Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

Reichsverfassung 
(RGBl. 249); im Art. 70 durch 8 2 des G. vom 
14. Mai 1904 (Rl. 169), betr. die Ande- 
rungen im Finanzwesen des Reiches (s. hierzu 
G. vom 15. Juli 1909 — Röl. 743 — und 
Reichsfinanz wesen). Art. 51 ist durch 
Ablauf der darin festgesetzten Ubergangszeit 
erledigt. Anderungen der Verfassung er- 
folgen im Wege der Gesetzgebung. Sie gelten 
als abgelehnt, wenn sie im BR. 14 Stimmen 
gegen sich haben. Auch können diejenigen Vor- 
schriften, durch welche bestimmte Rechte einzelner 
Bundesstaaten in ihrem Verhältnisse zur Gesamt- 
heit festgestellt sind, nur mit Zustimmung des 
berechtigten Bundesstaats abgeändert werden 
(Art. 78). 
III. Das Deutsche Reich ist begründet 
worden „zum Schutze des Bundesgebiets und des 
innerhalb desselben gültigen Rechtes, sowie zur 
Pflege der Wohlfahrt des deutschen Volkes“ (Ein- 
leitung zur Verfassung). Es ist ein Bundes- 
staat; seine Glieder sind die dem Reiche an- 
gehörenden Staaten. Sein Ursprung liegt in 
völkerrechtlichen Verträgen, sein Rechtsgrund in 
dem übereinstimmenden, verfassungsmäßig zum 
Ausdruck gebrachten Willen der verbündeten 
Staaten, seine Rechtsexistenz als Staat in der 
Erfüllung dieses Willens. Das Reich ist unteil- 
bar; eine Wiederauflösung desselben ist rechtlich 
unmöglich. Dem Reiche steht innerhalb des 
Bundesgebietes die oberste Gewalt zu; es ist 
innerhalb des letzteren im Umfange der ihm durch 
die Reichsverfassung beigelegten Rechte souverän. 
Die staatliche Selbständigkeit ist den Einzelstaaten. 
gewahrt; aber ihre Souveränität findet ihre 
Grenzen in der Gewalt des Reiches, die sich nach 
außen darin äußert, daß dem Reiche die völker- 
rechtliche Vertretung und der Schutz der Reichs- 
angehörigen zusteht, nach innen der der Gesetz- 
gebung des Reiches („die Reichsgesetze gehen den 
Landesgesetzen vor“, Art. 2), der dem Reiche in 
bezug auf die Durchführung der Reichsgesetze zu- 
stehenden Aufsicht und der dem Reiche auf wich- 
tigen Gebieten vorbehaltenen eigenen Verwal- 
tung. Die Grenzen seiner gesetzlichen Zuständig- 
keit bestimmt das Reich allein; die einzige Schranke, 
welche es hierbei findet, sind die einzelnen Bun- 
desstaaten eingeräumten Sonderrechte (Art. 78). 
IV. Einheit des Rechts, soweit solche durch 
die Gemeinsamkeit der Interessen des Reichs und 
seiner Angehörigen begründet und bedingt ist, 
Einheit im Wirtschaftsleben und Freiheit des Ver- 
kehrs, Einheit in den äußeren Machtmitteln, Ein- 
heit in der Vertretung und im Schutze nach außen 
sind die Fundamente, auf denen die R. in ihren 
Bestimmungen beruht. Nach Art. 3 Abs. 1 besteht 
für ganz Deutschland ein gemeinsames Indigenat 
mit der Wirkung, daß der Angehörige (Untertan, 
Staatsbürger) eines jeden Bundesstaates in jedem 
anderen Bundesstaate als Inländer zu behandeln 
und demgemäß zum festen Wohnsitz, zum Ge- 
werbebetriebe, zu öffentlichen Amtern, zur Er- 
werbung von Grundstücken, zur Erlangung des 
Staatsbürgerrechts und zum Genusse aller son- 
stigen bürgerlichen Rechte unter denselben Vor- 
aussetzungen wie der Einheimische zuzulassen, 
auch in betreff der Rechtsverfolgung und des 
Rechtsschutzes denselben gleich zu behandeln ist. 
Soweit dies nicht schon durch diese Bestimmungen 
geschehen ist, werden für die Reichsgesetzgebung 
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und die Beaufsichtigung des Reiches in Anspruch 
genommen die Bestimmungen über Freizügig- 
keit, Heimats= und Niederlassungsverhältnisse, 
Staatsbürgerrecht, Paßwesen und Fremden- 
polhzel und über den Gewerbebetrieb einschließ- 
lich des Versicherungswesens, desgleichen über die 
Rolonisation und die Auswanderung nach außer- 
deutschen Ländern, in Bayern jedoch mit Aus- 
schluß der Heimats= und Niederlassungsverhält- 
nisse (Art. 4 Ziff. 1). Der Beaufsichtigung und 
der Gesetzgebung des Reiches sind ferner vorbe- 
halten die Bestimmungen über die wechselscitige 
Vollstreckung von Erkenntnissen in Zivilsachen und 
Erledigung von Requisitionen überhaupt (Art. 4 
Ziff. 11); über die Beglaubigung von öffentlichen 
Urkunden (Art. 4 Ziff. 12); über die Presse und 
das Vereinswesen (Art. 4 Ziff. 16); die gemein- 
same Gesetzgebung über das gesamte bürgerliche 
Recht, das Strafrecht und das gerichtliche Ver- 
fahren (G. vom 20. Dez. 1873 — R Bl. 379 — 
Art. 4 Ziff. 13); endlich Maßregeln der Medi- 
zinal-- und Veterinärpolizei (Art. 4 Ziff. 15). 
Deutschland bildet ein gemeinsames Zoll= und 
Handelsgebiet (Art. 33 Abs. 1); das Post= und 
das Telegraphenwesen sind für das gesamte Gebiet 
des Deutschen Reiches mit Ausnahme von Bayern 
und Württemberg (s. Post, Telegraphie, 
im allgemeinen) als einheitliche Staatsver- 
kehrsanstalten eingerichtet und verwaltet (Art. 48 
Abs. 1); das Eisenbahnwesen ist nach Konstruktion. 
und Ausrüstung der Eisenbahnen, nach Betrieb 
  
und Tarifen einheitlich zu regeln (Art. 42—46). 
Eisenbahnen, welche im Interesse der Verteidi- 
gung Deutschlands oder im Interesse des ge- 
meinsamen Verkehrs für notwendig erachtet wer- 
den, können kraft Reichsgesetzes auch gegen den 
Widerspruch der beteiligten Bundesglieder, un- 
beschadet der Landeshoheitsrechte, für Rechnung 
des Reiches angelegt oder an Privatunternehmer 
zur Ausführung konzessioniert und mit dem Ent- 
eignungsrechte ausgestattet werden (Art. 41 
Abs. 1). Den Anforderungen des Reiches in be- 
treff der Benutzung der Eisenbahnen zu Ver- 
teidigungszwecken haben sämtliche Eisenbahn- 
verwaltungen Folge zu leisten (Art. 47). Die 
Kauffahrteischiffe aller Bundesstaaten bilden eine 
einheitliche Handelsmarine; in den Seehäfen und 
auf allen natürlichen und künstlichen Wasser- 
straßen der einzelnen Bundesstaaten werden die 
Kauffahrteischiffe sämtlicher Bundesstaaten gleich- 
mäßig zugelassen und behandelt (Art. 54 Abs. 1 u. 
3). Im Einklang hiermit unterstehen der Be- 
aufsichtigung des Reiches und seiner Gesetz- 
gebung die Zoll= und Handelzgesetzgebung 
(Art. 4 Ziff. 2), das Eisenbahnwesen (Art. 4 
Ziff. 8; in Bayern vorbehaltlich der Bestim- 
  
mungen in Art. 46), das Post= und Telegraphen- 
wesen (Art. 4 Ziff. 10 in Bayern und Württem- 
berg nach Maßgabe der Bestimmungen in Art. 52), 
und das gleiche gilt von dem Flößerei= und Schiff- 
fahrtsbetriebe auf den mehreren Staaten ge- 
meinsamen Wasserstraßen und dem Zustand der 
letzteren, sowie den Fluß= und sonstigen Wasser- 
zöllen, [desgleichen den Seeschiffahrtszeichen 
(Leuchtfeuer, Tonnen, Baken und sonstige Tages- 
marken; Art. 4 Ziff. 9; Art. 54 Abs. 3—5; G. 
vom 3. März 1873 — RBl. 47); der Ordnung 
des Maß-, Münz= und Gewichtssystems nebst 
Feststellung der Grundsätze über die Emission von 
 
	        
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