452
etwas Gesetz werden soll, ist zu unterscheiden
das Recht zu einem bloßen, sei es endgültigen
oder nur aufschiebenden, Veto. In Preußen
kommt ein Gesetz erst durch die kgl. Sanktion
zustande, welche immer der freien Bestimmung
des Königs unterliegt. Insbesondere kann der
König auch einem von der Regierung mit Allerh.
Ermächtigung dem Landtage vorgelegten Ge-
setzentwurfe, selbst wenn er unverändert vom
Landtage angenommen worden ist, noch die
Sanktion versagen. Die Sanktion kann auch
noch nach Schluß der Sitzungsperiode erfolgen,
indessen nach herrschender Ansicht nicht mehr,
nachdem ein neues AbgH. gewählt worden ist.
Für das Deutsche Reich steht dem Kaiser kein
Recht der Sanktion zu (s. Reichsgesetze),
vielmehr erfolgt die Sanktion der Reichsgesetze
durch einen Beschluß des BR. Da in Preußen
wie in anderen deutschen Staaten in demselben
Akte das Gesetz sanktioniert und ausgefertigt
wird, so ist die Sanktionsformel mit der Aus-
fertigungsformel insofern verbunden, als jener,
die an sich nur zu lauten brauchte: „Wir
verordnen, was folgt“, noch der Hinweis auf
die verfassungsmäßige Entstehung des Gesetzes
durch die Worte: „mit Zustimmung der beiden
Häuser des Landtags der Monarchie“ eingefügt
ist. Diese Eingangsworte der Gesetze sind dann
in entsprechender Weise auf die Reichsgesetze
übernommen — „verordnen im Namen des
Reichs, nach erfolgter Zustimmung des BR.
und des RT.“ —, obwohl sie hier nicht ganz
der Rechtslage entsprechen.
Pabst, Die Sanktions= und die Publikationsbefugnis
für Gesetze; Arndt, Zur Frage der Gesetzessanktion im
Recht 1904, 205; Scheibke, Die Frist für Sanktion
und Publikation von Gesetzen.
Satzungen s. Statuten.
Sanuggas-Kraftanlagen f. Gasberei-
tungs- und Gasbewahrungsan-
stalten.
Säuglingsfürsorge. Die Tatsache, daß die
Säuglingssterblichkeit im Deutschen Reiche im
Verhältnis zu derjenigen in anderen Kultur-
ländern hoch ist (in Norwegen 8,1, in England
11,8, in Dänemark 12,1, in der Schweiz 12,7,
in Frankreich 14,3, in Belgien 14,6, in Italien
16,6, in Deutschland 18,5, in Osterreich 21,5,
in Rußland 27,20 der Lebendgeborenen), hat
sowohl die Staatsregierung als auch die privaten
gemeinnützigen Organisationen zu besonderen
Maßnahmen zu ihrer Herabminderung veranlaßt.
In Preußen sind die Kreisärzte angewiesen,
sich zweckmäßige Maßnahmen zur Bekämpfung
der Säuglingssterblichkeit angelegen sein zu
lassen. In erster Linie soll die künstliche Ernäh-
rung der Säuglinge gefördert, daneben aber
durch Belehrung, eingehende Überwachung des
Milchverkehrs und Errichtung von Milchabgabe-
stellen für Unbemittelte die künstliche Ernährung
möglichst sachgemäß gestaltet werden. Auch
wird die Errichtung von Stellen zur unentgelt-
lichen Beratung von Schwangeren und Müttern
sowie die Gewährung von Stillprämien emp-
fohlen (§ 98a der Dienstanw. f. d. Kreisärzte
vom 1. Sept. 1909 — MM Bl. 412). In dem-
selben Sinne wirken zahlreiche örtliche private
Organisationen, die in der „Preuß. Landes-
zentrale für Säuglingsschutz“ ihren Mittelpunkt
Satzungen — Schädliche Tiere und Pflanzen
finden (ME. vom 18. Juli 1910 — MMBl.
298). Eine Anstalt zur Unterstützung aller dieser
Bestrebungen bildet das in Form einer vom
Deutschen Reich und von Preußen mit erheb-
lichen Mitteln unterstützten Stiftung errichtete
„Kaiserin-Auguste-Viktoria-Haus zur Bekämp-
fung der Säuglingssterblichkeit im Deutschen
Reich“ in Charlottenburg. Nach seiner Satzung
(M Bl. 1907, 214) hat dieses insbesondere die
Aufgabe, die einschlägigen Fragen wissenschaft-
lich und praktisch zu erforschen, Material über
Säuglingssterblichkeit und S. aus allen Kultur-
staaten zu sammeln und die Ergebnisse der For-
schungs= und Sammlungstätigkeit durch Ver-
öffentlichungen und Raterteilung nutzbar zu
machen.
Schächten der Schlachttiere s. Schlacht-
methode.
Schadenersatz (der Gemeinden bei öffent-
lichen Aufläufen) s. Auflauf IV.
Schädliche Tiere und Pflanzen. Dem Schutz
gegen Einschleppung vom Auslande
dienen Einfuhrverbote. Solche sind unter ande-
rem erlassen zum Schutz gegen die Reblaus
(s. Reblauskrankheit), gegen den Ko-
loradokäfer (Verbot der Kartoffeleinfuhr
aus Amerika (Kais. V. vom 26. Febr. 1875 —
RGBl. 1357) und gegen die San José-=
Schildlaus (Einfuhrverbote und Beschrän-
kungen für lebende Pflanzen und frisches Obst
gegen Amerika — V. vom 5. Febr. 1898, RG-
Bl. 5 und gegen Japan — V. vom 6. Aug.
1900, Roel. 791 —; durch § 3 der letzten V.
ist der RK. ermächtigt, das Einfuhrverbot auch
auf andere Gebiete auszudehnen, wovon gegen-
über Australien Gebrauch gemacht ist, RK Bek.
vom 2. Juni 1907 — Rl. 243). Was den
Schutz im Inlande betrifft, so scheiden
die größeren Tiere hier aus, deren schädliche
Vermehrung im Wege der Jagdgesetzgebung
und durch Gewährung von Abschußprämien (s.
Schußgeld und Schußprämien) ent-
gegengewirkt wird. Zum Schutz des polizeilich
angeordneten Raupens dient die Strafvorschrift
in § 368 Ziff. 2 StGB. Im übrigen bietet
§s 34 des Feld-- und Forstpolizeigesetzes vom
1. April 1880 für das Polizeiverordnungsrecht
die erforderliche Grundlage, indem daselbst mit
Geldstrafe bis 150 .K oder mit Haft das Zu-
widerhandeln gegen die zum Schutze nützlicher
oder zur Vernichtung schädlicher Tiere und
Pflanzen erlassenen Polizeiverordnungen unter
Strafe gestellt wird. Wegen des Erlasses solcher
Polizeiverordnungen vgl. die AusfAnw. vom
12. Mai 1880 (Mal. 187). Auf Grund dieser
Ermächtigung sind namentlich zur Vertilgung
der Blutlaus, der Heuschrecken, Maikäfer, Feld-
mäuse und Hamster, stellenweise auch der Krähen
(s. hierzu auch Vögel), sowie der Kleeseide,
Seuchenblume und Distel Polizeiverordnungen
erlassen. Betreffs der forstlichen Schädlinge
(Nonnenraupe, Kiefernspinner, Borkenkäfer usw.)
findet ein polizeilicher Zwang zu Vertilgungs-
maßregeln im allgemeinen nicht statt, weil er bei
der Massenhaftigkeit des Auftretens dieser Schäd-
linge praktisch nicht durchführbar sein würde.
Soweit menschliche Einwirkungen überhaupt
möglich sind, handelt es sich wesentlich um forst-
liche Kultur= und Betriebsmaßnahmen und