Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

Persönliches Erscheinen 
Vertretung durch freiwillig Bevollmächtigte zu- 
lässig ist, gibt es zahlreiche Ausnahmen. Diese 
bestehen teils nur für gewisse Angelegenheiten, 
wie die Eheschließung (s. d.), teils für das be- 
treffende Verfahren überhaupt. Das letztere 
gilt namentlich für den Strafprozeß, in 
welchem eine wirkliche Vertretung, abgesehen 
von der eines Privat= und eines Nebentlägers, 
grundsätzlich unbekannt ist und von einer solchen 
nur in den Ausnahmefällen, wo ein p. E. des 
Beschuldigten in der Hauptverhandlung nicht 
notwendig ist, gesprochen werden kann, also 
im Verfahren gegen Abwesende (St PO. SS 322, 
324, 328, 474). Im Zivilprozeß - das 
Recht der Parteien, sich vertreten zu lassen, ge- 
mäß § 157 Z PO. durch die — nur zugunsten 
der Rechtsanwälte und der sog. Prozeßagenten 
(vgl. wegen dieser außer dem Abs. 4 des § 157 
in der Fassung des G. vom 1. Juni 1909— Ro#Bl. 
475 — noch die Vf. vom 25. Sept. 1899 —. JMl. 
272) ausgeschlossene — Möglichkeit der Zurück- 
weisung von Bevollmächtigten, denen die Fähig- 
keit zum geeigneten Vortrage mangelt, oder 
die das mündliche Verhandeln vor Gericht 
geschäftsmäßig betreiben, beschränkt, 
seits teilweise zugleich eine Pflicht, nämlich so- 
weit der Anwaltzwang (s. Rechtsanwältel) — 
reicht. Es kann indessen das Gericht stets das 
p. E. einer Partei (nicht auch ihres Bevoll- 
mächtigten, wohl aber ihres gesetzlichen Ver- 
Verhandlung zur 
treters) in der mündlichen 
Aufklärung des Sachverhältnisses (Z3P. S 141), 
ferner zum Zwecke eines Sühneversuchs (§ 206. 
Abs. 2) und als vorbereitende Anordnung im 
Verfahren vor den Amtsgerichten (§ 501 Nr. 5, 
Wie in der Fassung des G. vom 1. Juni 1909) an- 
ordnen. Erzwingbar ist jedoch das Erscheinen nicht, 
außer in Ehesachen (§ 619 Abs. 3) und in Kind- 
schaftssachen (§ 640 Abs. 1, § 641 Abs. 1). Welche 
Folgen aus dem Nichterscheinen zu ziehen sind, ist 
Sache der freien Beweiswürdigung. Im Ent- 
mündigungsverfahren ist mehrfach die persönliche 
Anwesenheit des zu Entmündigenden oder Ent- 
mündigten vorgeschrieben (886. 54, 671, 679 Abs. 4). 
Außerdem wird noch ein p. E. dadurch erforder- 
lich, daß, soweit nicht nach §5 Ec 3PO. für die 
hier genannten Eximierten eine Ausnahme zu- 
gelassen ist, wie durch die K O. vom 15. Sept. 
1836 (s. Eid III), der Eid von dem Schwur- 
pflichtigen in Person geleistet werden muß 
(§ 478). Im Verfahren der freiwilligen 
Gerichtsbarkeit können sich 
teiligten durch Bevollmächtigte vertreten lassen, 
das Gericht kann jedoch stets ihr p. E. anordnen 
(&6G. §& 13; Pr FGG. Art. 1), was hier be- 
deutet: einen Bevollmächtigten für den Aus- 
gebliebenen nicht zulassen. Ausnahmen finden 
von der ersteren Befugnis indessen mehrsach 
statt, weil die Vertretung entweder infolge 
besonderer Vorschriften (wie bei der Errichtung 
oder Zurücknahme letztwilliger Verfügungen, 
anderer- 
die Be- 
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welche das Verhandeln vor Gericht geschäfts- 
mäßig betreiben, und es kann ferner, wenn das 
Einigungsamt angerufen worden ist, der Vor- 
sitzende zur Einleitung der Verhandlung und 
in deren Verlauf an den Streitigkeiten beteiligte 
Personen unter Androhung einer Geldstrafe 
bis zu 100 .K vorladen GewG6. g8 31, 66; 
KimGG. 88 16, 17). Im Disziplinar- 
6r erfahren gegen Richter und in dem gegen 
nicht richterliche Beamte kann sich der in der 
mündlichen Verhandlung nicht erscheinende An- 
geschuldigte durch einen Rechtsanwalt vertreten 
lassen. Dem Disziplinargerichte, der Disziplinar- 
behörde, steht es jedoch jederzeit zu, das p. E. 
des Angeschuldigten unter der Warnung anzu- 
vordnen, daß bei seinem Ausbleiben ein Ver- 
teidiger zu seiner Vertretung nicht werde zu- 
gelassen werden (Disziplinargesetze vom 7. Mai 
1851 — GS. 218 .— §T 32 und vom 21. Juli 1852 
— GS. 465 — 5 33. Hält ein Schiedsgericht 
für Arbeiterversicherung das p. E. eines Be- 
teiligten in der mündlichen Verhandlung für 
angemessen, so hat es demselben zu eröffnen, 
daß aus seinem Nichterscheinen ungünstige 
Schlüsse für seinen Anspruch gezogen werden 
können (V. vom 22. Nov. 1900 — RGl. 1017 
· §11sowieLrlvom18usle05 
und 4. Aug. 1906 — HMl. 6, 298). Das 
gleiche gilt für das RVA. nach V. vom 19. Okt. 
1900 § 33 Abs. 1 (Rl. 983), sowie in dem 
Verfahren vor Ee#n Schiedsgerichten zur Ent- 
scheidung von Knappschaftsangelegenheiten (V. 
vom 29. Nov. 1907 — (6S. 301 — § 10 
Abs. 2). In dem Verfahren vor dem Ober- 
schiedsgericht in Knappschaftsangelegenheiten 
geht die Eröffnung dahin, daß im Falle des 
Auebleibens nach Lage der Akten werde ent- 
schieden werden (V. vom 30. Nov. 1907 
G.—. 312 12 Abs. 1). Der Vorsitzende des 
Schiedsgerichts für Arbeiterversicherung kann 
serner auch ohne vorausgehenden Beschluß des 
Schiedsgerichts das p. E. eines Beteiligten 
zur mündlichen Verhandlung anordnen (M. 
vom 22. Nov. 1900 § 17 Abs. 2). In dem Ver- 
jahren vor den unteren Verwaltungsbehörden 
nach §§ 57—64 Inv BG. erfolgt die Ladung des 
Rentenbewerbers oder seines gesetzlichen Ver- 
treters mit dem Hinweise, daß im Falle des 
Nichterscheinens eine Begutachtung des An- 
trge nach Lage der Akten erfolgen werde (An- 
weisung vom 15. Nov. 1908 — HMhl. 369 — 
Nr. 8), ist also das p. E. ebenfalls nicht un- 
mittelbar erzwingbar. 
II. Nach dem LVG. können sich im Ver- 
waltungsstreitverfahren die Par-= 
teien — auch dic als solche beteiligten Beamten 
und Behörden — durch Bevollmächtigte, ohne 
in deren Wahl beschränkt zu sein, vertreten 
lassen. Doch kann auch hier das Gericht Ver- 
treter, welche, ohne Rechtsanwälte zu sein 
(zugunsten der Prozeßagenten besteht keine 
s. Testamente III) oder der Natur der Einschränkung), die Vertretung vor dem Ge- 
Sache nach, so z. B. bei der Ableistung des richte geschäftsmäßig betreiben, zurückweisen, 
Offenbarungseides und der Übernahme einer wobei eine Anfechtung dieser Anordnung nicht 
Vormundschaft (BGB. 8 8 2006, 1789), unzu- stattfindet (§ 73 Abs. 1, 2: 85 71 Abs. 1), und zur 
lässig ist. Im Verfahren vor den Gewerbe= Aufklärung des Sachverhöltnisses in der münd- 
und den Kaufmannsgerichten ist die lichen Verhandlung, nicht also auch zum Zwecke 
Vertretung zum Teil ausgeschlossen, nämlich des Versuchs einer gütlichen Beilegung des 
die durch Rechtsanwälte und durch Personen, Rechtsstreits, und nur vor das Kollegium, nicht
	        
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