388 Reichsfinanzwesen
§ 3 des G. vom 3. Juni 1906 (Stundung der Erörterung gekommene Projekte, wie die Be-
Matrikularbeiträge) außer Wirksamkeit treten. steuerung von Parfümerien, Riech= und Schön-
An die Schuldentilgung sollte in heitsmitteln, ein Ausfuhrzoll auf Kohlen, die
kräftigerer Weise als es im § 4 des G. vomi Mühlenumsatzsteuer sanden keine Mehrheit. Da-
3. Juni 1906 vorgesehen war, herangegangen mit war eine jährliche Mehreinnahme aus der
werden, und zwar bei den älteren Anleihen steuerlichen Belastung des Verbrauchs mit zu-
mit 1 v. H., bei den neueren mit 1,9—3 v. H. sammen 310 Mill. Mark geschaffen. Weit schwie-
Die Einnahme aus der Besteuerung der Erb= riger gestaltete sich die Lösung der Besitzsteuer-
schaften sollten zu 38 dem Reich und zu ¼ den frage. Der Ausbau der Erbschaftssteuer wurde
Bundesstaaten zufließen. Die Reichsstempel= sowohl in der zuerst vorgeschlagenen Form
abgaben sollten in vollem Umfange zu reichs= (s. oben Ziff. 5) als in der später geänderten
eigenen Einnahmen werden, so daß nur noch die Form (Erbanfallsteuer auf Deszendenten und
Branntweinsteuner den Charakter der Über--Ehegatten) abgelehnt; zur Einführung einer
weisungssteuer behielt (RITDrucks. 1907/09 Reichsvermögenssteuer konnte man sich ange-
Nr. 992). — Der Reichstag war mit diesen Vor= sichts der insbesondere seitens der Einzelstaaten
schlägen vor eine gewaltige Aufgabe gestellt, wie dagegen geltend gemachten Bedenken nicht ent-
sie in gleicher Größe auf finanziellem Gebiete schließen. Man suchte nach einer Form der un-
seit Bestehen des Reichs an ihn nicht herange= mittelbaren Besitzbesteuerung, durch die ein Ein-
treten war. Die Lösung erwies sich auch als griff in die Finanzhoheit der Einzelstaaten tun-
außerordentlich schwierig, und manchmal schien lichst vermieden würde, kam jedoch zu keinem
es, als ob sie an den schroffen Gegensätzen der Ergebnis. Ein in der Kommission in erster Lesung
wirtschaftlichen Anschauungen der Parteien schei= angenommener Antrag, der dieses Problem
tern werde. Die Bedarfsberechnung der ver- lösen sollte (sog. Besitzstcnerkompromiß), wurde
bündeten Regierungen wurde vom Reichstag im später wieder fallen gelassen. Nunmehr ver-
allgemeinen als zutreffend anerkannt, und es suchte man, dem Besitz auf anderem Wege beizu-
war auch im Einklange mit der Stimmung der Be-kommen. Nachdem der Gedanke einer einheit-
völkerung bei allen Parteien der Wille vorhanden, lichen Besteuerung des Wertzuwachses bei Im-
dem Reiche diesem Mehrbedarf entsprechende mobilien und Wertpapieren sich als undurchführ-
neue Einnahmen zuzuführen und damit der bar erwiesen hatte, kam man schließlich darauf,
Finanznot des Reiches ein Ende zu machen; nurden unbeweglichen und den beweglichen Besitz
über die Quellen, aus denen diese Einnahmen durch besondere Steuern zu treffen. Für ersteren
zu schöpfen seien, und über die Formen, in denen erwog man zuerst eine Verbindung von Umsatz-
die Steuern zur Erhebung kommen sollten, und Wertzuwachssteuer, entschloß sich jedoch
gingen die Ansichten weit auseinander. Schließ- zunächst, nur eine Besteuerung der
lich einigte man sich dahin, daß der Hauptteil der Grundstücksübertragungen einzu-
neuen Einnahmen aus Verbrauchssteuern, min= führen mit einem Ertrage von etwa 40 Mill.
destens 100 Mill. Mark jährlich aber aus einer Mark, die spätestens bis 1. April 1912 durch
Besitzbesteuerung zu entnehmen seien. Von den eine Reichsabgabe von der unverdienten Wert-
vorgeschlagenen indirekten Steuern wurden die steigerung bei Grundstücken (Zuwachssteuer)
Weinsteuer, die Anzeigensteuer und die Steuer ersetzt werden sollte. Für die Besteuerung
auf Gas und Elektrizität abgelehnt. Bewilligt des beweglichen Besitzes wurde zuerst die Ein-
wurden aus dem Programm der verbündeten führung der Kotierungssteuer, ferner die Be-
Regierungen ziemlich unverändert die Erhöhung steuerung der Feuerversicherungsquittungen er-
der Brausteuer mit einem Mehrertrage von folglos in Erwägung gezogen. Das Ergebnis
rund 100 Mill. Mark, die Erhöhung der Besteue= der weiteren Verhandlungen war schließlich
rung des Branntweins in der Form der die Erfassung des beweglichen Besitzes durch
reinen Verbrauchsabgabe unter Ablehnung des eine Mehrheit von Verkehrssteuern, nämlich
vorgeschlagenen Zwischenhandelsmonopols und Erhöhung des Effektenstempels
unter Anfügung einer Verbrauchsabgabe auf mit einem Mehrertrage von 23 Mill. Mark, Ein-
Essigsäure mit einem Mehrertrage von zu= führung eines Stempels auf Schecks
sammen etwa 80 Mill. Mark, die stärkere Belastung und Bankquittungen mit einem Er-
des Tabaks, wobei an Stelle der vorge= trage von etwa 13 Mill. Mark, Erweite-
schlagenen Fabrikatwertstener ein Wertzollzu-frung des Wechselstempels (Wieder-
schlag von 40 v. H. auf allen nicht zur Herstellung holung der Versteuerung bei langfristigen Wech-
zigarettenseuerpflichtiger Erzeugnisse verwende= seln) mit einem Mehrertrage von 7 Mill. Mark
ten ausländischen Rohtabak in Verbindung mit und Einführung einer Talonsteuer (Be-
einer Erhöhung der Inlandsteuer und der Ziga= steuerung der Gewinnanteilschein= und Zins-
rettensteuer gesetzt wurde, mit einem Gesamt-= bogen) mit einem Ertrage von etwa 27 Mill.
mehrertrage von 43 Mill. Mark, die Besteuerung Mark. Mit diesen Steuerbewilligungen hatte
der Beleuchtungsmittel mit einem Er-= der Reichstag der Reichskasse neue Einnahmen
trage von etwa 20 Mill. Mark, die Erhöhung der im Gesamtbetrage von rund 420 Mill. Mark
Schaumweinsteuer mit einem Mchr= jährlich (im Beharrungszustande) zugeführt.
ertrage von 5 Mill. Mark. Diesen Steuern wurde Dazu kam die Erhöhung der Matrikularbeiträge
noch beigefügt die Erhöhung des Kaffece= um 25 Mill. Mark, der Verzicht sowohl auf die
zolls um 20 K und des Teezolls um wvon den verbündeten Regierungen vorgeschlagene
85 .K für 1 dz mit einem Mehrertrage von zu-= Aufhebung der Fahrtartensteuer als auch, für
sammen etwa 37 Mill. Mark, und eine Besteue= die Dauer der 5 jährigen Finanzperiode, auf
rung der Zündwaren mit einem Ertrage die Ermäßigung der Zuckersteuer, sowie — auf
von ctwa 20 Mill. Mark. Weitere ernsthaft zur Kosten der Einzelstaaten — die andere Tei-