296 Polizeiverordnungen
vorschrift durch die zuständig gewordene Behörde 1 besondere gesetzliche Ermächtigungen in Be-
behalten (KGJ. 10, 158). tracht.
3. Wo die Bezeichnung P. vorgeschrieben ist, 1. Die allgemeine Ermächtigung ist
genügt eine ähnliche Bezeichnung, z. B. Straßen= im § 6 des Polizeigesetes vom 11. März 1850
polizeiordnung oder Vaupoligel ednung nicht (GS. 265), V. vom 20. Sept. 1867 (GS. 1529)
(Erl. vom 9. Jan. 1894 — MhBl. 30; KGJ. zu erblicken. Danach gehören zu den Gegen-
23 C9). S. jedoch Baupolizeiveror dr ständen der ortspolizeilichen Vorschriften: a) der
nungen II und OG. 27, 414; 31, 355. Schutz der Personen und des Eigentums, b) Ord-
Unzulässig ist die Bezugnahme uf in Anlagen nung, Sicherheit und Leichtigkeit des Ver-
enthaltene Normen, sofern diese nicht auch in kehrs auf öffentlichen Straßen, Wegen und
der Gorm der P. verkündet sind (KGIJ. 22 C 3; Plätzen, Brücken, Ufern und Gewässern, c) der
C 33). Über Verkündigung in der Art, daß Marktverkehr und das öffentliche Feilhalten von
* Text auf mehrere Nummern des Blattes Nahrungsmitteln, d) Ordnung und Gesetzlichkeit
verteilt wird, s. bei v. Kamptz-Delius, Rechtspr. bei dem öffentlichen Zusammensein einer grö-
des KG. und RG. 2, 306. Außer den ausdrücklich heren Anzahl von Personen, e) das öffentliche
erlassenen Formvorschriften ist der allgemeine Interesse in bezug auf die Annahme und Be-
Grundsatz des preuß. Rechtes zu beobachten, herbergung von Fremden; die Wein-, Bier= und
daß aus dem verkündeten Wortlaut einer Vor-! Kaffeewirtschaften und sonstige Einrichtungen
schrift die Erfüllung aller Voraussetzungen für zur Verabreichung von Speisen und Getränken,
ihre Rechtsbeständigkeit hervorgehen muß (s. 4 Sorge für Leben und Gesundheit, g) Fürsorge
auch Polizeiliche Anordnungen). gegen Feuersgefahr bei Bauausführungen, so-
Mithin muß zum Ausdruck gebracht sein, nicht wie gegen gemeinschädliche und gemeingefähr-
nur, daß die zuständige Behörde die P. erlassen liche Handlungen, Unternehmungen und Ereig-
hat, sondern daß auch die gesetzlich vorgeschriebene nisse überhaupt, h) Schutz der Felder, Wiesen,
Mitwirkung anderer Behörden, und zwar auch Bäume, Wälder, Baumpflanzungen, Wein-
solcher, die nicht beschließend, sondern nur be= berge usw., i) alles andere, was im be-
gutachtend mitzuwirken haben, stattgefunden hat sonderen Interesse der Gemeinden und ihrer
(& GJ. 25C 49). In P., die gemäß § 120e GewO. Angehörigen polizcilich geordnet werden muß.
oder § 197 des Berggesetzes zum Shs der Ar--Die Bestimmung zu i hat zu vielfachen Zweifeln
beiter erlassen werden, muß daher nach Ansicht! Anlaß gegeben. Das K G. hat sich gelegentlich
des K. aus der Verkündigungsformel zu er= auf den Standpunkt gestellt, daß danach P.
sehen sein, daß die in diesen Bestimmungen vor= nur über solche Gegenstände zulässig seien, welche
geschriebene Auhörung der Berufsgenossenschaft l dennnsbabtghqcnanntenahnltchodcrverwandt
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RGSt. 34, 368; 35, 262), und in den ohne Zu= Interesse des Bezirks an der polizeilichen Rege-
stimmung der Gemeinde oder Selbstverwaltungs= lung bedingt seien, wohingegen ein allgemeines,
behörden erlassenen Notverordnungen (s. oben in einer großen Anzahl von Bezirken oder im
unter II), daß ein Fall vorliegt, welcher keinen ganzen Staatsgebiet gleichmäßig hervortretendes
Aufschub duldet (KGJ. 21 C 54). Dagegen ist Interessen nicht genüge (KGJ. 4, 256 und Erk.
eine Beweiserhebung über das Vorhandensein vom 18. Dez. 1893 bei Groschuff, Preuß. Straf-
der in die Verkündigungsformel aufgenommenen gesetze, 2. Aufl., S. 143). Auf der anderen
Voraussetzungen ausgeschlossen (80/. 23 C 3; Seite hat namentlich Rosin (Polizeiverordnungs-
a. M.: scheinbar O## G. 31, zanest Die Mängel recht, 1895, sowie „Begriff und Umfang der
einer sormell ungültigen P. werden durch nach- Polizeigewalt", VerwArch. 3, 249) den Stand-
trägliche Berichtigung nicht geheilt. Vielmehr punkt vertreten, daß die Bestimmung des
ist der Erlaß einer neuen P. nötig (KGJ. 23 C9). § 6i das Verordnungsrecht der Ortspolizei=
Die in den P. höherer Behörden vorbehaltenen behörden neben der Sicherheits= auf die Wohl-
speziellen Anordnungen der Ortspolizeibehörden, fahrtspolizei ausdehne, indem er dartut, daß nach
z. B. über die für den Fahrradverkehr verbotenen preuß. Recht der Begriff der Polizei bei Erlaß
Wege, führen eine Bestrafung nur dann nach sich, des Gesetzes auch die Wohlfahrtspflege und
wenn sie entweder selbst in der Form der P. Wohlfahrtspolizei umfaßt habe. Teilweise ist
ergehen, oder wenn in der P. der höheren man noch weiter gegangen und hat das Polizei-
Behörde Ubertretungen auch der vorbehal= verordnungsrecht auf alle Anordnungen aus-
tenen Anordnungen ausdrücklich unter Strafe dehnen wollen, welche in irgend einem öffentlichen,
gestellt sind (K G.J. 20 C 59). Wegen des Ein= staatlichen oder Gemeindeinteresse erforderlich
flusses eines Druckfehlers in der Veröffent= erschienen. Demgegenüber hat sowohl der über-
lichung auf die Gültigkeit s. OV#G. 51, 377; wiegende Teil der Literatur, als besonders die
wegen der nötigen Bestimmtheit und Ver- Rechtsprechung des Kammergerichts, Oberver-
ständlichkeit des Inhaltes der P. KG J. 23 C 26; waltungsgerichts und Reichsgerichts, in nun-
31 C 3; 36 C 82. mehr feststehender Praxis daran festgehalten,
IV. Gegenstände des Polizei= daß, wenn der 3 6i das Verordnungsrecht auf
verordnungsrechts. Durch P. können alles dasjenige ausdehnt, was „polizeilich“ ge-
nur diejenigen Angelegenheiten geregelt werden, ordnet werden muß, für den Begriff des Polizei-
hinsichtlich deren ein Gesetz den Polizeibehörden lichen hier ALR. II, 17 § 10 maßgebend ist,
die Ermächtigung dazu erteilt. Neben reichs= wonach es das Amt der Polizei ist, „die nötigen
gesetzlichen Ermächtigungen kommen in Preußen # Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe,
die allgemeine, auf das gesamte Gebiet Sicherheit und Ordnung und zur Abwendung
der Sicherheitspolizei sich erstreckende, und außer= der dem Publiko oder einzelnen Mitgliedern des-
dem für eine große Anzahl von Gegenständen selben bevorstehenden Gefahren zu treffen.“ Das