu den Befugnissen der O. gehört
der Erlaß polizeilicher Verfügungen (s. Polizei-
verfügungen), das tatsäckliche Eingreifen
nach Maßgabe des ALR. II, 17 §T 10, die An-
wendung von Zwangsmitteln (s. d.), der Erlaß
von Polizeiverordnungen (s. d.), der Erlaß poli-
zeilicher Strafverfügungen wegen Uübertretun-
vom 11. Juli 1891 (GS. 316) bezüglich der
öffentlichen Fri ßwege innerhalb und außerhalb
der ländlichen Ortschaften, und in Westpreußen
durch § 18 der Wegeordnung vom 27. Sept.
1905 (GS. 357) bezüglich solcher Fußwege und
der Bürgersteige in den Städten. Ebenso in
der Prov. Posen § 17 der Wegeordnung für
Posen vom 15. Juli 1907 (GS. 243). S. auch
Bürgersteige, Wegebaulast.
Ortsstraßen sind die städtischen Straßen und
die Dorfstraßen einschließlich der Bürgersteige
und der in den Ortslagen neben der Fahrstraße
vorhandenen Fußwege (§ 38 der Wegeordnung
ffüür Sachsen vom 11. Juli 1891 — GS. 316;
8 18 der Wegcordnung für Westpreußen vom
27. Sept. 1905 — GS. 357; § 17 der Wege-
ordnung für Posen vom 15. Juli 1907 — GE.
243; OV G. 25, 239). S. Beleuchtung,
Reinigung der Wege. .
DOrtstafeln. Die Anbringung von O. istlin
allen Dörfern und Flecken durch ARabO. vom
25. Aug. 1820 (v. Kamptz 4, 567) angeordnet
(s. auch Erl. vom 3. Dez. 1909 — MBl. 2429.
Sie sollen da, wo die Straße durch= oder vor-
gen ((K. Strafverfügungen, polizei- überführt, aufgestellt werden und die Namen
liche), die Vornahme strafprozessualischer Un= des Orts und die Bezeichnung des Landwehr-
tersuchungshandlungen (s. Kriminalpoli= bezirks, zu dem der Ort gehört, bzw. je nach
e i). den örtlichen Verhältnissen auch diejenige des
Ortsschulaufsicht f. Schulaufsicht. betreffenden Hauptmeldeamts, Meldeamts oder
Ortssperre s. Sperre (veterinär= Bezirksfeldwebels enthalten (Erl. vom 5. Febr.
polizeiliche). 1889 — Mhl. 45). Die Polizeibehörden sind
Ortsstatutarisches Bauverbot (G. vom befugt und verpflichtet, dafür zu sorgen, daß
2. Juli 1875 § 12) s. Straßen= und die Erkennbarkeit der O. als amtliche Bekannt-
Baufluchtliniengesetz III und G. machungen nicht beeinträchtigt wird (Erl. vom
vom 15. Juli 1907 §§ 2—4, s. Verunstal= 21. Nov. 1888 — Mhl. 214).
tung. Ortsüblichkeit s. SGewohnheitsrecht VI.